“Infinite-Jest-Regime”: Welche Portfolio-Strategien jetzt wichtig sind

Manche Diversifikationsstrategien gelten derzeit noch als konträr. Axel Cabrol, Co-CIO bei Tobam erläutert, welche drei Portfoliostrategien aktuell von entscheidender Bedeutung sind. Timing gehört nicht dazu.
29. April 2024
Axel Cabrol - Foto: © Tobam

Manche Diversifikationsstrategien gelten derzeit noch als konträr. Axel Cabrol, Co-CIO bei Tobam erläutert, welche drei Portfoliostrategien aktuell von entscheidender Bedeutung sind. Timing gehört nicht dazu.

Das Konzept von “Marktzyklen” — der Wechsel zwischen Rezession und Expansion — scheint nicht mehr zu gelten. Der COVID-bedingte Wachstumseinbruch gefolgt von einem überschwänglichen Markthoch im Jahr 2021 mit der nachfolgenden Inflationswelle im Jahr 2022, stellen die Annahme, dass Kapitalmärkte sich in Zyklen bewegen, infrage. Selbst proaktive Maßnahmen von führenden Zentralbanken hatten keinen nachhaltigen Effekt auf die Ausdehnung der Aufwärtsbewegung.

Indikator ohne Informationsgehalt?

In der Vergangenheit war eine inverse US-Renditekurve ein zuverlässiger Indikator für eine Rezession. Nach zwei Jahren anhaltender Inversion ohne nennenswerte Wachstumsabschwächung erinnern die Märkte eher an „Infinite Jest“ (Unendlicher Spaß), dem Hauptwerk von David Foster Wallace, einer der meistgefeierten, zeitgenössischen US-Autoren. In diesem Sinne hat sich ein Porträt des überreizten Turbokapitalismus und Hedonismus entfaltet.

Bewertungsindikatoren signalisieren uns ein “infinite jest”-Regime, in welchem sich die Märkte über substantielle wirtschaftliche Risiken wie Geopolitik, Wachstumsrisiken, zunehmenden Protektionismus und eine beispiellose Konzentration des Aktienmarktes auf eine Handvoll Mega-Caps anscheinend mit Leichtigkeit hinwegsetzen.

Welchen Wert haben Zyklus-Indikatoren dann noch? Die Frage erscheint womöglich als rein rhetorisch, aber sie hat praktische Auswirkungen, die vorsichtige Anleger seit über einem Jahr beschäftigen. Ein “zyklusorientierter” Ansatz ist aus unserer Sicht damit keineswegs widerlegt. Die aktuellen Marktbedingungen sind in der Zyklustheorie vielmehr ein Beispiel für die Phase des “späten Zyklus”. Ein Markt, der sich am Ende einer Bewegung befindet, zeichnet sich durch Timing-Probleme und divergierende Trend- und Fundamentalsignale aus. Die Folge: in den Portfolios steigen die Risiken, ohne dass sich entsprechende Gewinne einstellen.

Timing vergeblich

Die jüngsten Ereignisse haben die vorherrschende Marktdynamik anschaulich vor Augen geführt: Die Inflation in den USA hat seit Dezember dreimal die Erwartungen übertroffen. Anfangs wurden diese Zahlen als Anomalien abgetan, zumal die Mitglieder des Offenmarktausschusses der Fed einen beruhigenden Ton anschlugen. Diese Verleugnungsphase ist typisch für einen Markttrend, der sich den eigenen eine Bestätigungen zuneigt. Die jüngsten Daten für März übertrafen erneut die Prognosen der Ökonomen, was zu einem Rückgang der Märkte und einem Wiederanstieg der Volatilität führte. Es gibt zwar keine strikte Regel, dass die Realitätsverweigerung nur drei Monate dauert, doch ist dies ein Hinweis auf ein Szenario in der Spätphase des Zyklus, in der Timingversuche trotz eindeutiger Anzeichen für überzogene Bewertungen zunehmend schwieriger werden.

Anleger, die mit diesen Herausforderungen konfrontiert sind, haben zwei Hauptstrategien: Sie können ihre Prognosemethoden verfeinern, um ihr Timing des Marktes zu verbessern, oder sie können ihre Allokation anpassen, um die mit diesen Unklarheiten verbundenen Risiken zu mindern. Letzteres ist in einem spätzyklischen Umfeld von entscheidender Bedeutung und bedeutet, dass man von der eigenen Prognosequalität unabhängiger wird. Folgende drei Portfoliostrategien sind aktuell von entscheidender Bedeutung: Verbesserung der Diversifizierung, Konzentration auf Carry und höhere Renditen sowie Integration von Volatilität mit Optionen oder Absicherungsstrategien.

Diversifikationsstrategien gelten derzeit noch als konträr

Vor allem stellen diese Strategien derzeit konträre Positionen dar. Die Aktienmärkte weisen immer noch eine hohe Konzentration auf die “Magnificent 7” auf. Diese stark wachstumsorientierten Unternehmen haben im ersten Quartal erneut eine überdurchschnittlich performed; die Renditen steigen gleichzeitig weiter, und die Strategie des Verkaufs von gedeckten Kaufoptionen hat an Wirkung gewonnen. Dabei handelt es sich nicht um die Wette auf einen bevorstehenden Bärenmarkt. Vielmehr zielen Short Call Strategien auf ein ausgewogenes Verhältnis von Risiko und Rendite in verschiedenen Szenarien ab und sind Teil einer Portfoliodiversifikation.

Zusammenfassend erfordert diese späte Phase des Zyklus, auch konträre Ansätze in Betracht zu ziehen. Eine vorsichtigere Haltung gegenüber ehemals erfolgreichen Anlagen, die sich nun ihren Leistungsgrenzen nähern, hilft dabei, sich gegen bevorstehende Zyklusübergänge abzusichern. Dieser Ansatz bereitet Portfolios nicht nur auf potenzielle Rücksetzer vor, sondern passt die Anlagestrategien auch an die sich verändernden Marktbedingungen an.

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