Keine Angst vor einer Inflation

2. Juli 2020
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Um es frei nach dem früheren US-Notenbankchef Ben Bernanke zu sagen: Das Gelddrucken mag in der Theorie nicht funktionieren, doch es funktioniert in der Praxis. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Drucken von Geld bei einer stabilen Geldnachfrage keine Rolle spielt. Denn wenn eine Zentralbank Geld druckt, zwingt sie die Investoren, größere Mengen an Bargeld zu halten oder aber dieses in anderen Vermögenswerten anzulegen. Dadurch wächst die Nachfrage nach Risikoanlagen, was eine Inflation der Vermögenspreise (statt einer Inflation der Verbraucherpreise) zur Folge hat.

Höhere Preise für risikoreiche Anlagen führen wiederum zu niedrigeren Finanzierungskosten für Unternehmen und größerem Wohlstand für die Eigentümer von Finanzanlagen. Beide Faktoren lassen die Nachfrage nach Gütern und Kapitalanlagen tendenziell steigen. Soweit der positive Effekt geldpolitischer Expansion.

In Ländern wie Venezuela, Argentinien und Simbabwe hat die Geldschöpfung dennoch zu massiver Inflation geführt. Was ist in diesen Fällen schiefgelaufen? Wie sich vermuten lässt, besitzt keines dieser Länder eine Währung, die sich als Wertaufbewahrungsmittel besonders gut eignet. Hinzu kommen in der Regel hohe Inflationserwartungen (aufgrund von früheren Phasen einer politisch bedingten Überhitzung der Wirtschaft), eine mangelhafte Verwaltung der öffentlichen Haushalte und der Eigentumsrechte sowie andere Governance-Aspekte, bei denen diese Länder nicht gerade glänzend abschneiden. Wer seiner Regierung nicht vertraut, wird kaum in Vermögensanlagen investieren, die in von dieser Regierung ausgegebener Währung notieren.

Da viele dieser Staaten gleichzeitig den Zugang zu ausländischen Kapitalmärkten stark reglementieren, bleibt Inländern häufig allein die Anlage in mehr oder weniger langlebige Konsumgüter – ein Auto verliert seinen Gebrauchswert nicht so schnell, wie die Kaufkraft der Währung durch die hohe Inflation aufgezehrt werden kann. Da das Warenangebot in diesen Volkswirtschaften beschränkt ist, tätigen die Verbraucher zudem Hamsterkäufe, um ihr Vermögen zu erhalten, was die Güterknappheit noch verstärkt und die Preise weiter in die Höhe treibt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die USA diesem Beispiel folgen werden. Die dramatische Bilanzausweitung der US-Notenbank resultiert aus einem starken Anstieg der Nachfrage nach Zentralbankgeld. Angesichts eines mindestens vierwöchigen Lockdowns und der dadurch entstehenden Einkommenseinbußen nahmen viele Haushalte und Unternehmen schnellstmöglich Bankkredite auf. Auf diese Weise wollten sie sich eine ausreichende Liquidität sichern, um in diesem Zeitraum lebensnotwendige Güter und Betriebsausgaben bezahlen zu können. Die grundlegende Ursache für die Ausweitung der Fed-Bilanz war somit ein Anstieg der Geldnachfrage – also ein völlig anderes Szenario als eine Implosion der Geldnachfrage, die zu steigender Verbraucherpreisinflation und einem Run auf die Währung führt.

Tatsächlich ist die Ära des Gelddruckens noch nicht zu Ende. Mehrere Schwellenländer haben beispielsweise eine Ausweitung der monetären Basis angedeutet, um die erhebliche Verschlechterung der Haushaltslage zu kompensieren, die alle Volkswirtschaften der Welt verzeichnen werden. Und die Inflationserwartungen, die Haushaltspolitik, die Gewährleistung von Recht und Ordnung und das Management der Zahlungsbilanz sind in den Schwellenländern deutlich weniger robust als in den Industrieländern. Wird die Geldnachfrage dadurch instabil werden? Damit ist in einigen dieser Länder zu rechnen. Doch die genaue Entwicklung bleibt abzuwarten.

Autor: Nikolaj Schmidt,
Chief International Economist
T. Rowe Price

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