Die Aktienmärkte kommen derzeit nicht vom Fleck. Das weiterhin hohe Zinsniveau und die ungünstige Saisonalität lassen keine größeren Bewegungen zu. Befürchtungen, dass sich die Inflation in den USA wieder beschleunigen könnte, haben zu Nervosität an den Zinsmärkten geführt. Auch in der Eurozone gibt es keine Entspannung an der Zinsfront. Angesichts hartnäckig hoher Kerninflationsraten hat die EZB den Leitzins — trotz schwacher Konjunkturdaten — auf ein 20-Jahreshoch gehievt. Nach nunmehr zehn Leitzinserhöhungen in Folge hat die EZB zwar jetzt ein vorläufiges Ende des Straffungszyklus angedeutet.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Zinsen bald wieder sinken. Angesichts des unverändert hohen Zinsdrucks konnten Technologiewerte ihre dynamische Outperformance nicht fortsetzen und stagnieren seit Wochen. Zyklische und defensive Aktien überzeugen im aktuellen Marktumfeld jedoch ebenso wenig. Die Anleger gehen mittlerweile davon aus, dass die sehr robusten US-Makrodaten nur eine Momentaufnahme darstellen und sich diese Entwicklung angesichts der vorherrschenden Rezessionssignale nicht fortsetzen kann. Gleichzeitig zeigt sich die Konjunktur außerhalb der USA zumeist sehr schwach. Dies ist ein weiterer Faktor für die generelle Impulslosigkeit der Aktienmärkte.
“Soft Landing” ist unwahrscheinlich
Ein wesentlicher Grund für die robuste Performance der globalen Börsen auf Jahressicht ist die Hoffnung auf ein sogenanntes “Soft Landing” in den USA. Aus empirischer Sicht ist dieses Szenario jedoch unwahrscheinlich. Die Historie kennt kein Beispiel, bei dem es gelungen ist, die Wirtschaft nach einer Hochinflationsphase so kontrolliert herunterzufahren, dass die Inflation eingedämmt werden konnte, ohne gleichzeitig eine schwere Rezession auszulösen. Trotzdem könnte der Glaube an ein “Soft Landing” die Märkte zunächst weiter antreiben. Im späteren Verlauf ist aber eine “klassische” notenbankinduzierte Rezession deutlich wahrscheinlicher. Noch sind die aktuellen US-Makrodaten positiv und das Rezessionsszenario scheinbar weit weg. Allerdings ist die Zinsstraffung noch nicht vollständig in der Realwirtschaft angekommen, die negativen Effekte dürften erst 2024 zum Tragen kommen. Sollte sich die bisherige Zinsstraffung als nicht ausreichend erweisen — was man erst mit deutlicher Verspätung feststellen kann — droht sogar eine zweite Inflationswelle. Dann wären Real-Assets, insbesondere Rohstoffe, im Vorteil. In dieser komplexen Gemengelage empfiehlt sich grundsätzlich ein Multi-Asset-Investmentansatz, der in der Lage ist, flexibel auf plötzliche Szenariowechsel zu reagieren.
Einschätzung von Dr. Eduard Baitinger, Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe