Geopolitische Risiken im Blick

Tobams Co-CIO Axel Cabrol sieht angesichts des Gewaltausbruchs in Israel die Marktreaktion zu den ökonomischen und politischen Konsequenzen sehr im Widerspruch. Die Ölpreise haben sich bislang kaum bewegt, obwohl der Konflikt schnell eskalieren könnte. Ähnlich der iranischen Revolution in den 70er Jahren als Auslöser, droht jetzt eine zweite Welle des Energiepreisschocks von 2022.
19. Oktober 2023
Axel Cabrol - Foto: © Tobam

Tobams Co-CIO Axel Cabrol sieht angesichts des Gewaltausbruchs in Israel die Marktreaktion zu den ökonomischen und politischen Konsequenzen sehr im Widerspruch. Die Ölpreise haben sich bislang kaum bewegt, obwohl der Konflikt schnell eskalieren könnte. Ähnlich der iranischen Revolution in den 70er Jahren als Auslöser, droht jetzt eine zweite Welle des Energiepreisschocks von 2022.

Wenn Sie wissen möchten, wie die heutige geopolitische Landschaft unsere Welt in den kommenden zehn Jahren beeinflussen wird, fragen Sie lieber nicht Ihre Banker. Die höchste vierteljährliche Rendite seit der Großen Depression erzielte der S&P500 mit +86,5 Prozent im zweiten Quartal 1933. Man konzentrierte sich nach Überwindung der Weltwirtschaftskrise auf neue Chancen, während sich zur gleichen Zeit in Europa eine Dekade größten Unheils anbahnte. Märkte, die sich auf kurzfristige Preisfindung konzentrieren, übersehen oft langfristige politische Risiken und den daraus folgenden Wohlstandsverlust.

Akademiker und Forscher, die die Demokratieentwicklung verfolgen, sehen die positiven Trends seit dem Fall der Berliner Mauer gebrochen. Nach 1989 breitete sich der demokratische Freiheitsgedanke in der ganzen Welt aus, begünstigt durch einen allmächtigen Westen. Anfang 2000 begann die Demokratie jedoch an Boden zu verlieren. Und der Vormarsch der Autokratien scheint sich zu beschleunigen.

Diese Entwicklung ist nur schwer in einer Portfoliokonstruktion abzubilden, weil die willkürlichen Entscheidungen von autokratischen Regierungen in den meisten Fällen wirtschaftlich irrational sind und das Timing kaum zu erfassen ist. Langfristig zahlen sich Investments in diese Länder nachweislich jedoch nicht aus.

Demokratieverlust in Zahlen

Nehmen wir China, das Aushängeschild für die Erfolgsgeschichte der Schwellenländer; ein Wirtschaftswunder in der Geschichte der Menschheit, das Millionen von Menschen aus der Armut befreit und in nur wenigen Jahrzehnten den Status einer zweiten Weltwirtschaftsmacht erreicht hat. Trotzdem konnten Anleger damit kaum Geld verdienen: In den letzten 30 Jahren erzielte der MSCI China Index eine magere jährliche Rendite von knapp 1 Prozent (gegenüber fast 10 Prozent für den S&P 500). Und warum? Ganz einfach, weil sich autokratische Regierungen der Achtung von Eigentumsrechten oder der Rechtsstaatlichkeit nicht verpflichtet fühlen.

Auch mit Investments in europäische Konzerne besteht für Anleger das Risiko, sich den Nachteilen autokratischer Regimes auszusetzen. Als Volkswagen letztes Jahr plante, weitere 4 Milliarden (US$) in China zu investieren, gab es keine eindeutige Garantie, dass die Kommunistische Partei Chinas eine faire Vergütung für diese Investitionen zulassen würde. Zu solchen indirekten Risiken für Anleger zählen auch der schwache Rechtsschutz von geistigem Eigentum, protektionistische Subventionen zur Förderung des inländischen Wettbewerbs oder auch versteckte Enteignungen wie bei der Investition von Renault-Nissan in den russischen Automobilhersteller AvtoVAZ aus dem Jahr 2012 zu beobachten. Zehn Jahre später musste dieser Anteil für 1 Rubel verkauft werden.

Indirekte Risiken entscheidend

Es ist für den Portfolioerfolg daher entscheidend, sowohl sein direktes als auch indirektes Engagement in Autokratien zu kennen. Bei TOBAM beziffern wir beides mit einem eigenen Indikator, um ein solches Risiko minimieren zu können. Die Minimierung des Engagements in Autokratien beeinträchtigt nach unseren Analysen nicht die Fähigkeit eines Portfolios, andere Risikoprämien zu erzielen. Langfristig orientierte Anleger sind gut beraten, sich mit den Gefahren von Investitionen in autoritäre Länder ebenso offen und direkt auseinandersetzen wie mit der ökologischen Nachhaltigkeit.

Die Märkte werden in den kommenden Wochen in gewohnter Weise auf den Verlauf des neu aufgeflammten Nahost-Konflikts und seine Auswirkung auf Rohstoffpreise und Inflationsraten schauen. Derzeit überwiegt der Optimismus. Das strategische Risiko besteht jedoch in einem weiteren Bedeutungsverlust der wohlstandsgeprägten, westlichen Demokratien, der mit einer Zunahme offen ausgetragener Konflikte einher geht. Die Friedensdividende der 90er Jahre scheint zumindest aufgezehrt. Dabei geht es längst nicht mehr nur um den Erhalt von Kapital sondern auch um die Wahrung demokratischer Werte. Wir alle sollten mehr von unseren Bankern verlangen.

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter