AXA IM: Teure Aktien in den USA

Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers, zu den aktuellen Ereignissen auf den internationalen Aktien- und Anleihenmärkten sowie zu den Auswirkungen des US-Wahlkampfs auf die Märkte.
12. März 2024
Chris Iggo - Foto: © AXA IM

Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers, zu den aktuellen Ereignissen auf den internationalen Aktien- und Anleihenmärkten sowie zu den Auswirkungen des US-Wahlkampfs auf die Märkte.

In den USA sind die Bewertungen weiter gestiegen. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse von Aktien haben Zweijahreshochs erreicht, und die Credit Spreads sind wieder so niedrig wie vor Beginn der Zinserhöhungen. Billig geht anders. Sollte man sich des-halb Sorgen machen? Natürlich sind die Bewertungen nicht frei von Risiken. Aber die Wirtschaft ist stark, nichts spricht für große Kreditprobleme; die Unternehmens-finanzen sind solide, die Gewinne ebenfalls. Weil die US-Wirtschaft anders als befürchtet weiter wächst, dürften die Unternehmensgewinne auch 2024 steigen. Außerdem werden irgendwann wohl die Zinsen gesenkt. Geschieht das wegen einer niedrigeren Inflation, kann es für Aktien und Anleihen nur gut sein. Einstweilen sind kurzfristige Rückschläge der Märkte eher Kaufgelegenheiten.

Das Jahr der (Unternehmens-)Anleihe: Eines meiner Lieblingsthemen ist mein Optimismus für Investmentgrade- und High-Yield-Unternehmensanleihen. Anlagen haben sich hier gelohnt. Die Erträge waren hoch, passend zum Jahr der Anleihe, das wir 2023 ausgerufen haben. Trotz schwankender Zinserwartungen hat man mit Unternehmensanleihen gut verdient. Am 3. März lag der Einjahresertrag amerikanischer Investmentgrade-Titel bei 6,75 Prozent und der von BBB-Anleihen sogar bei 7,8 Prozent. Mit europäischen Pa-pieren hat man 7,5 Prozent insgesamt bzw. 8,0 Prozent mit BBB-Titeln verdient. Bei britischen Unternehmensanleihen sah es ähnlich aus.

Es überrascht nicht, dass die Erträge von High Yield noch höher waren. In den USA waren es auf 12-Monats-Sicht 11 Prozent und in Europa 10,3 Prozent. Wer selbst vor den risiko-reichsten US-Anleihen nicht zurückgeschreckt ist, also vor Titeln mit CCC-Rating, hätte sogar 15 Prozent und damit ähnlich viel wie mit Aktien verdient. Eine lange Duration in der Hoffnung auf Zinssenkungen mag sich nicht wirklich gelohnt haben, die Über-gewichtung von Credits aber schon. Fast alle Marktsegmente verzeichneten in den letzten zwölf Monaten Mehrertrag gegenüber Staatsanleihen.

Wegen der steigenden Anleihenrenditen waren die Erträge seit Jahresbeginn aber etwas schwächer. Dennoch hat man mit kurz laufenden Investmentgrade- und High-Yield-Anleihen sowie Leveraged Loans weiterhin verdient. Die jüngste Stabilisierung und der leichte Renditerückgang stellen für März ebenfalls Gewinne in Aussicht.

Bewertungssorgen? Letztes Jahr hat man vor allem durch Coupons und fallende Spreads verdient. Insgesamt ist der Durchschnittsspread amerikanischer Investmentgrade-Anleihen um 30 Basispunkte zurückgegangen, was allein schon für etwa 2 Prozentpunkte Ertrag gesorgt hat. Seit der kurzen Unsicherheit während der amerikanischen Regionalbankenkrise vor einem Jahr sind die Spreads der meisten Arten von Credits kontinuierlich gefallen. Seit dem Höhepunkt der Irritationen sind amerika-nische Investmentgrade-Spreads um 64 und europäische um 75 Basispunkte zu-rückgegangen. Der Rückgang der Risikoprämien zeigt, dass Investoren finanzstar-ken Unternehmen weiterhin vertrauen – und dass sie wenig Zweifel an der US-Wirtschaft und der Rentabilität der Unternehmen haben.

