Chancen und Risiken für den europäischen Kontinent

Unsere Aussichten für die europäischen Volkswirtschaften und Märkte in den kommenden Monaten hängen un- mittelbar von der Geldpolitik der EZB ab. Die Entscheidungen der Zentralbank sind wiederum mit einer Reihe von kausal miteinander verknüpften Faktoren verbunden: Inflation, Energiepreise und der Krieg in der Ukraine.
12. Januar 2023
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Unsere Aussichten für die europäischen Volkswirtschaften und Märkte in den kommenden Monaten hängen un- mittelbar von der Geldpolitik der EZB ab. Die Entscheidungen der Zentralbank sind wiederum mit einer Reihe von kausal miteinander verknüpften Faktoren verbunden: Inflation, Energiepreise und der Krieg in der Ukraine.

Der Fonds- und Investmentmanager, der 2014 unter anderem von Dr. Patrick Adenauer und Dr. Gisbert Beckers gegründet wurde, legt seinen Schwerpunkt auf den US-amerikanischen Wohnungsmarkt, und zwar auf Mietobjekte wie Multifamily-Wohnanlagen oder Single-Family-Homes for Rent. Er konzentriert sich dabei auf die wachstumsstarke Sunbelt-Region im Südosten. Dazu gehören Staaten wie Texas, Georgia, South Carolina oder auch Florida. Die Städte Dallas, Austin und Atlanta zählen heute zu den boomenden Metropolen in den USA. Was spricht für einen solchen Fokus?

Die EU ist bei Lebensmitteln autark, aber nicht bei Energie. Die Energiekrise ist also in erster Linie ein europäisches Problem. Die Abhängigkeit von Gas ist hier am größten. Im Gegensatz zu den USA ist Europa ein großer Nettoimporteur von Energie. Deutschland ist das Land, das am meisten von externen Energie-Quellen abhängig ist. Um die Krise kurzfristig zu bekämpfen, wurden in mehreren Ländern umfangreiche Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten angekündigt – oft in Form von Energiepreisobergrenzen. Längerfristig arbeitet Europa daran, seine Energieerzeugung durch alternative Quellen zu ersetzen: Erneuerbare Energien machen im Durchschnitt etwa 20 % aus und werden mit der Zeit an Bedeutung gewinnen. Der Anteil der Kernenergie beträgt insgesamt etwa 10 % (wobei Frankreich mit 40 % Kernenergie die Ausnahme ist). Andere fossile Brennstoffe werden in nächster Zeit ebenfalls vermehrt eingesetzt und machen etwa 10 % aus. Die Nettoeinfuhren von Elektrizität aus anderen Energieträgern liegen bei etwa 25 %. Diese Entwicklung ist positiv und wird bis 2023 noch weiter zunehmen.

Allerdings gibt es derzeit zwei Risiken für Europa: Ein extrem kalter Winter und der Rückgang der Gasvorräte. Beides würde wieder zu steigenden Erdgas- und Strompreisen führen. Die europäische Wirtschaft befindet sich bereits in einer Rezession. Entscheidend ist nun, welche Regierungsmaßnahmen am geeignetsten sind, die Auswirkungen der Energiekrise zu mildern. Weitere Schocks sind nicht nur schädlich für das Wirtschaftswachstum, sondern werden auch den Kampf der EZB gegen die Inflation erschweren.

Damit kommen wir zum eigentlichen Thema, nämlich der anhaltenden Inflation, die durch die Energiekrise, aber auch durch andere Faktoren wie die Unterbrechung der Lieferketten verursacht wird. Die Herausforderung für die EZB besteht darin, die Geldpolitik gerade so stark zu straffen, dass die Inflation sinkt, ohne eine Schuldenkrise in den Peripherieländern auszulösen. Je mehr die Renditen der südlichen Länder der EU steigen, desto größer ist das Risiko einer Krise und einer Aufspaltung der Eurozone.

Die Zentralbank ist sich dieses Dilemmas sehr bewusst. Deshalb hat sie zwar vor kurzem die Zinsen um 75 Basispunkte erhöht und den Einlagensatz auf 1,5 % angehoben, die Märkte aber auch überrascht: Die EZB hat sich nicht auf eine Zinserhöhung nach Dezember festgelegt, sondern erklärt, dass diese von den Daten abhängig sein wird. Die EZB will also abwarten, wie sich die Inflation entwickelt.

Die Zinssätze werden wahrscheinlich steigen und die Einlagensätze bis Ende des Jahres bei 2 % sein. Im Jahr 2023 wird die EZB je nach Inflationsdaten die Zinsen entweder bei 2 % belassen oder anheben. Auf jeden Fall gibt es keine Hinweise auf mögliche Zinssenkungen in den kommenden Monaten.

Auch wenn die Zinsen in Europa steigen könnten, werden sie sich wahrscheinlich nicht so stark bewegen wie in den USA und in Großbritannien. Ungeordnete Zinsbewegungen sind besorgniserregend, da die Geschwindigkeit zu sich selbst verstärkenden Ausverkäufen führt, die auf andere Märkte überspringen könnten. Die EZB hat gezeigt, dass sie keine starken Schwankungen möchte: Instrumente wie das neue TPI (Transmission Protection Instrument) oder das PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) ermöglichen der Zentralbank zu intervenieren, wenn sie die Anleihenmärkte in Gefahr sieht.

Was die Peripherieländer betrifft, so liegen die Spreads derzeit auf einem Niveau, mit dem die EZB zufrieden scheint. Ein Bereich, der Anlass zur Sorge gibt, ist die italienische Schuldenquote, die knapp über 150 % liegt. Je mehr die Renditen steigen, desto größer wird die Zinslast und die Belastung des Wachstums, was wiederum Fragen zur Tragfähigkeit der Schulden aufwirft. Die Anleger vertrauen vorerst auf die Notfallmaßnahmen der EZB und auf eine vernünftige Finanzpolitik der neuen italienischen Regierung.

Ein weiterer Bereich, der die Märkte beunruhigt, liegt direkt außerhalb der EU. Der Rückgang der Renditen für UK-Staatsanleihen im vergangenen Monat hat nach einigen Schätzungen die Höhe des Haushaltslochs verringert, das die Regierung füllen muss, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nachzuweisen. Die Zinserwartungen bleiben jedoch trotz des jüngsten Rückgangs hoch. Daher besteht die Gefahr, dass der Markt dem Vereinigten Königreich eine straffere Finanzpolitik und einen insgesamt strengeren politischen Kurs auferlegt, als es die inländische Wirtschaftslage rechtfertigt. Das Vereinigte Königreich befindet sich bereits in einer Rezession, und die Zinssätze müssen wahrscheinlich auf etwa 5 % steigen, um die Inflation wieder auf das Zielniveau zu bringen.

Nach derzeitigem Stand sollen die staatlichen Ausgaben in Großbritannien um bis zu 50 Mrd. Pfund bis 2026/27 (1,7 % des BIP) reduziert werden. Das ist fast so viel wie im Jahr 2010. Damals betrugen die Einsparungen 2,0 % des BIP. Möglicherweise wird es aber eher auf Steuererhöhungen als auf Ausgabenkürzungen hinauslaufen. Es besteht ein Risiko, dass die Schätzungen der erforderlichen Sparmaßnahmen nach oben korrigiert werden müssen.

Die Stärke des US-Dollars ist ein weiterer Faktor, der nicht Europa, sondern das globale Wirtschaftswachstum insgesamt beeinträchtigen kann. Wenn der Dollar weiter aufwertet, während wir uns in Europa mitten in einem sehr aggressiven Straffungszyklus befinden, könnte dies zu einer Krise führen: entweder in den Schwellenländern, die in US-Dollar hoch verschuldet sind, oder in Ländern, die einen hohen Verschuldungsgrad aufweisen. Dort könnte es ein Szenario vergleichbar mit dem in Großbritannien geben. Es ist im Moment schwer abzusehen, wo dies der Fall sein wird. Es kann sich jedoch schnell auf die EU auswirken.

Was bedeutet dies für deutsche und europäische Anleger? Wir glauben, dass diese Faktoren erhebliche Auswirkungen auf die Renditen, die Volatilität und die Korrelation zwischen den Anlageklassen hat. Um sich in einem solchen Marktumfeld zu orientieren, bedarf es keiner Vorhersage des nächsten Marktschocks. Es bedarf vielmehr einer umfassenderen Analyse, wie sich die Welt verändert. Thematische Aktien können langfristig zum Wachstum beitragen, indem sie uns helfen, strukturelle Trends jenseits kurzfristiger Volatilität zu erkennen.

Die Marktvolatilität wird voraussichtlich hoch bleiben, so dass eine Diversifizierung nach Anlageklassen, Regionen und Währungen von entscheidender Bedeutung ist. Die Portfolios sollten, wo immer möglich, einen Inflationsschutz bieten. Gut gemanagte, qualitativ hochwertigere Aktien sind eine Option, die einen Inflationsschutz in Form von Dividenden bieten. Auch kann eine disziplinierte “Buy-and-Hold”-Strategie von Qualitätsaktien Anlegern helfen, durch das derzeit schwierige Umfeld zu navigieren.

Festverzinsliche Wertpapiere bleiben ein Kernbestandteil der Anlegerportfolios. Die Kurse von EU-Anleihen sind so stark gesunken, dass es an der Zeit ist, in europäische Anleihen zu investieren – insbesondere in den Investment-Grade-Sektor.

Aber es ist auch ein guter Zeitpunkt, um spezialisierte Strategien für festverzinsliche Wertpapiere in Betracht zu ziehen, die es den Anlegern ermöglichen, die Risikoprämien in ineffizienten Segmenten des globalen Anleihemarktes zu nutzen: US-Kommunalanleihen beispielsweise bieten in einem liquiden Markt mit der gleichen Bonität wie US-Treasuries höhere Renditen. Interessant sind auch kurzfristige Hochzinsanleihen, die es den Anlegern ermöglichen, die Cashflows der Unternehmen und ihre Fähigkeit, die Schulden zu bedienen, zu verstehen. Oder europäische Impact Bonds. Das ist ein qualitativ hoch- wertiger Markt mit ausstehenden Emissionen in Höhe von 1 Bio. Euro. Impact Bonds können die gleichen Renditen wie der traditionelle IG-Unternehmensmarkt bieten und gleichzeitig einen positiven Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt haben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Anleger in einem Umfeld von höheren Zinssätzen, höherer Inflation und geopolitischen Spannungen ihre Portfolios wetterfest machen müssen. Es kann sowohl Gewinner als auch Verlierer geben. Vermögensverwalter müssen eng mit ihren Anlegern zusammenarbeiten, damit diese künftig auf der Gewinnerseite stehen werden.

 

Autor: Thilo Wolf
Deutschland-Chef
BNY Mellon Investment Management

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