Neue Lösungen für bezahlbaren Wohnraum in Europa erforderlich

Der akute Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Europa hat sich seit Jahren abgezeichnet. Angesichts steigender Inflation, Energiekosten und Zinssätze stehen die Einkommen nun unter starkem Druck, was zu einer Versorgungslücke führt, die zu schließen schätzungsweise 57 Milliarden Euro pro Jahr erfordern würde. Der Bau neuer, qualitativ hochwertiger und effizienter Wohnungen an den richtigen Standorten, z. B. in den europäischen Großstädten, wo der Mangel am gravierendsten ist, ist sicherlich eine Lösung. Wegen der steigenden Grundstücks- und Baukosten ist es jedoch wirtschaftlich nicht mehr machbar, bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen. Die Baukosten sind in den letzten 18 Monaten um etwa 25 % gestiegen und es gibt keine Anzeichen für eine Umkehr des Inflationsdrucks.
19. April 2023
Craig Wright - Foto: © abrdn

Der akute Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Europa hat sich seit Jahren abgezeichnet. Angesichts steigender Inflation, Energiekosten und Zinssätze stehen die Einkommen nun unter starkem Druck, was zu einer Versorgungslücke führt, die zu schließen schätzungsweise 57 Milliarden Euro pro Jahr erfordern würde. Der Bau neuer, qualitativ hochwertiger und effizienter Wohnungen an den richtigen Standorten, z. B. in den europäischen Großstädten, wo der Mangel am gravierendsten ist, ist sicherlich eine Lösung. Wegen der steigenden Grundstücks- und Baukosten ist es jedoch wirtschaftlich nicht mehr machbar, bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen. Die Baukosten sind in den letzten 18 Monaten um etwa 25 % gestiegen und es gibt keine Anzeichen für eine Umkehr des Inflationsdrucks.

Investitionen fördern

Die Unterstützung durch den öffentlichen Sektor und die lokalen Behörden – in Form von fairen, langfristig stabilen Mietpreisen sowie Unterstützung bei der Sicherung von Grundstücken und der Bereitstellung von Subventionen – würde das Wachstum privater Investitionen enorm begünstigen und somit zu niedrigeren Mieten beitragen. Die Regierungen und Planungsabteilungen in ganz Europa müssen ihre Wohnungspolitik grundlegend überdenken. Die Freisetzung privater Investitionen durch die Subventionierung von Grundstückskäufen könnte angesichts der positiven Einstellung privater und institutioneller Investoren zu erschwinglichem Wohnraum eine überraschende Wirkung haben. Beim Verkauf von Grundstücken sollten die Kommunen nicht nur den angebotenen Preis berücksichtigen, sondern auch das Gesamtangebot im Hinblick auf das beste Konzept für erschwinglichen Wohnraum.

Lehren können vielleicht aus den politischen Entscheidungsprozessen in Deutschland und Frankreich gezogen werden, wo man sich bemüht, preiswertere Flächen für den Bau von erschwinglichen Wohnungen bereitzustellen. Subventionen oder öffentliche Mittel werden eingesetzt, um private Investitionen zu unterstützen, und geeignete öffentliche Grundstücke werden versteigert. Deutschland gewährt außerdem neue Subventionen für den Bau von Gebäuden, die klimafreundliche und energieeffiziente Standards erfüllen. Bei einem derzeitigen Wohnungsmangel von schätzungsweise 700.000 Wohneinheiten würde es jedoch noch etwa drei Jahre dauern, bis Deutschland diesen Mangel behoben hat – und das nur bei den derzeitigen Volumina, die weiterhin rückläufig sind. Es gibt also noch einiges zu tun.