Jetzt schwanken die amerikanischen Investmentgrade-Spreads um die 100 Basis-punkte. In Europa, wo sie meist gegenüber Swapsätzen gemessen werden, betragen sie 86 Basispunkte. Die Gesamtrenditen liegen in den USA bei 5,4 Prozent und in Europa bei 3,8 Prozent. Wenn man die aktuellen Spreads mit der Vergangenheit vergleicht, scheinen US-Titel zurzeit teurer. Ihre Spreads liegen etwa im 12. Perzentil der letzten zehn Jahre, die europäischen Spreads hingegen im 70. Perzentil. Bei High Yield sieht es ähnlich aus. Hier betragen die Spreads in den USA durchschnittlich 330 Basispunkte gegenüber 405 Basispunkten vor einem Jahr und 600 Basispunkten auf dem Höhepunkt der massiven Zinserhöhungen im Jahr 2022.

Stabilität: Dass Credits gegenüber Staatsanleihen teurer geworden sind, hat einen einfachen Grund: Sie sind bei Anlegern beliebt. Man schätzt sie wegen der guten Unternehmensfinanzen, der (trotz höherer Zinsen) akzeptablen Zinsdeckungsgrade und der gut gefüllten Kassen vieler Emittenten. Ihre Nettozinsbelastung ist heute niedriger als in früheren Zyklen; die Risiken werden als nicht sehr hoch wahrgenommen. Außerdem bieten Credits laufenden Ertrag. Letztes Jahr entfielen 4,5 Prozentpunkte des Gesamtertrags von 6,75 Prozent auf Coupons. Bei High Yield betrug die Couponrendite fast 7 Prozent.

Und die Risiken? Die Spreads sind heute wieder so niedrig wie kurz vor Corona, nach dem sehr guten Credit-Jahr 2019. Die Kreditnehmer waren seitdem konservativ; ein Fremdkapitalboom blieb aus. Unterdessen sind die Unternehmensgewinne stark gewachsen. Fundamental sind Credits weiterhin attraktiv. Was könnte also schiefgehen? Da man weitere Zinserhöhungen in den USA oder Europa wohl aus-schließen kann, kann der Grund für Minderertrag nur eine Spreadausweitung sein.

Schwächeres Wachstum: Ein Risiko ist, dass das Wirtschaftswachstum noch stärker nachlässt und schwächere, höher verschuldete Sektoren Probleme bekommen. Volkswirte halten das Zinsniveau zwar für hoch und die Finanzbedingungen insgesamt für straff (gemessen an dem, was sie neutral nennen), doch sind die Zinsen 2022 und 2023 zweifellos stark gestiegen. Mit Festzinskrediten wird man davor in gewissem Maße geschützt sein, aber viele Verbraucher‑, Kreditkarten- und Automobilkredite sind variabel verzinslich. Laut Fed steigt in den USA der Anteil überfälliger Kreditkartenkredite schon seit 2021, und der Anteil von Automobilkrediten mit über 30 Tagen Zahlungsverzug ist zurzeit so hoch wie zuletzt 2010. Wenn das Wachstum nachlässt (und vor allem, wenn die Arbeitslosigkeit steigt), könnten einige dieser Probleme stärker in den Blickpunkt geraten. Aber den Banken mangelt es nicht an Kapital, und die Probleme einzelner Verbraucher dürften kaum zu einem systemischen Risiko werden. Eher schon könnten sich wichtige Kreditkennziffern etwas verschlechtern, wenn auch nur langsam. Weil 2024 schon sehr viel Fremdkapital begeben wurde, nehmen die durchschnittlichen Zinskosten zu. Seit Mitte 2022 ist der Durchschnittscoupon von Investmentgrade-Anleihen von 3,65 Prozent auf 4,25 Prozent in den USA und von 1,5 Prozent auf 2,3 Prozent in Europa gestiegen. Das sind beachtliche Veränderungen, die nicht ohne Folgen für die Zinsdeckungsgrade bleiben. Aber sie reichen nicht für eine grundlegend andere Einschätzung von Credits – zumal zurzeit nur wenig für ein deutlich schwächeres Wachstum spricht, vor allem in den USA.

Kreditereignisse: Kreditereignisse sind niemals auszuschließen. Letztes Jahr stan-den die Regionalbanken im Blickpunkt, vor allem wegen ihrer großen Immobilienkreditportfolios, mit denen insbesondere Büroobjekte finanziert wurden. Diese Woche sprach ich mit unserem Immobilienteam und unseren Volkswirten. Wir kamen zu dem Schluss, dass Gewerbeimmobilienkredite ein Problem sind, aber kein großes. Die Auswirkungen auf Großbanken sind vernachlässigbar, da sie umfangreiche Ausfallrückstellungen gebildet haben. Sollte allerdings eine weitere Regionalbank auf-grund ihres Immobilienengagements in Schwierigkeiten geraten, könnte das der Marktstimmung schaden und die Fed vielleicht zu neuen Liquiditätsmaßnahmen zwingen. Unter einem solchen Schock und einer Reaktion der Notenbank werden sich die Spreads vermutlich ausweiten, zumindest vorübergehend.

