Berliner Paradoxon: Das unmögliche Szenario am Büromarkt?

Mehrheitlich wird für die Zukunft des Berliner Büroimmobilienmarktes über einen Zeitraum von zwei Jahren ein deutlich steigender Leerstand erwartet: Die Entwicklungspipeline ist nach wie vor gut gefüllt, während der Vermietungsumsatz perspektivisch sinkt. Zugleich erwartet die Branche aber das eigentlich Unmögliche: Sowohl die Durchschnittsmieten als auch die Spitzenmieten sollen dennoch steigen. Hat es das jemals gegeben? Dass der Leerstand keine Auswirkung auf die Miethöhe hat? Meiner Meinung nach ist dieses vermeintliche Paradoxon zwar nicht unbedingt dauerhaft, aber zumindest für die nahe Zukunft durchaus plausibel.
23. September 2022
Thomas Ostermann - Foto: © CELLS Group

Mehrheitlich wird für die Zukunft des Berliner Büroimmobilienmarktes über einen Zeitraum von zwei Jahren ein deutlich steigender Leerstand erwartet: Die Entwicklungspipeline ist nach wie vor gut gefüllt, während der Vermietungsumsatz perspektivisch sinkt. Zugleich erwartet die Branche aber das eigentlich Unmögliche: Sowohl die Durchschnittsmieten als auch die Spitzenmieten sollen dennoch steigen. Hat es das jemals gegeben? Dass der Leerstand keine Auswirkung auf die Miethöhe hat? Meiner Meinung nach ist dieses vermeintliche Paradoxon zwar nicht unbedingt dauerhaft, aber zumindest für die nahe Zukunft durchaus plausibel.

Dabei müssen wir über die steigenden Leerstände nicht lange diskutieren: Die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit sorgt dafür, dass vielerorts die Anmietungsentscheidungen verschoben werden, und wenn doch gemietet wird, fallen die neuen Flächen kleiner aus, Stichwort mobile Office und Doppelbelegung von Arbeitsplätzen. Bemerkenswert ist allenfalls, dass die Nachfrage auch vermieterseitig gedrosselt wird. Denn man lehnt mittlerweile alle nicht-etablierten Unternehmen wie beispielsweise Start-ups, die auf Wagniskapital angewiesen sind, als Mieter kategorisch ab. Diese Tatsache, dass Vermieter bei ihren potenziellen Büronutzern stärker aussieben, ist ein erster Indikator dafür, dass der steigende Leerstand noch längst nicht als kritisch gewertet wird — und eben keinen negativen Effekt auf die Mietpreise hat.

Weitere Gründe für das vermeintliche Paradoxon liegen in den Neu‑, Aus- und Umbaukosten: Sie steigen aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung, aber auch, weil alle Unternehmen heute ihren Mitarbeitern nicht mehr mit irgendwelchen beliebigen Büros kommen können. Es muss sich um Büros handeln, die zum Sehnsuchtsort der Mitarbeiter werden können, zum Lieblingsziel, zu einem Destination-Office im Wettbewerb mit den übrigen möglichen Arbeitsorten. Die Realisierung der entsprechenden Qualitäten treibt die Baukosten zusätzlich, und Entwickler und Vermieter preisen dies natürlich ein, wenn es um die Miethöhe geht.

Nicht zu vergessen sind außerdem die Finanzierungskosten. Dabei meine ich noch gar nicht den Effekt der Leitzinsanhebung, sondern die bereits längst erfolgte Margenerhöhung bei den Banken: Weil sich eine große Anzahl von Immobilienakteuren mit Blick auf die steigenden Zinsen schnell noch eindecken wollte, sind Projektfinanzierungen heute dreimal so teuer wie noch vor fünf Monaten. Der Großteil der Vermieter wird in der Folge kompromissloser in die Vertragsverhandlungen mit potenziellen Nutzern gehen müssen als früher, um rentabel zu bleiben. Dadurch wird die Mietpreisschraube auch in Zeiten steigenden Leerstands eher angezogen statt gelöst.

Wie eingangs angedeutet, halte ich diese Entwicklung nicht zwangsläufig für ein dauerhaftes Phänomen: Der Leerstand könnte drastischer steigen als erwartet und über den Punkt hinausgehen, an dem die Vermieter nervös werden und wieder mehr Zugeständnisse machen. Auf der anderen Seite ist aber auch eine Plateaubildung beim Leerstand denkbar, bevor der besagte Punkt erreicht ist. In diesem Fall werden die Berliner Vermieter weiterhin von hohen oder sogar steigenden Büromieten profitieren.

Gastkommentar von Thomas Ostermann, Managing Director bei der CELLS Group

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