Textilhandel im Umbruch

Der überraschende Managementwechsel bei dem größten schwedischen Textilanbieter und die dort eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen lassen aufhorchen. Zeigen sie doch, dass sich der Textilhandel weiterhin im Umbruch befindet. Während die Corona-Pandemie temporär vor allem die reinen Online-Anbieter wesentlich gestärkt hatte, gewinnen nun im Zuge der überhöhten Inflation preisaggressive Konzepte an Bedeutung.
4. April 2024

Der überraschende Managementwechsel bei dem größten schwedischen Textilanbieter und die dort eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen lassen aufhorchen. Zeigen sie doch, dass sich der Textilhandel weiterhin im Umbruch befindet. Während die Corona-Pandemie temporär vor allem die reinen Online-Anbieter wesentlich gestärkt hatte, gewinnen nun im Zuge der überhöhten Inflation preisaggressive Konzepte an Bedeutung.

Zweifelsohne stehen angesichts der Kaufkraftverluste beim Konsumenten die Ausgaben für Mode aktuell nicht an erster Stelle. Nur „Fast-Fashion“-Händler mit einer überzeugenden Produkt und „Omni-Channel“-Strategie können in dem äußerst wettbewerbsintensiven Markt noch bestehen. Die Zahl der Mode-Unternehmen, die allein hierzulande von einem Insolvenz-Verfahren betroffen sind bzw. waren, ist lang und reicht von Hallhuber und Gerry Weber über Wormland bis hin zu Peek & Cloppenburg.

Konkurrenz aus China

Zusätzlich droht den angestammten Marktakteuren mit Shein und Temu zunehmende Billig-Konkurrenz aus Fernost. Der Online-Marktplatz Temu, hinter dem das chinesische Internetunternehmen Pinduoduo steht, findet sich in den Ranglisten deutscher Online-Marktplätze bereits auf Platz 4, und damit vor Zalando! Sowohl Temu als auch Shein treten nur als Vermittler auf. Deren Bekleidung wird direkt aus den asiatischen Fabriken nach Nordamerika oder Europa verschickt. Kosten für Einkäufer, Zwischenhändler und Zwischenlager entfallen. Die Shopping-Apps bieten zudem mit Hilfe von Gutschein-/Rabatt-Lotterien ein ganz neues Shopping-Erlebnis. Die Nutzung von Influencern, unter anderem bei TikTok, erhöht zugleich die Beliebtheit bei der jüngeren Kundschaft. Mögliche Abstriche in Sachen Qualität werden angesichts der unschlagbaren Preise wohl häufig akzeptiert, anders ist das rasante Wachstum beider Plattformen nicht zu erklären. Allenfalls ethische Aspekte können die Expansion beider App-Betreiber gefährden. So wurden die Datenaustauschpraktiken der Konzerne bereits mehrfach untersucht. In den USA hat der Kongress ferner die Börsenaufsicht zuletzt aufgefordert, den geplanten Börsengang von Shein aufzuschieben, bis geklärt sei, ob das Unternehmen in seiner Lieferkette keine Zwangsarbeiter einsetzt. Um das Image aufzupolieren, ist Shein deswegen bemüht, sein Markenportfolio über Partnerschaften oder Zukäufe auszubauen. Als Beispiel lässt sich hier die jüngste Kooperation mit Forever 21 in den USA oder der Kauf von Missguided in Großbritannien nennen.

