“Freude über nachlassende Inflation könnte verfrüht sein”

Was bringen die kommenden Wochen bzw. Monate mit Blick auf die Kapitalmärkte? Das erste Halbjahr verlief erstaunlich gut, insbesondere mit den Wachstumswerten ging es ordentlich bergauf. Wird die Luft nun dünner? Dr. Eduard Baitinger, Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe, mit einer Analyse.
18. Juli 2023
Dr. Eduard Baitinger - Foto: © FERI Gruppe

Was bringen die kommenden Wochen bzw. Monate mit Blick auf die Kapitalmärkte? Das erste Halbjahr verlief erstaunlich gut, insbesondere mit den Wachstumswerten ging es ordentlich bergauf. Wird die Luft nun dünner? Dr. Eduard Baitinger, Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe, mit einer Analyse.

Rückläufige Inflationsraten in den USA haben den Börsen zuletzt Auftrieb gegeben. Die Märkte hatten auf ein Nachlassen des Preisdrucks gehofft, weil dies ein Ende der Zinserhöhungen wahrscheinlicher macht. Insofern ist die Erleichterung darüber, dass die Inflation auf dem Rückmarsch ist, verständlich. Sollte diese Entwicklung in den kommenden Monaten anhalten, dürfte dies den Märkten vorerst weitere Impulse geben. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass Disinflation nicht automatisch gut sein muss für die Börsen. Wenn etwa die Inflation sinkt, weil die Nachfrage aufgrund eines starken Abschwungs wegbricht, reagieren die Märkte in der Regel negativ. Solch ein Beispiel für „schlechte Disinflation“ ist derzeit in China zu beobachten. Zwar ist die Wirtschaft des Landes noch weit davon entfernt zu schrumpfen. Die aktuelle Eintrübung der Makrodaten kommt einer Rezession für chinesische Verhältnisse jedoch sehr nahe. Trotz Inflationsrückgang und partiell echter Deflation zeigt sich der chinesische Aktienmarkt, und mit ihm das gesamte Emerging Markets Segment, daher fragil. Disinflation als Folge eines spürbaren wirtschaftlichen Abschwungs könnte im späteren Jahresverlauf auch in den Industrieländern ein Thema werden. Anleger sollten diese Möglichkeit im Rahmen ihrer Szenarioanalysen berücksichtigen.

Technologiewerte zunehmend überbewertet

Berücksichtigt man die gestiegenen Zinsen, haben die Bewertungen an den globalen Aktienmärkten zunehmend kritische Niveaus erreicht. Dies gilt vor allem für die US-Börsen und dort insbesondere für die Aktien von Technologieunternehmen. Die Risikoprämie, sprich die Gewinnrendite der Unternehmen abzüglich des (quasi) risikolosen Zinssatzes für Staatsanleihen, liegt dort auf dem tiefsten Stand in diesem Jahrtausend. In Relation zu den hohen kurzfristigen Zinsniveaus ist die US-Aktienrisikoprämie sogar negativ. Das bedeutet, dass Anleger für das Eingehen des Aktienmarktrisikos nicht adäquat entlohnt werden. Sie wären also besser beraten, kurzfristige Staatsanleihen zu halten. Dieses Phänomen wurde zum letzten Mal während der Dotcom-Blase beobachtet, die Anfang der 2000er Jahre fulminant platzte. Da die Technologiewerte einen signifikanten Anteil an den globalen Märkten ausmachen, dürften Korrekturen in diesem Segment die Börsen generell belasten. Abseits davon gibt es dennoch viele Marktsegmente mit unauffälligen Bewertungen. Sollte die Stimmung im Technologiesektor kippen, besteht für professionelle Investoren also weiterhin die Chance, in periphere, attraktiv bewertete Marktsegmente, wie Small Caps oder Versorger, auszuweichen.

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