Steigende Inflation und enttäuschende Arbeitsmarktdaten

Die Fed-Sitzung am 15. und 16. Juni gibt der US-Notenbank Gelegenheit, sich zu den Fortschritten bei ihren beiden Hauptzielen – Inflation und Vollbeschäftigung – zu äußern. Unserer Einschätzung nach wird sie bestätigen, dass keine Notwendigkeit für eine Normalisierung der Geldpolitik besteht.
15. Juni 2021
Franck Dixmier - Foto: © Allianz Global Investors

Die Fed-Sitzung am 15. und 16. Juni gibt der US-Notenbank Gelegenheit, sich zu den Fortschritten bei ihren beiden Hauptzielen – Inflation und Vollbeschäftigung – zu äußern. Unserer Einschätzung nach wird sie bestätigen, dass keine Notwendigkeit für eine Normalisierung der Geldpolitik besteht.

Auf der Inflationsseite überraschte zuletzt die Geschwindigkeit des Preisanstiegs: Die Gesamtinflation lag im Mai bei +5 Prozent, im Vergleich zu erwarteten +4,7 Prozent und +4,2 Prozent im Vormonat. Die Kerninflationsrate lag mit +3,8 Prozent ebenfalls über den Erwartungen (+3,4 Prozent). Dieser Anstieg ist jedoch größtenteils auf Basiseffekte zurückzuführen, insbesondere auf einen Preisanstieg bei Energie und höhere Gebrauchtwagenverkäufe. Daher dürfte Fed-Präsident Jerome Powell erneut betonen, dass es sich bei diesem Inflationsanstieg um ein temporäres und begrenztes Phänomen handelt.

Die Annahme eines nur vorübergehenden Inflationsschubs würde durch einen dauerhaften Anstieg der Löhne unterminiert. Doch trotz einiger jüngster Ankündigungen von Lohnerhöhungen bei namhaften Unternehmen, welche vor allem die am wenigsten qualifizierten Stellen betreffen, sehen wir insgesamt derzeit keinen sich aufbauenden Lohndruck: Die durchschnittlichen Stundenlöhne stiegen im Mai um 0,5 Prozent, nach 0,7 Prozent im April.

Die Analyse des vorübergehenden Charakters der aktuellen Inflationstendenzen wird von den Märkten weitgehend geteilt, die die jüngste Volatilität ignorieren und sich stattdessen an den Zielen der Fed orientieren. Nachdem sie Mitte Mai ihren Höchststand erreicht hatten, sind die Inflationserwartungen in den letzten Wochen zurückgegangen: Die 5‑Jahres/5‑Jahres-Forward-Swap-Inflationsrate sind von ihrem Höhepunkt von 2,55 Prozent Mitte Mai bis 11. Juni auf 2,37 Prozent. Die Breakeven-Inflationsraten folgten einem ähnlichen Trend (die 2‑Jahres-Inflationsrate im selben Zeitraum von 2,96 auf 2,77 Prozent, die 5‑Jahres-Inflationsrate von 2,75 auf 2,50 Prozent und die 10-Jahres-Inflationsrate von 2,56 auf 2,35 Prozent).

Was schließlich die Beschäftigungslage betrifft, sollte sich die Fed zu den Fortschritten bei der Erreichung ihres Vollbeschäftigungs-Ziels, vor allem aber auch mit Blick auf das neue, inoffizielle Ziel äußern: die Verringerung von Ungleichheit, im Einklang mit der Agenda von US-Präsident Joe Biden. Von nun an geht es nicht nur darum, die Voraussetzungen für einen Rückgang der Arbeitslosenquote zu schaffen, sondern auch Vollbeschäftigung bei den Minderheiten zu fördern, die während der Krise am meisten gelitten haben. Diese Ziele sind noch weit davon entfernt, erreicht zu werden. Trotz der starken Erholung beim US-Wachstum bleibt die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze enttäuschend. Die 2,4 Millionen Arbeitsplätze, die seit Anfang des Jahres geschaffen wurden, reichen nicht aus, um den vorhergehenden Arbeitsplatzabbau zu kompensieren. Auch die mit 61,5 Prozent auf niedrigem Niveau verharrende Erwerbsquote ist ein Indiz für eine anhaltende Arbeitsmarktschwäche.

Angesichts eines von den Märkten akzeptierten Inflationsszenarios und einer nach wie vor enttäuschenden Beschäftigungslage gibt es für die Fed wenig Grund, ihre geldpolitische Ausrichtung zu ändern.

Jerome Powell könnte jedoch seine Kommunikation anpassen. Noch kürzlich äußerte er, er denke „nicht einmal darüber nach, über ein Tapering nachzudenken“ (d.h. über eine Verlangsamung der Wertpapier-Käufe). Mit einem anziehenden Wirtschaftswachstum, das Hoffnungen auf eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage im Jahr 2022 weckt, und ohne den Druck des Marktes, auf die steigende Inflation zu reagieren, hat sich das Umfeld jedoch geändert. Die Fed könnte kommunizieren, dass sie begonnen hat, über eine künftige Anpassung ihres Kaufprogramms zu diskutieren. Für die dieswöchige Sitzung sind zwar keine Ankündigungen zu erwarten, dies könnte aber später im Jahr erfolgen, mit einer effektiven Umsetzung Anfang 2022.

Die Juni-Sitzung der Fed sollte somit keine Auswirkungen auf die Märkte haben, die seit Monaten auf die Ankündigung eines Tapering-Signals vorbereitet sind. Eine entsprechende Aussage würde nicht überraschen; dieses Tapering wird wahrscheinlich das am stärksten erwartete in der Geschichte sein.

Kommentar von Franck Dixmier, AGI

Franck Dixmier — Foto: © Allianz Global Investors

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter