Anlagechance im Norden Europas

Nordische Unternehmensanleihen bilden eine einzigartige Anlageklasse mit kürzeren Durationen und höheren Renditen als vergleichbare europäische Emittenten. Skandinavien profitiert in der Gaskrise von einem breiten Energiemix aus eigenen Quellen. Der hohe Anteil variabler Zinscoupons schützt Anleger vor den Folgen der geldpolitischen Straffung. Nach dem Ausverkauf am Anleihemarkt bietet sich eine zweite Chance, zu ähnlich niedrigen Kursen zu kaufen wie im Frühjahr 2020 zu Beginn der Pandemie.
22. September 2022

Nordische Unternehmensanleihen bilden eine einzigartige Anlageklasse mit kürzeren Durationen und höheren Renditen als vergleichbare europäische Emittenten. Skandinavien profitiert in der Gaskrise von einem breiten Energiemix aus eigenen Quellen. Der hohe Anteil variabler Zinscoupons schützt Anleger vor den Folgen der geldpolitischen Straffung. Nach dem Ausverkauf am Anleihemarkt bietet sich eine zweite Chance, zu ähnlich niedrigen Kursen zu kaufen wie im Frühjahr 2020 zu Beginn der Pandemie.

Hochzinsanleihen gelten als geeigneter Schutz gegen steigende Inflation. Die unsichere Energieversorgung der Industrie macht Europa jedoch derzeit anfällig für einen Wachstumseinbruch, nachdem die Corona-Krise gerade überwunden schien. Inmitten einer Phase steigender Zinsen müssen sich europäische Anleger also zeitgleich auf eine mögliche Rezession einstellen. Skandinavische Anleihemärkte bieten zwei entscheidende Vorteile.

Unabhängig von russischem Gas

Ihre Volkswirtschaften sind weniger abhängig von Erdgas als einige europäische Kernländer, da sie über eigene Energiequellen für die verarbeitende Industrie verfügen. Daher liegt die durchschnittliche Wachstumserwartung für Skandinavien für das laufende Jahr zwischen 2 und 3 %. Hinzu kommt ein Diversifikationseffekt in einem breiteren Anleihe-Portfolio aus dem Währungskorb, der sich aus Euro, norwegischen, schwedischen und dänischen Kronen zusammensetzt. Es gibt zwar keine offizielle Synchronisation der Nicht-Euro Länder mit den EZB-Zinssätzen. Jedoch steht man im Norden Europas vor den gleichen Inflationsherausforderungen wie die Eurozone, so dass ähnliche Zinserhöhungen von circa zwei Prozentpunkten für alle nordischen Währungen erwartet werden. Die Nicht-Euro-Märkte werden durch die Tatsache gestützt, dass sie hauptsächlich aus variabel verzinslichen Anleihen bestehen. Steigende Zinssätze können ihnen wenig anhaben und sie fügen dem Portfolio nur sehr wenig Duration hinzu.

Aus Anlegerperspektive stellt sich vor allem die Frage nach der Bilanzqualität. Ungeachtet der Rezessionsängste auf dem Markt ist klar zu erkennen, dass die nordischen Unternehmen äußerst gesund sind. Unter Berücksichtigung der derzeitigen anhaltenden Inflationsaussichten und der höheren Energiepreise hat sich die Kreditqualität auf Unternehmensebene nicht wesentlich verändert. Die Unternehmen waren in der Lage, die Inflation in angemessener Weise an ihre Endkunden weiterzugeben. Einen attraktiven Gegenwert auf dem nordischen Anleihemarkt bieten derzeit nicht geratete Investment-Grade-Anleihen nordischer Emittenten. Deren Spreads haben sich gegenüber vergleichbaren Emittenten trotz ähnlichem Risikorating ausgeweitet.

Für aktive Investoren interessant

Fast die Hälfte der nordischen Emittenten verfügt nicht über ein Rating einer der führenden Agenturen wie Moody’s oder S&P. Vor allem für aktive internationale Investoren ist der Markt deshalb interessant. Viele institutionelle Anleger können in diesen Teil des Marktes nicht direkt investieren, weil er nicht eindeutig als reines Investment-Grade- oder High-Yield-Segment zugeordnet werden kann. So wird dieser sogenannte Crossover-Bereich zu einer Art ineffizientem Niemandsland, in dem ein aktives Management einen großen Mehrwert schaffen kann. Mit lokalem Know-how lassen sich viele gute „Crossover-Anleihen“ mit Ratings von BBB und BB finden, die in der Regel höhere risikobereinigte Renditen bieten als vergleichbare Eurobonds. Zudem handelt es sich um vier Länder, für die es keine Benchmarks gibt, daher fließt kein „heißes Geld“ von passiven Anlegern. Die norwegischen und schwedischen Anleihemärkte fallen auch nicht unter das Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank. Insofern sind sie von EZB-Geldflüssen unabhängig. Im Markt sind hauptsächlich lokale Anleger, die kaufen und halten. Daher ist die Volatilität relativ gering.

Renditevorteil 50 bis 150 bp

Obwohl gut 35 % der gesamten Marktkapitalisierung des nordischen Anleihemarktes nicht international geratet sind, werden sie lokal analysiert. Diese Besonderheit gründet sich auf der Historie der Unternehmensfinanzierung in den skandinavischen Ländern. In den letzten zwanzig Jahren wurden Bankkredite für Unternehmen weitgehend durch die öffentlichen Märkte für Unternehmensanleihen ersetzt. Die meisten Investoren auf dem Anleihemarkt sind seither lokale institutionelle Anleger und Vermögensverwalter mit guter Kenntnis der Unternehmen und einem langfristigen Anlagehorizont. Ohnehin sind die Ausfallraten in den nordischen Ländern sehr niedrig. So gab es nie einen großen Bedarf an relativ teuren Kreditratings. Gerade kleinere Emittenten entscheiden sich gegen hohe Ratingkosten internationaler Agenturen zugunsten lokaler Qualitätseinstufungen. Die resultierende Prämie in Verbindung mit der Crossover-Anomalie ist für renditeorientierte Anleger ein Vorteil.

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