Filialschließungen vs. Expansion

Eines dürfte vor diesem Hintergrund jedem klar sein: Das potenzielle Marktvolumen für die stationären Mode-Filialisten wird in den nächsten Jahren sicherlich nicht größer werden. Besonders die Umsatzproduktivität von Großflächen könnte darunter weiter leiden. Entsprechend erscheint es nicht verwunderlich, dass gleich mehrere Modeketten derzeit eine Portfoliobereinigung vornehmen und zahlreiche Filialen schließen beziehungsweise verkleinern. Ob der spanische Hauptkonkurrent Inditex mit seinen Formaten Zara, Bershka, Stradivarius, Pull&Bear und Massimo Dutti davon zu profitieren vermag, bleibt abzuwarten. Die Spanier hatten aber schon die Corona-Pandemie genutzt, weniger produktive Verkaufsflächen abzustoßen. In der Folge kann sich Inditex im Gegensatz zu seinem schwedischen Mitbewerber bereits im Geschäftsjahr 2024/25 wieder deutlich stärker auf die Expansion konzentrieren. Ein Schwerpunkt dürfte in dem Ausbau des nordamerikanischen Filialnetzes liegen. Auf dem Vormarsch sind hier außerdem die sogenannten „Off-Price“-Textilanbieter. So treiben beispielsweise die „Off-Price“-Filialisten Marshalls, TJ Maxx und TK Maxx, die alle zum börsennotierten US-Konzern TJX Companies gehören, ihre Expansion ungebremst voran. In Zeiten hoher Inflation lockt TJX die Kunden vor allem mittels umfangreicher Rabatte auf Produkte von Designer-Labels und Markenherstellern. Die Markenhersteller wiederum nutzen diese „Off-Price“-Plattformen, um unverkaufte Warenüberhänge im Markt abzusetzen. TJX kann dabei weltweit auf seine erfahrenen Sourcing-Manager vertrauen, die stetig versuchen, überschüssige Restposten aufzuspüren.

Lieferketten, Frachtkosten & Währungsexposure

Der Einkaufsorganisation kommt aber auch im Hinblick auf die immer häufigeren Störungen der Lieferketten eine zunehmende Bedeutung zu. Immer noch stauen sich die Frachtschiffe auf beiden Seiten des Panama-Kanals. Aufgrund des Niedrigwasserstands wird dort seit Monaten der Schiffsverkehr eingeschränkt. Zahlreiche Transporte, die eigentlich an der US-Ostküste ankommen sollten, werden jetzt an die Westküste (Long Beach/LA) umgebucht. Europäische Handelsunternehmen beobachten wiederum die weitere Entwicklung am Suez-Kanal ganz genau. Im Moment haben die Angriffe auf die Containerschiffe im Roten Meer noch keinen nennenswerten Einfluss auf die Warenbeschaffung. Die meisten Reedereien leiten allerdings nach dem Beschuss durch die Huthi-Rebellen ihre Schiffe nun über das Kap der Guten Hoffnung um. Dadurch erhöht sich die Fahrtzeit um circa sieben bis zehn Tage. Wegen der längeren Transportwege kann man eine Verschlechterung der Situation für die kommenden Monate trotzdem nicht völlig ausschließen. Gerade wenn die Containerverfügbarkeit sinken sollte, muss zeitverzögert mit negativen Auswirkungen gerechnet werden.

Aufgrund des Geschäftsmodells könnte TJX in diesem Fall sogar von den Warenflussproblemen anderer Händler profitieren, indem man verspätete Warenmengen zu günstigen Konditionen aufkauft. Ferner entfallen beim US-Konzern lediglich rund 25 % der Frachtkosten auf die Schiffsfracht. Solange die Frachtraten nicht wieder die Niveaus der Corona-Krise erreichen, sollte sich der Margendruck seitens der Logistikkosten weitgehend in Grenzen halten, zumal es zuletzt weitere Entlastungen bei den Landfrachtraten gab. Zur Erinnerung: Während des Corona-Lieferketten-Chaos erreichten die Seefrachtraten in der Spitze bis zu 14.000 US-Dollar je 40-Fuß-Container (FFE). Inzwischen haben sich dieFrachtraten auf der Asien-Europa-Route erneut vom Zwischentief fast vervierfacht, liegen mit rund 4.500 US-Dollar/FFE aber noch deutlich unter dem letzten Krisenniveau. Bei den Asien-Nordamerika-Routen fand bisher ohnehin „nur“ eine Verdopplung statt.

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