Die nachhaltige Kapitalanlage wird dynamisch bleiben

Der Gedanke des nachhaltigen Investierens ist nicht mehr aus den Köpfen zu bekommen. Zu wichtig und zu universell ist das Thema. Und der Blick zurück offenbart, dass es keineswegs neu ist. Vielleicht in der Dimension, das mag sein. Bereits 1987 wurde der Brundtland-Bericht veröffentlicht. Die II-Chefredaktion sprach mit drei renommierten Experten im ESG-Umfeld.
18. März 2022
(v.l.n.r) Jan Rabe, Patrick Vogel und Richard Schmidt

I: Die Gretchenfrage für viele Anleger lautet: Aktives versus passives Portfoliomanagement im Rahmen der nachhaltigen Kapitalanlage. Folgt jetzt das Plädoyer für den aktiven Ansatz?
Vogel: Wir müssen schon festhalten, dass passive Produkte abhängig von den starren Regeln der Indexanbieter sind. Sie sind statisch in ihrer Methodik und können somit dem dynamischen Charakter der nachhaltigen Kapitalanlage nicht Schritt halten. Dieses Verständnis ist aber nach unserer Meinung vonnöten, um letztlich Mehrwerte zu generieren. Aktive Fondsmanager können so bei Unternehmen, mit denen sie als Investoren im Dialog stehen, langfristig erfolgreiche Veränderungen anstoßen und verfolgen. Hinzu kommt, dass Indizes nicht zwangsläufig die Unterneh-men mit dem größten Entwicklungspotenzial abbilden.
Schmidt: Speziell institutionellen Investoren mit einer ausgeprägten Wertorientierung, zu denen Kirchen zählen, ist es wichtig, dass ihre Werte in ethisch-nachhaltigen Anlagekriterien zum Ausdruck kommen. Das war bereits in der Vergangenheit der Fall. Für sie ist klar, dass es kein ethisch neutrales Investment gibt, denn jede Geldanlage entfaltet eine Wirkung. An diesem Punkt konnten wir als aktiver Investor mit Ausschlüssen gut überzeugen und punkten. Anbieter passiver Produkte haben diesen Rückstand im Zeitablauf kleiner, aber nicht wettgemacht. Es gibt nach wie vor sehr viele Kunden im Insti-Bereich, die spezielle Anforderungen haben. Und die großen Indexanbieter können diese nicht bedienen. Was ich auch sehe ist, dass die Liquidität in vielen Nachhaltigkeitsindizes nicht so hoch ist.
Rabe: Passive Produkte sind durchaus in der Lage, individuelle Kundenwünsche umzusetzen – dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Wertekonzepte nach strengen Vorgaben in Form von Ausschlusslisten und kostengünstig umgesetzt werden sollen. Darüber hinaus gilt: Die nachhaltige Kapitalanlage ist Trumpf des aktiven Portfoliomanagers. Daten, mit deren Hilfe sich Nachhaltigkeit messen lässt, werden qualitativ hochwertiger und bieten somit eine verlässlichere Grundlage, vorteilhafte Anlageentscheidungen zu treffen. Vor allem aber gilt es, stetig neu zu bewerten, ob die verkündete Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens glaubhaft oder lediglich ein Feigenblatt ist. Nur so kann überprüft werden, ob mit einer entsprechenden Ausrichtung auch ein ökonomischer Vorteil einhergeht.
Schmidt: Noch ein Satz zu den großen Indexanbietern – diese zeigen oftmals zwei Gesichter. Ein „grünes“ und eines, in dem sie beispielsweise massiv Kohle-Investitionen betreiben oder Atomenergie fördern. Diese Janusköpfigkeit möchten Kunden nicht mehr. Auch das spielt uns letztlich in die Karten.

I: Nun müssen Fondsanbieter neuerdings ihre Produkte in eine von drei Nachhaltigkeitskategorien einordnen. Dunkelgrün als „neue Idealvorstellung?“
Schmidt: Da habe ich meine Zweifel. Ist dem Kunden beispielsweise künftig wirklich einfach und nachvollziehbar die Differenzierung zwischen Artikel 8 plus und Artikel 9 beizubringen? In Zukunft wird es vermutlich so sein, dass das Anlageuniversum im dunkelgrünen Bereich recht eng sein wird mit der Konsequenz, dass ein Portfolio so gut wie vorgegeben ist. Das raubt Gestaltungsmöglichkeiten. Bei 8‑plus-Fonds besteht zumindest noch genügend Auswahl.
Rabe: Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang zu wenig diskutiert wird, ist die Steuerung der Portfoliorisiko-Konzentration. Die Ausrichtung auf eine Nische kann dazu führen, dass das Anlageprodukt womöglich unbeabsichtigte Positionierungen auf anderen Investitionsebenen eingeht, wie der Risikoprämien- oder der Branchen- und Länderebene. Hierüber gilt es, den Kunden aufzuklären und in Absprache gegenzusteuern – nur so kann gewährleistet werden, dass die nachhaltige Kapitalanlage Bestand hat.

II: Den Nachhaltigkeitsbegriff der Zukunft – wie lässt er sich fassen?
Vogel: Ich denke, es gibt kein allgemeingültiges, einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit. Und das wiederum ist gut so. Die zugrundeliegenden Kriterien sind subjektiver Natur. Insofern lässt sich nachhaltiges Investieren nicht gleichsetzen. Vielmehr gilt es, einen authentischen Ansatz zu erarbeiten und diesen transparent darzulegen. Das ist die zentrale Botschaft.
Rabe: Die nachhaltige Kapitalanlage wird dynamisch bleiben und muss ständig neu hinterfragt werden. Das gilt auch für Konzepte, die seitens der Regulierung zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsbegriffs in Anlagestrategien vorgeschlagen werden. Nur wer versteht, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte in ökonomische Größen wie Umsätze, Kosten, Abschreibungen oder Investitionen übersetzen lassen, kann dem Kunden gegenüber glaubhaft sein.

(v.l.n.r) Jan Rabe © Metzler Asset Management GmbH
Patrick Vogel © MainFirst Asset Management GmbH
Richard Schmidt © DJE Kapital AG

Pages: 1234

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter