Warum Bankentitel einen Value-Case darstellen

In den vergangenen Jahren standen Banken nicht gerade hoch im Kurs bei den Investoren. Doch das Blatt wendet sich allmählich, wobei insbesondere Value-Investoren wieder ein verstärktes Interesse am Bankensektor zeigen.
10. Januar 2024
Harald Sporleder - Foto: Copyright Lingohr Asset Management

In den vergangenen Jahren standen Banken nicht gerade hoch im Kurs bei den Investoren. Doch das Blatt wendet sich allmählich, wobei insbesondere Value-Investoren wieder ein verstärktes Interesse am Bankensektor zeigen.

Erinnern wir uns an die Finanzkrise des frühen 21. Jahrhunderts, beginnend mit der Hypothekenkrise in den USA 2007, die zu einem weltweiten Finanzdebakel führte. Dies hatte massive Auswirkungen auf Banken weltweit, insbesondere auf Investmentbanken, sowohl im Vertrauensverlust als auch in Form strengerer Regulierungen. Dies führte zu hohen Kosten für die Banken, während gleichzeitig Zentralbanken sie dazu drängten, ihr Kernkapital zu erhöhen. Hinzu kam der jahrelange Niedrigzins, der den Zinserträgen schadete. In dieser unsicheren Zeit gewannen FinTechs an Boden, indem sie traditionelle Bankkunden für sich gewannen. Und diese Krisenlage hat sich durch die Entwicklungen in den USA im Frühjahr 2023 noch einmal fortgesetzt. Im Fokus stand die Regionalbankenkrise in den USA mit dem Fall der Silicon Valley Bank. Diese Verwerfung hatte das Potenzial, eine systemische Krise auszulösen, jedoch hatte die US-Fed mit einer massiven Kreditvergabe an die Banken das Downside-Risiko stark reduziert.

Europäische Großbanken mit großem Gewinnwachstum

Generell gilt aber, dass sich die Situation verändert hat. Viele Banken haben sich von den Verwerfungen erholt und profitieren von den steigenden Zinsen und einer dadurch wachsenden Profitabilität. Das zeigen auch verschiedenen Untersuchungen. So hat die Beratungsgesellschaft EY die zehn größten Banken analysiert. Demnach weisen die europäischen Topinstitute ein höheres Gewinnwachstum auf und haben im ersten Halbjahr ihren kumulierten Nettogewinn gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 80 Prozent auf 75 Milliarden Euro deutlich verbessert. Die zehn größten US-Banken erhöhten ihren addierten Nettogewinn in den ersten sechs Monaten um sieben Prozent auf rund 82 Milliarden Euro. Leider ist die Performance zuletzt ordentlich unter die Räder gekommen, wie auch der Gesamtmarkt, wenn man die Tech-Werte rausrechnet.

Banken kommen aus zwölfjährigem Performance-Tief

Somit wendet sich das Blatt allmählich, wobei insbesondere Value-Investoren wieder ein verstärktes Interesse am Bankensektor zeigen. Dies ist in erster Linie der Tatsache zu verdanken, dass nach einem über zwölfjährigen Performance-Tief, welches durch die Finanzkrise verursacht wurde, Banken derzeit ein verbessertes Gewinnwachstum bei einer vergleichsweise günstigen Bewertung zeigen. Schließlich konzentrieren sich Value-Investoren auf das Investieren in unterbewertete Qualitätsunternehmen. Banken bieten Ausschüttungen in Form von Dividenden, Sonderdividenden oder auch Aktienrückkäufen – und das aktuell bei attraktivem Gewinnwachstum bei vergleichsweise niedriger Bewertung. Das heißt: Bankentitel sind, im Verhältnis zu ihrem inneren Wert, noch günstig zu erwerben. Das ist vor allem mit Blick auf die Zukunft der Fall. Das erhöhte Zinsniveau wird sich nachhaltig über Jahre hinweg in den Bankbilanzen niederschlagen, aber es haben noch immer nur wenige Investoren Banken gekauft. Dabei kann ein Fokus auf Europa liegen, da hier eine Bewertungsdifferenz zu US-Banken besteht und die Regulierung in der Breite viel weiter fortgeschritten ist als in den USA, was wir am Beispiel der Regionalbanken wieder lernen mussten. Kurzum: Europäische Bankentitel haben einen höheren „Schnäppchen-Charakter“ als die US-amerikanischen Pendants.

Bewusstsein für die euphorische Entkopplung von Markteinschätzung und Realität

Value Investing ist bekanntlich eine Investitionsstrategie, bei der Anleger Aktien von Unternehmen kaufen, die sie für unterbewertet halten, basierend auf bestimmten fundamentalen Kriterien. Die Idee dahinter ist, Wertpapiere zu erwerben, die weniger kosten, als ihr intrinsischer oder „wahrer“ Wert ist, in der Erwartung, dass der Markt den tatsächlichen Wert des Unternehmens letztlich anerkennt. Somit ist es für Investoren essentiell, nicht blind aktuellen Trends zu folgen, sondern substanzstarke Aktien zu erwerben, wenn sie attraktiv bewertet sind. Der Bankensektor bietet derzeit genau diese Gelegenheit.

Value-Investoren zeigen dabei auch ein Bewusstsein für die häufige Euphorie-getriebene Entkopplung von Markteinschätzung und Realität, um potenziellen „Growth-Fallen“ zu entgehen. Empirisch zahlt es sich aus, günstige, moderat und nachhaltig wachsende Unternehmen zu kaufen. Beim Value Investing liegt der Fokus daher auf antizyklischem Verhalten. Anleger laufen dann nicht einem Trend permanent hinterher, weil sie wissen, dass eine überdurchschnittliche Performance langfristig wesentlich leichter zu erreichen ist, indem substanzstarke Aktien und Fondsanteile gekauft werden, wenn sie niedrig bewertet sind. Das gilt derzeit im Bankensektor.

UniCredit: Performance auf dem Level US-amerikanischer Technologiewerte

Ein Beispiel dafür ist Unicredit Das bedeutet für uns, unter anderem den unterbewerteten Bankensektor im Blick zu haben. Die UniCredit S.p.A. ist eine italienische Großbank und Holding von Finanzdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Mailand. Der Wert hat in den vergangenen zwölf Monaten knapp 100 Prozent zugelegt. An diesem Beispiel kann man auch wieder sehr gut sehen, wie stark eine Value-Aktie absolut performen kann, wenn sich die unterliegenden Parameter verbessern. Mit einer Performance von mehr als 74 Prozent hat sich UniCredit seit Jahresanfang schrittweise an das Performance-Level US-amerikanischer Technologiewerte angenähert. Zudem hat die Bank in diesem Jahr eine Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent avisiert, nach fast 7,5 Prozent im Vorjahr. Kommendes Jahr soll die Dividende dann um mehr als sechs Prozent steigen.

Autor: Harald Sporleder ist Chief Investment Officer der auf konsequentes Value Investing spezialisierten Boutique Lingohr Asset Management

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