Nachlassende Risikobereitschaft? Anzeichen für weniger Wachstum, eine zögerliche Fed, hartnäckige Dienstleistungspreisinflation, noch mehr schlechte Nachrichten für Gewerbeimmobilien und die Unsicherheit über die US-Politik nach den Präsidentschaftswahlen könnten die Risikobereitschaft der Anleger dämpfen. Amerikanische Credits sind recht teuer und Aktien ebenfalls. Nach den Konsens-Gewinnschätzungen für 2025 notiert der S&P 500 beim 19-Fachen der erwarteten Gewinne. Das liegt nur knapp unter dem jüngsten Höchststand von 20 im Jahr 2021, als die Bewertungen in der Erholungsphase nach Corona kräftig zulegten. Eine Aktienmarktkorrektur wäre keine Überraschung, zumal der Großteil der Gewinne letztes Jahr auf nur eine Handvoll Technologieunternehmen entfiel.

Nach den Vorwahlen diese Woche steht so gut wie fest, dass Donald Trump im November für die Republikaner antritt und es zu einer Neuauflage des Duells zwischen Biden und Trump kommt. 2020 war der Wahlausgang so knapp, dass die politischen Risiken drastisch stiegen. Wird es diesmal ähnlich sein? Dann würde die politische Unsicherheit zunehmen. Vieles ist offen. Wird man versuchen, einen weiteren An-stieg der Schuldenstandsquote zu verhindern? Werden neue Handelssanktionen ge-gen China verhängt? Wird die Geldpolitik durch die Ernennung neuer Offenmarkt-ausschussmitglieder politisiert? Anleger müssen sich mit solchen Themen auseinandersetzen. Vielleicht empfiehlt es sich dann, weniger Risiken einzugehen.

Aber der Carry bleibt hoch: All das sind Risiken, aber einstweilen reichen sie nicht, um die Märkte zu bremsen. Die Rezession blieb aus, die Zinsen werden in der zweiten Jahreshälfte vermutlich gesenkt, und den Unternehmen geht es sehr gut. Europa ist schwächer, aber auch hier dürften niedrigere Zinsen helfen. In Großbritannien sind die Prognosen des Office for Budget Responsibility, die zusammen mit dem Haushaltsentwurf vorgelegt wurden, optimistischer geworden. Ein Rückschlag der Märkte dürfte deshalb als Kaufgelegenheit gelten. Angesichts des derzeitigen Risiko-niveaus bleibt der Carry eine wichtige Ertragskomponente von Credits.

Risikoabsicherung ist zurzeit recht günstig. Der Europe Crossover Credit Default Swap Index notiert unter 300 Basispunkten, so niedrig wie zuletzt kurz vor Beginn der Zinserhöhungen. Der VIX-Volatilitätsindex für Aktien ist zweifellos wieder gestiegen, liegt aber noch immer deutlich unter dem, was wir aus unruhigen Zeiten ge-wohnt sind. Und wenn man US-Aktien für zu teuer hält, kann man auch in anderen Ländern investieren. Zurzeit beträgt das KGV des Euro Stoxx Index gemessen an den Gewinnerwartungen für 2025 12 gegenüber fast 20 in den USA.

Bessere Konjunktur, weniger Zinssenkungen: Der Markt erwartet für die USA und Europa Zinssenkungen erst in drei Monaten. Wir können also noch lange darüber spekulieren, wie die Märkte dann reagieren. Wenn die Zinsen nur leicht gesenkt wer-den und die Weltwirtschaft stark bleibt, dürften die Anleihenrenditen weiterhin im mittleren einstelligen Bereich liegen. Die Aktienerträge dürften etwa dem erwarteten Gewinnwachstum entsprechen, also im niedrigen zweistelligen Bereich liegen. Man-che mögen sich schnellere Zinssenkungen herbeisehnen, aber wenn es dazu kommt, dann wohl nur bei einer sehr viel schwächeren Konjunktur. Für Credits und Aktien wäre das alles andere als gut, aber Staatsanleihen würden kräftig zulegen. Kein An-leger wünscht sich, dass die Fed ausgerechnet in einem bitter geführten Wahlkampf die Zinsen senken muss. 2024 verspricht interessant zu bleiben. Einstweilen sollte man aber an Unternehmensanleihen festhalten.

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