Welcher Impact steckt in Artikel 9 Produkten?

Durch den Einzug von Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage müssen Finanzmarktteilnehmer (FMT) zum Schutz der Endanlegenden seit März 2021 ihre Finanzprodukte nach der Offenlegungsverordnung (SFDR) in Artikel 6, 8 oder 9 Produkte kategorisieren. Die aktuelle Praxis, Artikel 9 Produkte undifferenziert als Impact-Produkte zu bezeichnen, kann jedoch in die Irre führen. Um Impact-Washing zu vermeiden, sollten Fondsanbieter zusätzlich die Unterscheidung zwischen wirkungskompatiblen und wirkungseffektiven Investitionen beachten und kommunizieren.
25. März 2022

 

Artikel 9: wirkungskompatible oder wirkungseffektive Investitionen?

Beide Begriffe helfen nachzuvollziehen, inwiefern die Definition von Artikel 9 Produkten unklar ist. Zur Analyse der Definition lassen sich die aktuellen regulatorischen Vorschriften der SFDR auf Level 1 und die technischen Regulierungsstandards (RTS) heranziehen. Ein Finanzprodukt nach Artikel 9 strebt eine nachhaltige Investition an. Artikel 2 (17) der SFDR definiert nachhaltige Investition als „Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zur Erreichung eines Umweltziels“ oder „zur Erreichung eines sozialen Ziels beiträgt” vorausgesetzt, „dass diese Investitionen keines dieser Ziele erheblich beeinträchtigen” und die investierten Unternehmen Governance-Kriterien erfüllen. Die Definition legt demnach fest, dass die einer Investition zugrundeliegenden wirtschaftlichen Aktivitäten zur Erreichung eines Nachhaltigkeitsziels beitragen müssen (Unternehmens-Impact). Diese Darstellung erinnert daher an die Merkmale wirkungskompatibler Investitionen.

Demgegenüber steht Artikel 9 (3) SFDR, welcher in seiner Formulierung eher ein wirkungseffektives Investment beschreibt. So formuliert dieser, dass mit einem „Finanzprodukt eine Reduzierung der CO2-Emissionen angestrebt” werden kann. Anstelle der zugrundeliegenden nachhaltigen Investitionen liegt hier der Fokus auf dem Finanzprodukt, das zu einer CO2-Reduzierung beiträgt (Investor-Impact).

Ein weiteres Beispiel findet sich in Artikel 10 Abs. 1 Buchst. bSFDR, der Berichtsvorschriften für Artikel 8 und 9 Produkte auf den Internetseiten von FMT einführt: Artikel 9 Produkte müssen angeben, welche Methoden „angewandt werden, um […] die Auswirkungen der für das Finanzprodukt ausgewählten nachhaltigen Investitionen zu bewerten, zu messen und zu überwachen”. Da es hier um die Auswirkungen zugrundeliegender nachhaltiger Investitionen geht (Unternehmens-Impact), drängt sich das Verständnis von Artikel 9 Produkten als wirkungskompatible Investitionen auf. Allerdings wird im gleichen Absatz erläutert, dass Angaben „zu den relevanten Nachhaltigkeitsindikatoren, die zur Messung der […] Gesamtnachhaltigkeitsauswirkungen des Finanzprodukts herangezogen werden” gemacht werden müssen. Durch den klaren Bezug zu den „Gesamtnachhaltigkeitsauswirkungen des Finanzproduktes” betrachtet dieser Teil des Absatzes den Investor-Impact und legt die Gleichsetzung von Artikel 9 Produkten mit wirkungseffektiven Investitionen nahe.

Die begrifflichen Unklarheiten setzen sich auf Ebene der RTS fort. So müssen Artikel 9 Produkte laut Template in regelmäßigen Berichten darstellen, wie die dem Finanzprodukt zugrundeliegenden nachhaltigen Investitionen einen Beitrag zum angestrebten Nachhaltigkeitsziel geleistet haben: „describe how the sustainable investments contributed to the sustainable investment objective” (Annex IV SFDR-RTS S. 49). Da der Fokus auf den nachhaltigen Investitionen liegt, die dem Finanzprodukt zugrunde liegen, können Artikel 9 Produkte hier als wirkungskompatible Investitionen verstanden werden. Artikel 68 und 71 der RTS legen hingegen die Interpretation als wirkungseffektive Investitionen nahe. Artikel 68 verlangt ein Reporting über die Aktivitäten, die zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels umgesetzt wurden, „including shareholder engagement”. Artikel 71 schlägt die Darstellung der historischen Entwicklung der genutzten Nachhaltigkeitsindikatoren, beispielsweise anhand des „impact per euro invested” (Art. 71 Abs. 2 Buchst. a SFDR-RTS) vor. Damit wird in beiden Fällen auf die Wirkung des Finanzproduktes verwiesen (Investor-Impact).

Impact-Washing vermeiden

Die Kurzanalyse zeigt, dass nach aktuellem Stand der SFDR unklar zu sein scheint, ob es sich bei Artikel 9 Produkten um wirkungskompatible oder wirkungseffektive Investitionen handelt. Eine undifferenzierte Gleichsetzung von Impact- und Artikel 9 Produkten kann also in die Irre führen, wenn Anlegende unter Impact-Produkten nur wirkungseffektive Investitionen verstehen. Für Investierende, die mit ihrer Investition eine nachhaltige Veränderung anstreben, wird eine ehrliche Klassifizierung in wirkungskompatible oder wirkungseffektive Investitionen darum hilfreich sein. Auch weil die SFDR nur Transparenz- und keine Qualitätsanforderungen vorgibt, ist diese Unterscheidung sachdienlich. Der präzise Umgang mit Begrifflichkeiten und somit die transparente Kommunikation der Eigenschaften von Artikel 9 Produkten kann Missverständnissen vorbeugen und Impact-Washing entgegenwirken.

Autoren: Dr. Julia Hillmann, Eric Prüßner, Roland Kölsch
QNG (FNG-Siegel)

Foto: © Виталий Сова – stock.adobe.com

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