Die Anlage von Stiftungsvermögen im Lichte der Stiftungsrechtsreform

Die Anlage der Vermögen von Stiftungen, insbesondere von steuerbegünstigten Stiftungen, war stets mit besonderen Herausforderungen verbunden. Mit der zum 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Reform des Stiftungsrechts hat sich eine Reihe von Änderungen ergeben, die sich unmittelbar auf die Vermögensanlage von Stiftungen auswirken. Das neue Recht bietet vor allem neue Gestaltungsoptionen und möchte zudem mit veränderten Haftungsreglungen eine etwas größere Risikoneigung in den handelnden Stiftungsorganen schaffen.
4. Oktober 2023
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Die Anlage der Vermögen von Stiftungen, insbesondere von steuerbegünstigten Stiftungen, war stets mit besonderen Herausforderungen verbunden. Mit der zum 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Reform des Stiftungsrechts hat sich eine Reihe von Änderungen ergeben, die sich unmittelbar auf die Vermögensanlage von Stiftungen auswirken. Das neue Recht bietet vor allem neue Gestaltungsoptionen und möchte zudem mit veränderten Haftungsreglungen eine etwas größere Risikoneigung in den handelnden Stiftungsorganen schaffen.

Die Verwendung von Umschichtungsgewinnen

Lange war streitig, ob Stiftungen Vermögenszuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens unmittelbar für die Erfüllung des Stiftungszwecks einsetzen dürfen. Die Neuregelung gestattet nunmehr eine solche Praxis, es sei denn, die Satzung der Stiftung schließt das ausdrücklich aus oder der Erhalt des Grundstockvermögens ist nicht gewährleistet (§ 83c Abs. 1 S. 3 BGB). Soweit in Gesetzestext und Begründung von „Zuwächsen“ und nicht von Verlusten des Vermögens durch Umschichtungen die Rede ist, besteht Einigkeit darüber, dass der Begriff als positiver Saldo aus Umschichtungsgewinnen und ‑verlusten zu verstehen ist.

Die Neuregelung ist insbesondere für Kapitalstiftungen wertvoll. Sie eröffnet die Möglichkeit, weg von der rein auf ordentlichen Ertrag ausgerichteten Vermögensanlage hin zu einer breiteren Strategie, die auch Wertzuwächse in der Substanz zum Ziel hat. Die herkömmliche Anlage von Stiftungsvermögen, die grundsätzlich auf ordentliche Erträge ausgerichtet war, führte in der Niedrigzinsphase bei vielen Kapitalstiftungen zu einer Ertragskrise. Verstärkt wurde dieser Effekt dadurch, dass Stiftungsvorstände aufgrund ihrer persönlichen Haftung Aktienanlagen oftmals zurückhaltend gegenüberstanden. Mit der Neureglung können Stiftungen nunmehr grundsätzlich auch außerordentliche Erträge für ihre Fördervorhaben nutzen. Flankiert wird diese Option durch eine Veränderung der Haftungsregelung für Vorstände, die im Folgenden noch näher betrachtet wird.

Die Grenzen der flexiblen Nutzung von Umschichtungsgewinnen liegen zum einen in der Stiftungssatzung, die eine solche Nutzung gegebenenfalls ausschließen kann. Zum anderen – und dies dürfte in der Praxis für größeren Prüfungsaufwand sorgen – liegt die Grenze im Vermögenserhalt. Umschichtungsgewinne sind in erster Linie für den Erhalt des Grundstockvermögens zu verwenden. Nur wenn der Erhalt des Grundstockvermögens gegeben ist, kommt die Verwendung eines Umschichtungsgewinns für Stiftungsprojekte in Betracht. Von großer Bedeutung ist hier die Frage, ob die Stiftung ihr Grundstockvermögen nominal oder real zu erhalten hat.

Keine gesetzliche Regelung zum nominalen oder realen Kapitalerhalt 

Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine Festlegung in der Frage entschieden, ob Stiftungen ihr Vermögen real oder nominal zu erhalten haben. Diese Entscheidung richtet sich folglich weiterhin nach den Umständen des Einzelfalls und damit insbesondere nach dem in der Satzung festgehaltenen Stifterwillen. Die Vielfalt des Stiftungswesens und die hier zu findende hohe Individualität stehen nach Auffassung des Gesetzgerbers einer schematischen gesetzlichen Festlegung entgegen. Gleichwohl wohnt der Stiftung als zeitlich unbegrenzt konzipiertes Konstrukt die Grundidee des realen Kapitalerhalts inne: Eine Stiftung sollte möglichst auch in hunderten von Jahren genau so wirksam sein wie am ersten Tag. Diese Grundidee wurde in den vergangenen Jahren allerdings durch die Ertragskrise und die Möglichkeit, Verbrauchsstiftungen zu errichten, in Frage gestellt. Eine Stiftung, die sich vornehmlich um Inflationsausgleich bemüht und deshalb ihren Zweck nicht verfolgen kann, ist für die Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben nicht hilfreich. Viele Stiftungen beschränken sich vor diesem Hintergrund auf den nominalen Kapitalerhalt und nehmen damit ihre schleichende Auflösung aufgrund der Inflation bewusst in Kauf.

