Der European Long-Term Investment Fund (ELTIF)

Als der European Long-term Investment Fund (ELTIF) im Jahr 2015 durch den europäischen Gesetzgeber eingeführt wurde, stand die Idee im Vordergrund, privates Kapital für die europäische Wirtschaft auf ihrem „Pfad intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums“ zu mobilisieren. Geleitet von dieser Zielsetzung unternahm der Gesetzgeber den Versuch, das Anlagespektrum, das diesem hehren Ziel entsprach, möglichst zielgenau zu formulieren und dabei ein Höchstmaß an Anlagerschutz zu gewährleisten, weil es sich bei dem ELTIF um ein Produkt für Privatanleger handelt.
22. März 2024
Dr. David Jansen - Foto: Copyright Willkie Farr & Gallagher LLP

Als der European Long-term Investment Fund (ELTIF) im Jahr 2015 durch den europäischen Gesetzgeber eingeführt wurde, stand die Idee im Vordergrund, privates Kapital für die europäische Wirtschaft auf ihrem „Pfad intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums“ zu mobilisieren. Geleitet von dieser Zielsetzung unternahm der Gesetzgeber den Versuch, das Anlagespektrum, das diesem hehren Ziel entsprach, möglichst zielgenau zu formulieren und dabei ein Höchstmaß an Anlegerschutz zu gewährleisten, weil es sich bei dem ELTIF um ein Produkt für Privatanleger handelt.

Das Ergebnis war für viele Anbieter schlicht zu kompliziert. Viele Anlagestrategien wie Dachfonds- oder Immobilien-fokussierte Strategien waren durch komplexe Erwerbbarkeitsvorgaben nicht sinnvoll umsetzbar. Hinzu kamen gesetzliche Vertriebsvorgaben, die einerseits eine Mindestanlagesumme von EUR 10.000 und gleichzeitig eine prozentuale Obergrenze von 10% des Anlegerportfolios vorsahen. Dass sich auf dieses Wagnis nicht viele einlassen wollten, war das Ergebnis der 2019 begonnen Bestandsaufnahme. Bis ins Jahr 2022 waren europaweit lediglich 77 ELTIFs zugelassen worden.

Der ELTIF im neuen Gewand

Mit der seit dem 10. Januar 2024 anwendbaren überarbeiteten ELTIF-Verordnung hat der EU-Gesetzgeber in einer ungewohnt konsequenten Überarbeitung vieles von dem, was bislang als hinderlich galt, über Bord geworfen. Herausgekommen ist ein gesetzlicher Fondstyp, der, einmal aufgelegt, grenzüberschreitend an Privatanleger in der gesamten EU vertrieben werden kann und dem sich nunmehr viele Anlagestrategien im Bereich der alternativen Investments umsetzen lassen. Hierzu zählen zum Beispiel Private Equity, Private Debt, Infrastruktur, Immobilien, und innovative Produkte an den Schnittstellen dieser Anlageklassen sowie Dachfonds. Und auch wenn der Vertrieb an Privatanleger kein leichtes Unterfangen darstellt, so sind die Vertriebsvorschriften nunmehr an bereits hergebrachten Konzepten ausgerichtet und erfordern keine Sonderlösungen mehr für den ELTIF.

Auch bei der Struktur eines ELTIFs bestehen nun noch mehr Gestaltungsspielräume. So besteht neben dem traditionellen ELTIF, bei dem es sich um einen Publikumsfonds handelt, auch ein ELTIF, der professionellen Anlegern vorbehalten ist und von vielen gesetzlichen Vorgaben befreit ist. Ferner lässt der ELTIF sich als geschlossener, aber auch unter bestimmten Voraussetzungen als offener Fonds auflegen. Wer den ELTIF in Deutschland auflegen möchte, hat dank einer jüngst veröffentlichen Verwaltungspraxis der BaFin die Wahl zwischen allen in Deutschland üblichen Rechtsformen: der ELTIF kann also als Sondervermögen, als Investment-Kommanditgesellschaft und als Investment-Aktiengesellschaft aufgelegt werden. Dabei gehen die Wahlmöglichkeiten für den ELTIF dank einer großzügigen Verwaltungspraxis der BaFin sogar weiter als bei den im nationalen Recht vorgesehen Fondsstrukturen.

Offene Fragen bei offenen ELTIF

Wie die Rücknahme von Investmentanteilen bei offenen ELTIF genau auszugestalten sein wird, ist noch Gegenstand von sog. Technischen Regulierungsstandards, die die ELTIF-Verordnung noch ergänzen werden. Ihr Inhalt ist derzeit noch Gegenstand einer Kontroverse zwischen der Europäischen Wertpapier- und Finanzmarktaufsicht (ESMA) und der Europäischen Kommission. Neben der Festlegung von für den spezifischen Fonds bemessenen Mindesthaltefristen sollen die Rücknahmebedingungen von ELTIF auch Anzeigefristen für die Ausübung für Rückgaberechten vorsehen. Dabei sieht der von der ESMA entwickelte Entwurf derzeit Anzeigefristen von mindestens zwölf Monaten vor. Noch kürzere Ankündigungsfristen sind nur zulässig, wenn der ELTIF den Umfang der Rücknahmen besonders stark auf einen Prozentwert der liquiden Vermögensgegenstände beschränkt und gleichzeitig einen damit korrelierenden Mindestanteil des Fonds in eben solchen liquiden Vermögensgegenständen hält. So dürfte ein ELTIF beispielsweise Rückgabefristen zwischen neun und sechs Monaten vorsehen, wenn er mindestens 27% seines Vermögens in liquiden Anlagen hält und die Rücknahmen im Umfang auf 45% der gehaltenen liquiden Vermögenswerte beschränkt.

