“Micro Caps in der Kommerzialisierungsphase sind besonders spannend”

Investoren neigen dazu, den Blick auf die bekannten Dickschiffe zu legen. Doch auch die Aktien kleiner und kleinster Unternehmen bieten Anlegern Vorteile, wenngleich nicht in allen Märkten und im gleichen Ausmaß. Mit Blick nach vorne könnten Micro Caps gerade jetzt wieder interessant werden. Jonas Liegl ist Portfolio Manager Small & Mid Caps Europa bei Lupus alpha. Er legte im Interview mit der Chefredaktion dar, warum Micro Caps das bessere Private Equity sind.
19. September 2023
Jonas Liegl - Foto: © Lupus alpha

Investoren neigen dazu, den Blick auf die bekannten Dickschiffe zu legen. Doch auch die Aktien kleiner und kleinster Unternehmen bieten Anlegern Vorteile, wenngleich nicht in allen Märkten und im gleichen Ausmaß. Mit Blick nach vorne könnten Micro Caps gerade jetzt wieder interessant werden. Jonas Liegl ist Portfolio Manager Small & Mid Caps Europa bei Lupus alpha. Er legte im Interview mit der Chefredaktion dar, warum Micro Caps das bessere Private Equity sind.

INTELLIGENT INVESTORS: Herr Liegl, Sie sagen, Micro Caps sind das bessere Private Equity. Nun sind das zwei sehr unterschiedliche Anlageklassen. An welcher Stelle passt dieser Vergleich?
Jonas Liegl: Private-Equity-Strategien legen ihren Schwerpunkt in der Regel auf ganz bestimmte Unternehmensphasen. Ich vergleiche Micro Caps hier mit so genannten „Expansion Stage“ PE-Fonds, die in wachstumsstarke, meist noch junge Unternehmen investieren. Letztlich ist es der gleiche Unternehmenspool, nur dass die einen ihr Wachstumskapital zunächst über Private Equity und die anderen direkt an der Börse einsammeln.

II: Es geht Ihnen also nur darum, auf welche Weise man in die Unternehmen investiert?
Liegl: Vor allem das, aber nicht ganz. Ich bin auch davon überzeugt, dass es nicht selten die besseren Unternehmen sind, die direkt an die Börse gehen, ohne erst den Umweg über Private Equity machen. Denn meist ist ein IPO für Gründer der lukrativste Weg, neues Kapital aufzunehmen, um das zukünftige Wachstum zu finanzieren und gleichzeitig weiterhin von einer erfolgreichen Entwicklung zu profitieren. Der Anreiz ist also stark, diesen Schritt zu gehen, wenn die Wachstumsperspektiven gut sind. Aber natürlich muss ich vor einem Investment sehr in die Details des Geschäftsmodells einsteigen, um mir im konkreten Fall ein Urteil zu bilden.

II: Worin liegt der besondere Reiz von Micro Caps?
Liegl: Micro Caps in der Kommerzialisierungsphase sind besonders spannend. Deren Geschäftsmodell hat sich am Markt schon bewährt und jetzt treten sie in ihre stärkste Wachstumsphase ein. Solche Unternehmen unterstützen wir mit Wachstumskapital darin, richtig durchzustarten. Wenn dann der breitere Markt auf sie aufmerksam wird, sind wir schon mit an Bord und können an einer oft sehr guten Kursentwicklung teilnehmen.

II: Das geht mit Private Equity ja auch …
Liegl: Grundsätzlich schon, aber die besten Zeiten könnten für PE-Fonds erst einmal vorbei sein. Denn sie erreichen ihre Renditen sehr oft mit einem hohen Fremdkapitalhebel. Doch mit den seit 2022 stark gestiegenen Zinsen wiegen Faktoren wie der Fremdfinanzierungsanteil und die für Investoren sehr lange Kapitalbindung deutlich schwerer. Die Auswirkungen der Zinswende auf Private Equity sind jetzt schon unübersehbar: Mittelzusagen, Unternehmenskäufe, Exits, alles ging zuletzt drastisch zurück. Das belegt die Skepsis im Markt.