Gesetzlich ungeregelt bleibt auch die Art und Weise der Vermögensbewirtschaftung. Wie die meisten Landesstiftungsgesetze verzichten die neuen stiftungsrechtlichen Regelungen des BGB auf die Vorgabe, dass das Stiftungsvermögen nach bestimmten Prinzipien angelegt werden muss. Diese Regelung soll vielmehr – sinnvollerweise – durch individuelle Satzungsvorgaben getroffen werden oder durch ein in einer Anlagerichtlinie verankertes Vermögenserhaltungskonzept.

Hybride Stiftungsvermögen

Die Neureglung des Stiftungsrechts schafft neben dem dauerhaft zu erhaltenden Grundstockvermögen als weitere Vermögensposition das sogenannte „sonstige Vermögen“. Systematisch umfasst das Grundstockvermögen einer Stiftung sämtliche Vermögensgegenstände, die im Zuge der Errichtung durch den Stifter nicht als „sonstiges Vermögen“ bestimmt worden sind. Zudem wird das Grundstockvermögen um die folgenden Vermögensmassen ergänzt: Zustiftungen und das von der Stiftung selbst zum Grundstockvermögen bestimmte Vermögen (§ 83b Abs. 2 BGB). Eine ausdrückliche Definition des „sonstigen Vermögens“ findet sich im Gesetzestext nicht. Mit der Zuordnung bestimmter Vermögensmassen zum Grundstockvermögen wird allerdings zugleich indirekt festgelegt, welche Vermögensgegenstände als „sonstiges Vermögen“ der Stiftung anzusehen sind. Das „sonstige Vermögen“ einer Stiftung umfasst im Ergebnis alle Vermögensgegenstände, die nicht zum Grundstockvermögen gehören.

Im Gegensatz zum Grundstockvermögen muss das „sonstige Vermögen“ einer Stiftung nicht dauerhaft erhalten werden. Es kann vielmehr auf Beschluss des zuständigen Stiftungsorgans auch unmittelbar für die Zwecke der Stiftung verwendet werden. Im Hinblick auf die Vermögensanlage ergibt sich aus diesem Umstand die Notwendigkeit, die Liquidität der Vermögensklassen, in denen das „sonstige Vermögen“ investiert ist, besonders zu berücksichtigen. Relativ illiquide Anlageklassen sollten nur dann gewählt werden, wenn die Stiftung ihr „sonstiges Vermögen“ ganz oder zum Teil wie Grundstockvermögen langfristig erhalten möchte. Sollte das „sonstige Vermögen“ jedoch für die Zweckverwirklichung zur Verfügung stehen, so wäre die Erstellung eines Entnahmeplans mit einer darauf abgestimmten Anlagestrategie zu empfehlen.

Business-Judgement-Rule

Für die Vermögensanlage ist von großer Bedeutung, dass im neuen Stiftungsrecht eine dem Aktienrecht nachgebildete Regelung zur Haftungserleichterung geschaffen worden ist (§ 84a Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese sogenannte Business-Judgement-Rule legt fest, dass keine Pflichtverletzung vorliegt, wenn ein Mitglied des Stiftungsorgans bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Entscheidungen zur Anlage des Stiftungsvermögens sind typischerweise zukunftsgerichtet und bedürfen einer Prognose. Nicht immer sind solche Prognosen zutreffend. Im Zusammenhang mit der Vermögensanlage stellt die Business-Judgement-Rule klar, dass das bloße Vorliegen eines Anlageverlusts nicht automatisch eine Pflichtverletzung des Stiftungsvorstands begründet. Diese liegt erst dann vor, wenn eine objektiv fehlerhafte Anlageentscheidung getroffen wurde, der Vorstand also entweder hätte erkennen müssen, dass seine Entscheidung für die Stiftung nachteilig ist oder aber er sich im Vorfeld nicht ausreichend informiert hat. Um hier im Zweifelsfall den Beweis führen zu können, empfiehlt sich für die handelnden Personen eine genaue Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen.

Weitere Voraussetzung für eine Haftung ist, dass der Vorstand die Pflichtverletzung verschuldet hat. Stiftungsvorstände haften grundsätzlich für jedes Verschulden, also für jedes vorsätzliche oder fahrlässige Verhalten. Lediglich ehrenamtlich tätige Organmitglieder genießen eine Haftungserleichterung, nach der nur vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten eine Haftung nach sich zieht. Das neue Recht bietet die Möglichkeit, diese Haftungserleichterung durch die Satzung auch auf haupt- und nebenamtlich tätige Vorstandsmitglieder auszuweiten, gegebenenfalls im Wege einer Satzungsänderung. Im Ergebnis wurde damit das Haftungsrisiko für Stiftungsvorstände deutlich abgemildert. Die Haftung des Stiftungsvorstands ist nunmehr schon dann nicht gegeben, wenn eine Anlageentscheidung zum Wohle der Stiftung getroffen wurde und auf einer angemessenen Informationsgrundlage beruhte. Relevant für die Beurteilung dieser Gegebenheiten ist der Zeitpunkt der Entscheidung. Die bloße Möglichkeit eines Verlustes sollte Stiftungsvorstände somit nicht mehr vor einem Investment zurückschrecken lassen.

Autor: Dr. Markus Heuel, Mitglied der Geschäftsleitung, Deutsches Stiftungszentrum

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