Die nachhaltige Kapitalanlage wird dynamisch bleiben

Der Gedanke des nachhaltigen Investierens ist nicht mehr aus den Köpfen zu bekommen. Zu wichtig und zu universell ist das Thema. Und der Blick zurück offenbart, dass es keineswegs neu ist. Vielleicht in der Dimension, das mag sein. Bereits 1987 wurde der Brundtland-Bericht veröffentlicht. Die II-Chefredaktion sprach mit drei renommierten Experten im ESG-Umfeld.
18. März 2022
(v.l.n.r) Jan Rabe, Patrick Vogel und Richard Schmidt

Der Gedanke des nachhaltigen Investierens ist nicht mehr aus den Köpfen zu bekommen. Zu wichtig und zu universell ist das Thema. Und der Blick zurück offenbart, dass es keineswegs neu ist. Vielleicht in der Dimension, das mag sein. Bereits 1987 wurde der Brundtland-Bericht veröffentlicht. Die II-Chefredaktion sprach mit drei renommierten Experten im ESG-Umfeld.

Jan Rabe, Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management GmbH
Richard Schmidt, Leiter Absolute Return und ESG-Botschafter, DJE Kapital AG
Patrick Vogel, Head of Portfolio Management und Mitglied der Geschäftsführung der MainFirst Affiliated Fund Managers (Deutschland) GmbH

INTELLIGENT INVESTORS: Meine Herren, beginnen wir mit einem aktuellen Anlass. Trotz Kritik bleibt die EU-Kommission bei ihren Plänen und stuft Erdgas und Kernkraft künftig als grüne Energie ein. Können Sie die vorgebrachten Bedenken verstehen?
Jan Rabe: Im Vordergrund sollte die Frage stehen, wie wir als Gesellschaft den Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft ökonomisch sinnvoll gestalten können. Ich glaube, dass man die Nutzung beider Technologien strenggenommen nicht als nachhaltig ansehen kann. Doch ich gebe auch zu bedenken, dass beispielsweise fossiles Gas in hochmodernen Gaskraftwerken für einen Übergangszeitraum eine Brücke bilden kann, um einen schnelleren Kohleausstieg zu ermöglichen. Der dahinterliegende Aspekt, sich nicht zu stark auf die Pure Plays zu konzentrieren, kommt mir in der öffentlichen Diskussion zu kurz. Das heißt, eine Einstufung von beispielsweise Erdgas als Brückentechnologie wäre die Grundlage dafür, den Energiemix zu stabilisieren. Dies ist wichtig aus zwei Gründen: Der Faktor Energie bildet eine verlässliche Säule in Zeiten steigender ökonomischer Unsicherheit und ermöglicht es, energieintensive Branchen zügig zu entkarbonisieren.

Richard Schmidt: Der Blick über unsere eigenen Landesgrenzen hinweg zeigt, wie heterogen die Auffassungen hierzu sind. Ähnlich wie hierzulande gibt es beispielsweise in Österreich eine sehr starke Anti-Atomkraft-Bewegung. Andernorts, in Frankreich oder Polen, herrscht eine andere Meinung vor. So plant die polnische Regierung, Kohlekraftwerke durch neue Atomreaktoren zu ersetzen, um die Klimaziele zu erreichen.
Während demnach in Deutschland die letzten Reaktoren in Bälde vom Netz gehen, erlebt die Atomkraft in anderen Ländern eine Renaissance. Unsere Kunden, um das noch zu betonen, positionieren sich klar gegen Kernenergie.

II: Unterschiedliche Meinungen prallen sowieso beim Thema Nachhaltigkeit aufeinander. Herr Vogel, ist es nicht förderlich, zu einem einheitlichen Verständnis zu kommen?
Patrick Vogel: Nein, das denke ich nicht. Zum einen ist es wichtig zu verstehen, dass sich Nachhaltigkeit in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung befindet und sich damit auch das Verständnis wandelt. Heißt, nichts ist sozusagen in Stein gemeißelt. Zum anderen ist das Anerkennen der verschiedenen, mitunter gut begründeten Meinungen von Belang. Wir müssen uns daher vor Augen führen, dass es ein subjektives definitorisches Verständnis von Nachhaltigkeit ist, das wir dann aber auch authentisch vertreten sollten.

II: Anknüpfend daran – MainFirst hat viele Investmentprodukte anzubieten. Die Anforderungen an das Verständnis von Nachhaltigkeit bei Large Caps unterscheiden sich doch von jenen bei Small/MidCaps und Emerging Markets-Anlagen.
Vogel: Ja, genau. Beispiel: Nachhaltigkeit und Emerging Markets sind in der Summe zwei starke Trends. Nun ist die Herausforderung, was ESG-Daten in den Schwellenländern betrifft, tatsächlich existent. Wie geht man dieses vermeintliche Problem an? Nun, man muss mit den jeweiligen Unternehmen sprechen, um den Kontext und die Dynamik zu verstehen. Somit lassen sich im Zuge der Fundamentalanalyse viele Informationen gewinnen, die für die letztliche Investitionsentscheidung unerlässlich sind. So weit gehen viele ESG-Datenanbieter schon gar nicht, sondern berufen sich auf reine quantitative Abfragen oder gar Schätzungen. Darum ist es umso wichtiger, bei ESG-Anlagen in Schwellenländern zusätzlich auf ein aktives Portfoliomanagement zu vertrauen, welches die Lücken schließt, die durch mangelnde Offenlegung von ESG-Daten bis dato herrschen. Einen weiteren Aspekt möchte ich noch anführen – er betrifft das bereits angesprochene Verständnis von Nachhaltigkeit. Denn Investoren sollten bei ESG-Investments in Emerging Markets eben nicht nur auf den Status quo schauen, sondern auch das Verbesserungspotenzial im Blick haben, beispielsweise die Sozialstandards oder Aspekte der Corporate Governance. Hier kann durch aktiven Dialog mit den lokalen Emittenten ein positiver Einfluss ausgeübt werden. Ähnliches sehen wir in anderen Anlageklassen, in denen wir vertreten sind und das Gewicht unserer Investments richtungsweisend sein können.

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