Steigende Energiekosten und sinkende Reallöhne verschärfen Krise zusätzlich

Da die Reallöhne in der Eurozone im letzten Jahr um 5 % gesunken sind und die Energiekosten die Haushalte zusätzlich belasten, war der Mangel an bezahlbarem Wohnraum noch nie so offensichtlich wie heute. Daten der Weltbank zeigen, dass Griechenland mit über 40 % der Haushalte, die mehr als 40 % ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben, die Tabelle anführt. In Dänemark, Deutschland und den Niederlanden liegt diese Zahl bei etwa 20 % der Haushalte, während sie in Spanien, Italien und Großbritannien im niedrigen zweistelligen Bereich liegt. Besser sieht es in Schweden, Frankreich und Norwegen aus, wo zumindest in den Städten weniger als 10 % der Haushalte mehr als 40 % ihres Einkommens aufwenden müssen.

Ein wichtiger Faktor für die Erschwinglichkeit sind die Kosten für den Betrieb einer Wohnung, einschließlich der Energiekosten, der Instandhaltung und anderer Aufwendungen. Seit Anfang 2022 zahlen die Europäer im Durchschnitt 30 % mehr für Energierechnungen. Leider handelt es sich bei den meisten Wohnungen, die als erschwinglich eingestuft werden können, in der Regel um ältere Bestände, was bedeutet, dass die Nutzer von Wohnungen mit schlechterer Qualität unverhältnismäßig stark von höheren Energiekosten betroffen sind. Obwohl in ganz Europa daran gearbeitet wird, ältere Gebäude im Rahmen der neuen EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie zu modernisieren, die für 2030 eine verbindliche Energieeinsparung von 11,7 % vorschreibt, hemmt dieses groß angelegte Projekt auch den Neubau enorm. Und es überrascht nicht, dass der niedrige Energieverbrauch heutiger Neubauten in Verbindung mit einem effizienten Gebäudekonzept die monatliche Gesamtmiete einer modernen, zweckmäßig errichteten Immobilie erschwinglicher machen kann als eine alte und ineffiziente Wohnung, die eine niedrigere Miete pro Quadratmeter aufweist.

Es besteht also kein Zweifel, dass diese Herausforderungen in Verbindung mit steigenden Zinsen und Spannungen im Bankensektor den europäischen Sektor für bezahlbaren Wohnraum zusätzlich belasten. Solange keine neuen, kreativen Wege gefunden werden – in Zusammenarbeit von Regierungen, privatem und öffentlichem Sektor — um genügend effizienten Wohnraum zu schaffen und das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wieder zugunsten der Mieter zu verschieben, wird das Problem der Erschwinglichkeit ungelöst bleiben.

Grund für Optimismus

In der Zwischenzeit mangelt es nicht an dem Bestreben der Akteure, die Gesellschaft im Bereich der gebauten Umwelt über die Investorengemeinschaft positiv zu beeinflussen. Als verantwortungsbewusste Immobilieninvestoren stellen wir daher sicher, dass unsere Mieter zu Beginn ihres Mietverhältnisses nicht mehr als 30 % bis 40 % ihres verfügbaren Haushaltseinkommens (je nach nationalen Schwellenwerten) für ihre Miete ausgeben müssen. Darüber hinaus untersuchen wir die Investitionsmöglichkeiten für Projekte in den Bereichen gemeinschaftliches Wohnen, Mikro-Wohnen, Mehrfamilienhäuser, Seniorenwohnungen und Studentenwohnungen.

Auch für Investoren gibt es Grund, optimistisch zu bleiben. Die starken demografischen Trends, die die Nachfrageseite stützen, gepaart mit einem Mangel an qualitativ hochwertigem Angebot quer durch das Wohnungsökosystem, veranlassen uns zu einem starken Glauben an die langfristigen Fundamentaldaten des Sektors und an Investitionsmöglichkeiten. Und mit einer soliden Zusammenarbeit und dem Input der verschiedenen Interessengruppen lassen sich Möglichkeiten finden, die finanziell und ökologisch sinnvoll sind und gleichzeitig Lösungen für dieses schwierige und tief verwurzelte Problem bieten.

Gastautor: Craig Wright, Head of European Research, abrdn

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