„Gutes Jahr für Aktien und Spread-Strategien“

Was bringt uns 2021? Werden Aktien nach wie vor die Pace machen? Und erleben Value-Titel ein glorreiches Comeback? Marco Willner, Head of Investment Strategy bei NN IP, im ausführlichen INTELLIGENT INVESTORS-Interview.
9. Februar 2021
Marco Willner - Foto: © NN IP

Was bringt uns 2021? Werden Aktien nach wie vor die Pace machen? Und erleben Value-Titel ein glorreiches Comeback? Marco Willner, Head of Investment Strategy bei NN IP, im ausführlichen INTELLIGENT INVESTORS-Interview.

INTELLIGENT INVESTORS: In den vergangenen Wochen standen die Vereinigten Staaten im Mittelpunkt des Interesses. Wie werden sich nach Ihrer Meinung US-Aktien unter der Regierung von US-Präsident Joe Biden in nächster Zeit entwickeln?
Marco Willner: Der Ausblick für US-Aktien für die kommenden Monate ist weiterhin positiv. Die neue US-Regierung dürfte demnächst mit einem neuen Rettungspaket in der Größenordnung von ein bis zwei Billionen US-Dollar aufwarten. Auch danach dürfte das Team um Biden weitere Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen, welche die US-Wirtschaft ankurbeln dürften. Sobald die Restriktionen im Zusammenhang mit Covid gelockert werden, sollten sich viele betroffene Unternehmen wieder erholen. Kurzum haben die USA bei der Fiskalpolitik und der Impfkampagne die Nase vorn, und die Konjunkturerholung sollte auch die Gewinne und Kurse antreiben.

II: Inwiefern könnte sich auch die Marktstimmung hinsichtlich der Schwellenländer in absehbarer Zeit verbessern?
Willner: Die Stimmung in den Schwellenländern ist nicht schlecht: Schwellenländeraktien haben 2021 um etwa 8 % zugelegt, während bei US-Aktien nur 3,5 % zu Buche schlagen. Unser Ausblick für Aktien und Renten aus den Schwellenländern ist moderat positiv für 2021.

II: Welche Gründe ließen sich hierfür anführen?
Willner: Bei den Aktien ist China der entscheidende Faktor. Trotz der jüngsten Rückschläge ist China seit Monaten weitgehend frei von Covid. Die chinesische Wirtschaft konnte daher als einzige große Volkswirtschaft im Jahr 2020 ein positives Wachstum i.H.v. 2 % erwirtschaften. 2021 dürfte China vor allem von der anziehenden Binnennachfrage profitieren. Größter Risikofaktor für Schwellenländeraktien ist die restriktive China-Politik der Biden-Regierung. Auf der Rentenseite bevorzugen wir das Segment „Hard Currency“, da der Konjunkturausblick und die Bewertungen besser sind.

II: Bezogen auf die Emerging Markets, richten Sie Ihren Fokus zentral auf Asien oder dürften auch die ins Hintertreffen geratenen Regionen (Lateinamerika) in der Investorengunst wieder zulegen?
Willner: Der Konjunkturausblick für Lateinamerika ist deutlich schlechter als für Asien. Länder wie etwa Brasilien, Peru und Mexiko haben die Corona-Krise bislang kaum in den Griff bekommen. Die politische Polarisierung hat sich in ganz Lateinamerika deutlich verschärft; selbst ein traditionell eher ruhiges Land wie Chile befindet sich nun in Aufruhr. Unterschiedliche Strategien haben nicht gewirkt: Während erheblichen Fiskalpakete in Brasilien die Kreditwürdigkeit des Landes aufs Spiel setzen, ist Mexiko aufgrund fehlender Fiskalimpulse zu einem großen Verlierer dieser Krise geworden. Die enttäuschende Governance ist das größte Hindernis für die Wirtschaftserholung Lateinamerikas im Jahr 2021 und darüber hinaus.

II: Wie bewerten Sie das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich? Gibt es „nur Verlierer“?
Willner: Nach wie vor gilt, dass der freie Handel häufig ein positiver Wachstumsfaktor ist. Von daher verlieren in der Tat sowohl die EU als auch Großbritannien aufgrund des Brexits. Die spannende Frage ist, ob der Brexit in den kommenden Jahren auch Türen für neue erfolgreiche Strategien öffnet. Man sollte etwa dem EU-Aufbaufonds eine Chance geben; bei guter Umsetzung (und sicherlich nicht ohne langwierige Diskussionen) könnte dieser helfen, die Konjunktur in den schwachen EU-Ländern anzukurbeln. Auf der britischen Seite hingegen muss sich erst noch zeigen, ob sich Johnsons Vision von einem ultraliberalen Vorreiterland politisch umsetzen lässt; viel wird davon abhängen, ob sich seine Popularität aufgrund der erfolgreichen Impfkampagne erholen wird.

II: Ist die Rotation aus Growth-Aktien in Value- und zyklische Werte nachhaltiger Natur?
Willner: Aktuell bevorzugen wir zyklische Titel und setzen nicht auf ein baldiges Value-Revival. Grundsätzlich ist die Einteilung nach Value und Growth im aktuellen Umfeld nicht allzu hilfreich; vielmehr ist eine Einschätzung nach Branchen zweckführender. Wir setzen aktuell etwa auf Titel aus der Industrie und dem Rohstoffsektor, die von der anziehenden Binnennachfrage in China profitieren sollten. Im weiteren Jahresverlauf wird sich zudem zeigen, welche Sektoren sich aufgrund der Lockerung der Restriktionen erholen sollten. Zudem zeigt sich, dass der Tech-Sektor zu den langfristigen Gewinnern gehört. Bei diesen Überlegungen steht nicht primär im Vordergrund, ob es sich hierbei z. B. um einen Value-Titel handelt; der Stil ist da eher ein Nebenprodukt.

II: Wie ist Ihre Quintessenz aus dem „Ausblick 2021“?
Willner: In unserem Basisszenario „Tempomat“ erwarten wir einen graduellen Fortschritt der Impfprogramme, ausreichende Fiskalprogramme und eine kräftige Erholung der Weltwirtschaft ab dem zweiten Quartal. Deswegen erwarten wir ein gutes Jahr für Aktien und Spread-Strategien, während Staatsanleiherenditen in den USA und Deutschland moderat ansteigen dürften. (ah)

Marco Willner — Foto: © NN IP

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