Die durch Rückgaberechte gewährte Liquidität von Produkten spielt nach Einschätzung vieler Vertriebsexperten eine herausragende Rolle für den Erfolg des Produkts. Entsprechend kritisch ist die Rückmeldung auf diese recht starren Vorschläge ausgefallen und auch seitens der Kommission scheint die Sorge zu bestehen, dass die Vorschläge der ESMA den Erfolg des ELTIF erneut gefährden könnten. Insofern bleibt also abzuwarten, wie die schlussendlichen Regeln für offene ELTIF aussehen werden.

Zweitmarkt als Alternative

Um Anlegern eine weitere Möglichkeit zu bieten, sich von ihrem Investment zu trennen, erlaubt die neue ELTIF-Verordnung den Verwaltungsgesellschaften einen Zweitmarkt zu unterhalten, an dem bestehende Anleger ihre Anteile verkaufen und interessierte Anleger Anteile von bereits existierenden Fonds erwerben können. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird oder Verwaltungsgesellschaften stattdessen auf herkömmliche Notierungen setzen, bleibt abzuwarten.

ELTIF als Alternative zu Publikums-AIF des KAGB

Bei der Strukturierung von Publikumsprodukten muss der neue ELTIF künftig konsequent als Ergänzung der bestehenden Fondstypen-Palette des KAGB gedacht werden. Insbesondere im Bereich der Immobilien- und der Infrastrukturinvestments kann sich eine Gegenüberstellung mit den hergebrachten Strukturen des Immobilien-Sondervermögens und der Infrastruktur-Sondervermögen lohnen.

Dabei ist zu beachten, dass der Anlagehorizont insbesondere bei Immobilien durch die neue ELTIF-Verordnung deutlich erweitert wurde, da nicht nur der Mindestwert von EUR 10 Mio. pro Vermögensgegenstand entfallen ist, sondern auch die Anforderung, dass die gewerblichen Immobilien oder Wohngebäude „ein wesentliches oder sekundäres Element eines langfristigen Investitionsprojekts sind, das zu dem Unionsziel eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums beiträgt“.

Verglichen mit den offenen Immobilienfonds nach deutschem Recht schafft der ELTIF für Immobilien-Verwalter ein weites Gestaltungsfeld, um spannende Produkte umzusetzen. So muss die Strategie nicht mehr auf das reine Erwerben, Halten und Veräußern beschränkt sein; auch Private Equity-artige Strategien werden möglich, die Beteiligung an Joint Ventures sowie an operativen Betreibergesellschaften und auch die Möglichkeit, bei der Anlage opportunistisch zwischen Fremd und Eigenkapitalinvestments zu wechseln, werden mit dem neuen ELTIF stark erleichtert, dass für Anleger hier interessante neue Produkte entstehen, die unter dem bisherigen Rechtsrahmen undenkbar gewesen wären.

Dass der Fonds dann europaweit Kapital bei Privatanleger einwerben kann, wird die Produktstrukturierung unterm Strich günstiger machen, wovon auch Anleger profitieren dürften.

Der Vertrieb und Markinfrastruktur im Aufbau

Viele Fondsverwalter, die nicht auf eine breite, hauseigene Retail-Vertriebsstruktur zurückgreifen können und mit dem Thema Wealth Management Neuland betreten, stellen sich die Frage nach einer geeigneten Vertriebsstruktur. Dabei greifen einige zunächst auf Privatbanken zurück, die vor allem einen guten Zugang zum gehobenen Privatkundensegment vermitteln. Daneben etablieren sich zunehmend Dienstleister wie zum Beispiel die Vertriebsplattform Privatize, die sich auf den Vertrieb von Private Market Fonds fokussieren. Selbst für Anlagenvermittler, Institute und Haftungsdächer ist der ELTIF-Vertrieb eine besondere Herausforderung. Zunächst muss der Vertrieb von ELTIF zwingend eine Geeignetheitsprüfung umfassen, diese gesteigerte Informationserfassungs- und –prüfungspflicht besteht sonst nur bei gehobenen Finanzdienstleistungen wie der Anlageberatung und der Portfolioverwaltung – beim ELTIF greift sie also schon bei der bloßen Vermittlung. Das bedeutet, dass die Interaktion mit den Anlegern komplexer und Haftungsrisiken tendenziell größer sind. Ein Execution Only-Vertrieb scheidet von vornherein aus. Auch allgemeine Vertriebsvorschriften wie die Pflicht zur fairen, eindeutigen und nicht irreführenden Information potentieller Anleger bedeuten für Produktanbieter, die mit dem Retail-Vertrieb bisher keine Berührung hatten, neues Terrain. Um eine Asset-Klasse wie Private Debt oder Private Equity Privatanlegern in einfacher Sprache näher zu bringen, muss oftmals der eher aus dem institutionellen Geschäft stammende Jargon dieser Assetklassen aufgelöst und viele Anglizismen erläutert werden.

Hieran zeigt sich auch, dass mit dem ELTIF möglicherweise eine neue Ära beginnt, in der Privatanlegern Anlageklassen zugänglich gemacht werden, zu denen sie lange Zeit keinen Zugang hatten. Es bleibt abzuwarten, ob der ELTIF in einigen Jahren den gleichen Stellenwert für alternative Anlagen hat wie ihn der OGAW im Bereich der Wertpapierfonds genießt. Einen pan-europäischen Vertriebspass für Privatanleger teilen die beiden schon jetzt.

Autor: Dr. David Jansen, Partner, Willkie Farr & Gallagher LLP

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