US-Wahl: Hoffen auf einen klaren Ausgang

Die US-Präsidentschaftswahl steht bevor, und nur selten zuvor war der Ausgang einer Wahl von so grundlegender Bedeutung. Viele Investoren fragen sich, welche Auswirkungen das Ergebnis auf die Finanzmärkte haben wird. Aktuelle Prognosen deuten auf ein „Blue Wave“-Szenario, also einen deutlichen Sieg der Demokraten, bei dem diese sowohl den Präsidenten als auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses stellen.
23. Oktober 2020
Dr. Eduard Baitinger - Foto: © FERI

Die US-Präsidentschaftswahl steht bevor, und nur selten zuvor war der Ausgang einer Wahl von so grundlegender Bedeutung. Viele Investoren fragen sich, welche Auswirkungen das Ergebnis auf die Finanzmärkte haben wird. Aktuelle Prognosen deuten auf ein „Blue Wave“-Szenario, also einen deutlichen Sieg der Demokraten, bei dem diese sowohl den Präsidenten als auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses stellen.

Die Demokratische Partei steht für höhere Steuern, mehr Regulierung und schärfere Umweltstandards und gilt als weniger „business friendly“. Andererseits dürfte ein US-Präsident Joe Biden in der Außenpolitik berechenbarer handeln als Donald Trump; geopolitische Risiken würden dadurch reduziert. Bei einem klaren Sieg Bidens wäre ab 2021 mit höheren Staatsausgaben zu rechnen, insbesondere für große Infrastrukturprogramme. Aus Sicht der Märkte hielten sich bei einer „Blue Wave“ die negativen und positiven Aspekte die Waage. Die Gewinnaussichten der US-Wirtschaft würden insgesamt kaum geschmälert; auf Branchenebene drohen jedoch deutliche Verschiebungen. Verlierer einer stärkeren Regulierung wären vor allem die Pharmaindustrie, private Krankenversicherer und der fossile Energie-Sektor. Zu den Gewinnern könnte — neben Bau und Infrastruktur — der Bereich erneuerbarer Energien zählen, sofern sich Pläne der Demokraten zu einem „Green New Deal“ realisieren.

Tech-Giganten im Visier

Die Effekte einer Biden-Präsidentschaft auf den Technologiesektor sind weniger eindeutig. Biden will die Technologieriesen bei umstrittenen und sensiblen Themen wie Datenschutz, Kontrolle von Inhalten und Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs mehr in die Pflicht nehmen. Andererseits dürfte sich die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Eskalation des „Tech-Krieges“ mit China, bei dem einzelne Unternehmen von den Märkten der Gegenseite ausgeschlossen werden, erheblich reduzieren. Sollten sich die progressiven Kräfte in der Demokratischen Partei dann stärker durchsetzen, müssten sich vor allem die „Big Five“ Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft auf unruhige Zeiten einstellen. Forderungen nach einer deutlichen Begrenzung der Marktmacht oder gar einer Zerschlagung der Technologieriesen würden dann deutlich lauter. Aufgrund der hohen Gewichtung des Technologiesektors würde in diesem Szenario auch der Gesamtmarkt erheblich belastet.

Chaotischer Machtwechsel als Risikoszenario 

Das größte Risiko für die Finanzmärkte wäre eine Pattsituation oder ein sehr knapper Sieg von Biden. Ein solcher Ausgang würde von Amtsinhaber Trump umgehend angefochten, das endgültige Ergebnis somit auf unbestimmte Zeit verschoben. Aufgrund des komplexen US-Wahlsystems besteht ein signifikantes Risiko für dieses Szenario. Auch aufgrund hoher Briefwahlanteile ist unwahrscheinlich, dass der Sieger schon am Wahlabend feststehen wird. Selbst bei einer klaren Wahlniederlage wäre Trump bis zur offiziellen Amtseinführung Bidens am 20. Januar 2021 noch Präsident der USA. Damit bliebe ihm genügend Zeit, Ergebnisse anzufechten oder die Rechtmäßigkeit der gesamten Wahl in Frage zu stellen. Dieser Verlauf würde die Finanzmärkte belasten und könnte zu großer Unsicherheit führen. Investoren sollten deshalb auf eine Phase erhöhter Volatilität vorbereitet sein und bei Bedarf ihre Portfoliorisiken temporär reduzieren.

Gastkommentar von Dr. Eduard Baitinger, Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe

Dr. Eduard Baitinger — Foto: © FERI

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