Der Einfluss der US-Zwischenwahlen auf die Märkte: erhöhte Volatilität in Sicht

Krieg in der Ukraine, steigende Inflation und volatile Märkte – in einem Jahr, in dem Unsicherheiten die Schlagzeilen dominieren, scheinen die Zwischenwahlen in den USA aus dem Fokus geraten zu sein. Aus Sicht von Matt Miller, Political Economist bei Capital Group, hat der Einfluss der Midterms jedoch kaum abgenommen. 
13. Oktober 2022
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Krieg in der Ukraine, steigende Inflation und volatile Märkte – in einem Jahr, in dem Unsicherheiten die Schlagzeilen dominieren, scheinen die Zwischenwahlen in den USA aus dem Fokus geraten zu sein. Aus Sicht von Matt Miller, Political Economist bei Capital Group, hat der Einfluss der Midterms jedoch kaum abgenommen. 

„Jeder Schritt und jede Handlung in Washington im Jahr 2022 wurde mit Blick auf die Wahlen vorsichtig berechnet“, betont Miller. Bei den Zwischenwahlen Anfang November stehe die Kontrolle des US-Kongresses, bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus, auf dem Spiel. Doch haben die Wahlen tatsächlichen Einfluss auf die Märkte? „Die Antwort lautet: ja“, so Miller. „Wir haben Daten aus mehr als 90 Jahren untersucht und festgestellt, dass sich die Märkte in Jahren mit Zwischenwahlen anders verhalten haben.“ Miller benennt fünf Dinge, die Investoren in diesem politischen Zyklus beachten sollten:

1. Die Partei des Präsidenten verliert in der Regel Sitze im Kongress

„Die Zwischenwahlen finden in der Mitte der Amtszeit eines Präsidenten statt und führen in der Regel dazu, dass die Partei des Präsidenten im Kongress an Boden verliert“, erläutert Miller. Bei den letzten 22 Zwischenwahlen habe die Partei des Präsidenten im Durchschnitt 28 Sitze im Repräsentantenhaus und vier im Senat verloren. Nur zweimal habe die Partei des Präsidenten in beiden Kammern Sitze hinzugewonnen. „Die Geschichte deutet darauf hin, dass es zu einer Gegenreaktion gegen die Regierungspartei kommen wird, die dazu führen könnte, dass die Republikaner die Kontrolle über das Repräsentantenhaus zurückerobern“, sagt Miller.

Für Investoren wäre das das Ende jeder Chance auf eine ehrgeizige demokratische Gesetzgebung in den nächsten zwei Jahren. „Da der Verlust von Sitzen so häufig vorkommt, ist er in der Regel schon früh im Jahr in den Märkten eingepreist“, erläutert Miller. Aber das Ausmaß einer politischen Machtverschiebung – und die daraus resultierenden politischen Auswirkungen – blieben bis zum Ende des Jahres unklar.

2. Renditen erholen sich im Laufe eines Zwischenwahljahres

„Unsere Analyse der Renditen des S&P 500 Index seit 1931 hat gezeigt, dass sich der Kursverlauf von Aktien in Zwischenwahljahren deutlich von dem anderer Jahre unterscheidet“, meint Miller. Er habe festgestellt, dass Aktien in den ersten Monaten eines Jahres mit Zwischenwahlen tendenziell niedrigere Durchschnittsrenditen aufweisen und oft bis kurz vor der Wahl kaum an Boden gewinnen.

„Die Märkte mögen keine Unsicherheit – und dies scheint auch hier zuzutreffen“, so Miller. Zu Beginn des Jahres gebe es weniger Gewissheit über den Ausgang und die Auswirkungen der Wahl. In den Wochen vor einer Wahl würden die Märkte jedoch zu einer Erholung tendieren und stiegen auch nach Wahlschluss weiter an.

3. In Jahren mit Zwischenwahlen ist die Volatilität höher

Aufmerksamkeit auf Probleme des Landes, negative Kampagnenbotschaften und unklare politische Vorschläge – Wahlen können laut Miller sehr nervenaufreibend sein. Es sei daher nicht überraschend, dass die Marktvolatilität in Zwischenwahljahren höher sei, insbesondere in den Wochen vor dem Wahltag. Seit 1970 habe die durchschnittliche Standardabweichung der Renditen in Zwischenwahljahren bei fast 16 Prozent gelegen, verglichen mit 13 Prozent in allen anderen Jahren.

„Ich glaube nicht, dass es bei dieser Wahl anders sein wird“, sagt Miller. „Es könnte zu Turbulenzen kommen, und die Anleger sollten sich auf kurzfristige Volatilität einstellen, aber ich erwarte nicht, dass die Wahlergebnisse die Anlageergebnisse in die eine oder andere Richtung beeinflussen werden.“

4. Märkte haben nach Zwischenwahlen stark zugelegt 

Der Silberstreif am Horizont für Anleger sei, dass sich die Märkte in den Folgemonaten in der Regel kräftig erholen würden, und die Rallye, die oft kurz vor dem Wahltag einsetze, nicht nur eine kurzfristige Erscheinung sei. „Überdurchschnittliche Renditen sind typisch für das gesamte Jahr nach dem Wahlzyklus“, so Miller. Seit 1950 habe die durchschnittliche Einjahresrendite nach einer Zwischenwahl bei 15 Prozent gelegen. Das sei mehr als das Doppelte der Rendite aller anderen Jahre in einem ähnlichen Zeitraum.

5. Aktien haben sich unabhängig von der Regierung gut entwickelt

Es sei nichts falsch daran, wenn man sich wünscht, dass der bevorzugte Kandidat gewinne, aber Anleger könnten in Schwierigkeiten geraten, wenn sie den Wahlergebnissen zu viel Bedeutung beimessen. Das liege daran, dass Wahlen in der Vergangenheit wenig Einfluss auf die langfristigen Anlagerenditen gehabt hätten.

„Im Jahr 2020 fürchteten viele Anleger das Szenario einer ‚blauen Welle‘ oder eines demokratischen Wahlsieges“, meint Miller. „Doch trotz dieser Befürchtungen stieg der S&P 500 in den 14 Monaten nach der Wahl 2020 um 42 Prozent.“ Seit 1933 hätten die Märkte in allen Jahren, in denen eine einzige Partei das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses kontrollierte, im Durchschnitt zweistellige Renditen erzielt. Dies liege nur knapp unter den durchschnittlichen Gewinnen in Jahren mit einem gespaltenen Kongress, ein Szenario, das viele in diesem Jahr für sehr wahrscheinlich halten. Selbst das „ungünstigste“ Ergebnis – wenn die gegnerische Partei des Präsidenten den Kongress kontrolliert – habe eine solide durchschnittliche Kursrendite von 7,4 Prozent erzielt.

„Die Zwischenwahlen – und die Politik insgesamt – verursachen eine Menge Unsicherheit“, resümiert Miller. „Doch selbst wenn die Wahlen zu einer höheren Volatilität führen, besteht kein Grund, sie zu fürchten.“ Die Realität sei, dass langfristige Aktienrenditen aus dem Wert einzelner Unternehmen im Laufe der Zeit entstehen. Kluge Anleger würden gut daran tun, über die kurzfristigen Hochs und Tiefs hinwegzusehen und sich auf die langfristige Entwicklung zu konzentrieren. (ah)

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