Die Aussichten für den Immobilienmarkt bleiben düster. Doch eine Investorengruppe könnte von der Krise profitieren, wie Oliver Platt, Head of Transaction, Closing & Finance bei Arcida Advisors, im Gespräch mit INTELLIGENT INVESTORS sagt.
INTELLIGENT INVESTORS: Das Zinsplateau scheint erreicht. Ist damit auch das Finanzierungsproblem an den Immobilienmärkten, speziell für Projektentwicklungen, passé?
Oliver Platt: Leider nicht. Im Gegenteil. Die Krise wird sich weiter verschärfen, die jüngsten Insolvenzen sind noch nicht das Ende. Denn die gestiegenen Zinsen schlagen mit Verzögerung voll auf die Immobilienwirtschaft durch. Zinsgünstige Darlehen laufen jetzt aus und müssen refinanziert werden. Doch die Zinsen haben sich innerhalb von anderthalb Jahren zum Teil mehr als verdreifacht. Selbst wenn sie zuletzt wieder ein wenig gesunken sind – ein signifikanter Rückgang des Zinsniveaus ist derzeit nicht Sicht. Solange das Inflationsziel bei 2 % verbleibt, wird es für die EZB schwer, Zinssenkungen zu rechtfertigen. Gleichzeitig sind mit den Zinsen die Bewertungen unter Druck geraten, was sich erst langsam in den Bewertungsgutachten niederschlägt. Die Finanzierer stehen somit vor der Aufgabe, sich der notleidenden Kredite zu entledigen. Im Zusammenhang mit dem nach der Finanzkrise auf europäischer Ebene etablierten aufsichtsrechtlichen Risikovorsorge-Backstop für notleidende Kredite müssen diese perspektivisch mit hartem Kernkapital besichert werden.
II: Wir haben deutlich erhöhte Risikovorsorge bei größeren Immobilien-Senior-Lendern gesehen. Trotzdem erwarten Sie in den kommenden Quartalen signifikante Engpässe in diesem Bereich?
Platt: Wir erwarten auf dem Markt für immobilienbesicherte Darlehensforderungen in den kommenden Monaten eine deutliche Zunahme von Leistungsstörungen, Wertberichtigungen und Ausfällen. Bei der dann anstehenden Neubewertung werden auch erstrangig besicherte Kredite in Schwierigkeiten kommen. Einige Zahlen dazu: Bei Bestandsimmobilien rechnen wir durchschnittlich mit einer Abwertung von bis zu 40 %. Bei Projektentwicklungen dürfte das Minus je nach Status zwischen 60 und 70 % liegen.
II: Was sind die Hauptursachen für die von Ihnen erwarteten Leistungsstörungen in der Immobilienfinanzierung?
Platt: An erster Stelle stehen die stark gestiegenen Zinsen. Auch ist der Markt zurzeit nicht nur von einer Krise getroffen, sondern gleich von mehreren. Und diese verstärken sich gegenseitig. Beispielsweise im Bereich Corporate Real Estate. Zum einen geraten Ladenflächen zunehmend unter Druck, da immer mehr Menschen online einkaufen. Zum anderen nimmt auch die Nachfrage nach Büroflächen stetig ab. Denn immer mehr Unternehmen ermöglichen es ihren Mitarbeitern, im Homeoffice oder anderswo remote zu arbeiten. Aber auch die immer größer werdende Bedeutung von ESG (Environment, Social, Governance) hat Folgen für die Immobilienbranche. Finanzierer werden künftig immer mehr auf nachhaltige Objekte setzen. Für Eigentümer steigt dadurch die Notwendigkeit, in Modernisierungen zu investieren. Vielen dürfte dafür schlichtweg das Geld fehlen.
II: Wird das nur Mezzanine-Geber bzw. Junior-Lender treffen, oder auch für die Senior-Lender zum Problem? Wenn ja, wann und warum?
Platt: Die erstgenannten sind vielfach bereits in großen Schwierigkeiten. Manchen dürfte der Totalverlust ihrer Engagements drohen. Die Senior-Lender haben derzeit noch etwas Luft, da sie meist eine niedrige Debt-to-NPL-Ratio und hohe Kapitalpuffer anführen können. Doch beides wird letztlich keinen wirklichen Schutz vor den erheblichen Abwertungen bei Immobilien bieten. Hinzu kommt, dass in Darlehensverträgen vereinbarte Finanzkennzahlen bereits gebrochen wurden, die sogenannten Covenant Breaches. Aufgrund der hohen Abwertungen in den Kreditportfolios wird es zu weiteren Covenant Breaches kommen. Eine Folge: Die Bereitschaft zu signifikanten ‚Haircuts‘ wird auch bei den Senior-Lendern steigen.
II: Welche Lösungsmuster gibt es für diese Lage aus Sicht der betroffenen Finanzierer?
Platt: Wer frisches Geld benötigt, wird momentan auf endfällige Payment-in-Kind-Strukturen (PIK) zurückgreifen müssen, da Banken das Nachschießen von frischem Kapital oft scheuen. Viele Immobilienprojekte können meist noch keinen Geldfluss vorweisen, mit denen der Kredit bedient und getilgt werden kann. Bei PIK-Strukturen müssen nach Auszahlung des Kredits bis zur Endfälligkeit oder der Refinanzierung keine Zahlungen geleistet werden.
II: Welche Rolle können dabei (institutionelle) Investoren spielen? Ergeben sich daraus Anlagechancen?
Platt: Jetzt schlägt die Stunde der opportunistischen Investoren. Sie kommen bislang noch vornehmlich aus dem Ausland und setzen auf die sogenannten Super-Senior-Finanzierungen.
II: Worauf ist dabei im Speziellen zu achten? Wer übernimmt beispielsweise die Risiken bei laufenden Projektentwicklungen?
Platt: Die Kapitalgeber sichern sich noch vor den Senior-Lendern im Fall der Verwertung einer Immobilie den ersten Zugriff auf die Erlöse der Sicherheiten. Auch die Mezzanine- und andere nachrangige Geldgeber werden dann wohl leer ausgehen. Problematisch wird es aber auch, wenn es zu einem Baustillstand kommt. Denn das führt in der Regel zu Kostensteigerungen zwischen 30 und 50 %. Wird der Bau fortgeführt, wird meist ein neuer Generalunternehmer engagiert. Und übernimmt er die Garantien und Risiken, wird er sich das entsprechend bezahlen lassen.
II: Stehen ausländische Investoren wieder mit frischem Kapitel bereit, während deutsche Institutionelle abwarten?
Platt: Wir sehen ein großes Interesse vor allem bei Private-Equity-Fonds und Hedgefonds aus angelsächsischen Ländern. Wir rechnen damit, dass sie neben den Super-Senior Finanzierungen auch auf den Erwerb leistungsgestörter Kredite, die sogenannten Non-Performing-Loans (NPL) setzen werden. Die Erfahrung zeigt: Diese Geldgeber setzen auf einen fairen Umgang mit den Schuldnern. Bei Restrukturierungen oder Workouts hat sich das Handeln im Konsens bewährt. Dennoch werden die bisherigen Kreditgeber Verluste realisieren müssen. Hier liegt aber auch eine gewisse Chance. Denn in den Büchern der Finanzierer sollten wieder realistische Marktpreise Einzug halten. Aus unserer Sicht ist diese Entwicklung zwar schmerzhaft, aber sie dient der notwendigen Bereinigung des Marktes.