„China beschreitet den Pfad einer V‑förmigen Erholung“

Seit Monatsbeginn verzeichnet der Markt für chinesische Inlandsaktien, der am Footsie China A 50 Index gemessen wird, sehr heftige Schwankungen. Erst gingen die Kurse innerhalb einer Woche um 15 % nach oben, dann binnen einer weiteren um 8 % nach unten – und an zwei Tagen waren sogar Schwankungen von mehr als 4 % zu verzeichnen (Kursanstieg am 6. Juli, Kursrückgang am 16. Juli).
21. Juli 2020
China - © gui yong nian

Seit Monatsbeginn verzeichnet der Markt für chinesische Inlandsaktien, der am Footsie China A 50 Index gemessen wird, sehr heftige Schwankungen. Erst gingen die Kurse innerhalb einer Woche um 15 % nach oben, dann binnen einer weiteren um 8 % nach unten – und an zwei Tagen waren sogar Schwankungen von mehr als 4 % zu verzeichnen (Kursanstieg am 6. Juli, Kursrückgang am 16. Juli).

Wenig überraschend für jene, die sich noch an Ende August 2015 erinnern, als chinesische Aktien binnen zwei Wochen erst um mehr als 20 % einbrachen und sich dann um 17 % erholten. Damals führte die Entscheidung der People‘s Bank of China (PBoC), den Yuan gegenüber dem Dollar abzuwerten, zum letzten Prankenhieb eines Bärenmarktes, der zwei Monate zuvor begonnen hatte und der auf einen Zuwachs des chinesischen Marktes um mehr als 100 % binnen 7 Monaten gefolgt war. Die globalen Märkte legten in demselben Zeitraum nur rund 5 % zu.

Dies ist allerdings mit der aktuellen Situation nicht vergleichbar. Zwar verzeichnet der chinesische Index als einer der wenigen seit Jahresbeginn ein Plus, doch liegt er weit hinter dem Nasdaq. Vor den heftigen Bewegungen im Juli glich seine Entwicklung weitgehend jener der globalen Märkte. Darüber hinaus reichen die Impulsgeber für die heftigen Aufwärts- und Abwärtsbewegungen bei weitem nicht an die überraschende Abwertung von 2015 heran. Zuletzt trieben vor allem positive Artikel über den Markt für Inlandsaktien sowie die Wirkung der PBoC-Politik auf die Wirtschaft den Markt an, während Sorgen um einige regionale Banken, Maßnahmen zur Eindämmung der Immobilienblase in Shenzhen sowie negative Berichterstattung über den Spirituosen-Giganten Kweichow Moutai zu Abwärtsbewegungen führten.

In Wirklichkeit zeigen diese Bewegungen eher die zwiespältige Haltung der Anleger gegenüber den asiatischen Schwellenländern im Allgemeinen und insbesondere China. Einerseits bestehen weiterhin Vorbehalte, denn in der Region gibt es nach wie vor strukturelle Schwächen. Dies zeigt sich an den aktuellen Sorgen um die Stabilität einiger regionaler Banken in China und deren Einflussbereich. Die Intransparenz bei manchen Akteuren in Wirtschaft und Politik sowie die regelmäßigen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der von den Behörden verbreiteten Zahlen mindern das Vertrauen. Überdies bestehen die geopolitischen Spannungen insbesondere mit den USA weiterhin fort – wobei das neue chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong als neuer Vorwand dient –, aber auch mit anderen Ländern, beispielsweise infolge des Ausschlusses von Huawei für die künftigen 5G-Netze mehrerer europäischer Länder.

Andererseits lässt der Appetit der Anleger nach asiatischen Vermögenswerten, der durch spürbare wirtschaftliche Realitäten befeuert wird, nicht nach. Dies sind vor allem makroökonomische Faktoren wie zum Beispiel das solide BIP-Wachstum in China im zweiten Quartal, das für das Szenario einer V‑förmigen Erholung spricht, oder die Beschäftigungszahlen in Südkorea mit einer Arbeitslosenquote von lediglich 4,3 %. Aber es sind auch Faktoren auf Unternehmensebene. Die asiatischen Indizes werden von den Riesen aus den Bereichen Internet (Alibaba, Baidu, Tencent, Meituan Dianping) und Halbleiter (Taiwan Semiconductor, Samsung) dominiert, denen die COVID-19-Krise in die Hände spielte und die sich darüber hinaus rasch technologischer Unabhängigkeit annähern. In der Vergangenheit bedeuteten Investments in Asien eine Anlage in Produktionszwischenstufen der alten Wirtschaft des Westens. Dies hat sich mittlerweile von Grund auf geändert.

Unbestreitbar geht Asien, obwohl Ausgangspunkt der Pandemie, als großer Sieger aus der Krise hervor. China beschreitet den Pfad einer V‑förmigen Erholung. Südkorea und Taiwan, für die der Begriff „aufstrebend“ immer mehr zutrifft, sind für ihren Umgang mit der Krise weltweit beispielhaft. Die Kontaktbeschränkungen gaben den in Asien stark vertretenen digitalen Sektoren Auftrieb. Einzige Wermutstropfen sind dagegen das noch immer bei vielen Anlegern verwurzelte negative Image Chinas und vor allem die Gefahr neuer Spannungen mit den USA. Doch dies reicht nicht aus, um eine langfristige Dynamik mit intaktem Potenzial auszubremsen. (ah)

 

Gastkommentar von Olivier de Berranger, CIO, und Enguerrand Artaz, Fondsmanager, bei LFDE

 

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