II: Und Micro Caps versprechen eine bessere Rendite?
Liegl: Für Private Equity wird es deutlich schwerer. Natürlich werden die besten PE-Fonds für ihre Investoren auch weiterhin gute Renditen erzielen. Nur ist der Zugang zu diesen Anbietern, die ihrerseits Zugang zu den attraktivsten Unternehmens-Deals haben, sehr begrenzt. Die wenigsten Investoren können sich an ihren Fonds beteiligen. Dem Rest bleiben die Anbieter mit den nicht ganz so aussichtsreichen Unternehmensportfolios. Zu börsengehandelten Micro Caps dagegen hat jeder jederzeit Zugang. Und historisch haben sie die attraktivsten Renditen im liquiden europäischen Markt erzielt.

II: Was ist das für ein Markt?
Liegl: An den Börsen Europas werden etwa 2.000 Micro Caps mit einer Marktkapitalisierung von 50 Millionen bis einer Milliarde Euro gehandelt. In diesem Universum finden sich zahlreiche Unternehmen, die erstens über ausreichend Liquidität an der Börse verfügen, zweitens einen teilweise steilen Wachstumspfad eingeschlagen haben und sich drittens weitgehend unter dem Radar der meisten Analysten bewegen. Ihr großes Potenzial wird vom breiten Markt also noch gar nicht erkannt – hier liegt die Chance für aktive Manager.

II: Die besten Unternehmen muss man hier erst einmal finden …
Liegl: Als fundamental arbeitender Stock Picker kann ich aus einem großen, investierbaren Anlageuniversum die aussichtsreichsten Werte auswählen. Für mich sind eine vielversprechende Wachstumsstory, gesunde Bilanzrelationen wie eine niedrige Nettoverschuldung und hohe Kapitalrenditen sehr wichtig. Außerdem achte ich auf weichere Faktoren wie die Qualität des Managements und eine gute Corporate Governance. Unverzichtbar für mich ist außerdem der regelmäßige Austausch mit dem Management. Die Renditetreiber liegen letztlich in der langfristigen Marktrendite für Micro Caps und im Alphapotenzial, das die eingeschränkte Markttransparenz und aktives Management mit sich bringen. Insgesamt ergibt sich aus vielen Puzzleteilen ein Gesamtbild und damit die Chance, auf direktem Wege in gute Wachstumswerte zu investieren.

II: Was ich mir bei Private Equity aber erspare, ist die hohe Volatilität.
Liegl: Das ist richtig, gilt aber nur aufgrund der langen Kapitalbindung und der damit verbundenen vollkommen intransparenten Bewertung. Private Equity kann dem Investor in der nächsten Finanzierungsrunde oder spätestens beim Verkauf unschöne Überraschungen bei der Unternehmensbewertung bereiten. Micro Caps bieten viel mehr Transparenz, weil sie dank täglicher Kursfeststellung ein marktnahes Risikomanagement ermöglichen. Und das bedeutet auch, dass sich der Micro-Cap-Investor bei einer ungünstigen Geschäftsentwicklung schnell von seiner Aktie trennen kann. Ein PE-Investment dagegen ist mit einem festen Commitment über meist sieben oder acht Jahre verbunden. Der Ausgang ist völlig ungewiss.

II: Bei Micro Caps spüre ich den Schmerz also einfach früher.
Liegl: Durchaus, empfindliche Drawdown inbegriffen. Aber bei den PE-Fonds mit ihrer geringen Bewertungsfrequenz kommen eventuelle Wertminderungen bei einzelnen Unternehmen zunächst gar nicht im Portfolio an – mit entsprechendem negativen Überraschungspotenzial. Mit Micro Caps dagegen bleibe ich jederzeit handlungsfähig, und darauf kommt es an.

II: Aktuell hinkt allerdings das gesamte Segment dem Markt hinterher …
Liegl: Ja, noch. Erfahrungsgemäß sind gerade Micro Caps in Risk-off-Phasen von spürbaren Kursverlusten betroffen. Auch die starken Kursrückgänge 2022 haben ihre Bewertungen auf deutlich tiefere Niveaus fallen lassen. Jetzt erleben wir, dass Investoren geradezu in Large Caps flüchten, während die Micro Caps hinterherhinken. Diesen Rückstand holen sie in der Regel früher oder später auf. Und wenn, dann schnell und kräftig. Für langfristig orientierte Investoren kann das eine gute Gelegenheit zum Einstieg sein.

 

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