Marktumfeld bietet Chancen für aktives Management

INTELLIGENT INVESTORS im Interview mit Julie Dickson, Capital Group zu Aktien, Anleihen und dem traditionellen 60/40-Portfolio.
9. April 2023
Julie Dickson micha@michatheiner.com http:///www.michatheiner. com / Capital Group

INTELLIGENT INVESTORS: Frau Dickson, nach dem schwachen Jahr 2022 fragen sich viele Anleger: gehört das traditonelle 60/40-Portfolio – also 60 Prozent Aktien, 40 Prozent Anleihen – nun der Vergangenheit an?

Julie Dickson: 2022 haben die globalen Aktienmärkte starke Rückgänge verzeichnet, daher wird der 60/40-Ansatz verständlicherweise in Frage gestellt. Der Rückgang folgte auf einen Marktzyklus, der von niedriger Inflation, niedrigen Zinsen und quantitativen Lockerungen geprägt war. 2022 haben sich diese Faktoren um 180 Grad gedreht. Die aktuelle Phase ist gekennzeichnet von hoher Inflation und höheren Zinssätzen, was zu einer Korrelation zwischen Aktien und festverzinslichen Wertpapieren führte, welche seit 20 Jahren nicht mehr auf diesem Niveau war.

Die unsichere Geldpolitik, die nachlassende Weltkonjunktur, der Krieg gegen die Ukraine und der Wechsel der Marktführerschaft von Growth- zu Valuewerten haben dazu geführt, dass konservativere Anleger, nach Anlagelösungen suchen, die langfristiges Kurspotenzial, aber auch Kapitalschutz und laufenden Ertrag bieten. 60/40-Portfolios sind genau dafür geschaffen. Meiner Meinung nach ist ein einzelnes schwaches Jahr kein Grund, an den langfristigen Stärken der Strategie zu zweifeln.

II: Welche Rolle wird die Inflationsdynamik bei den Anleihenrenditen in diesem Jahr spielen?

Dickson: Die Korrelationen zwischen internationalen Aktien und internationalen Anleihen könnten sich wieder normalisieren, sobald die Inflation wieder fällt. Eine hohe Inflation geht oftmals mit einer engen Korrelation zwischen Aktien und Anleihen einher. Das lässt sich dadurch erklären, dass bei einer steigenden Teuerung auch die Inflationserwartungen unsicherer werden. Für Anleihen könnten dann höhere Risikoprämien verlangt werden, sodass ihre Kurse fallen. Allerdings führen hohe Inflation und hohe Anleihenrenditen auch zu höheren Diskontfaktoren für die zukünftigen Unternehmensgewinne, was wiederum die Aktienkurse schwächt. Das schadet dem Erfolg des 60/40 Konzepts, da die unterschiedliche Entwicklung von Aktien und Anleihen eine wichtige Voraussetzung für dessen Erfolg darstellt.

II: Gibt es positive Signale, dass sich diese Korrelation kurzfristig normalisieren wird?

Dickson: Tatsächlich kommen aktuell positive Signale aus den Vereinigten Staaten: Die Inflation ist dort bereits gefallen und die Fed hat auf ihrer Sitzung im März den Leitzins nur noch um 25 Basispunkte angehoben. Zuvor wurde der Leitzins einmal um 50 und davor viermal um 75 Basispunkte angehoben. Auch im Licht der aktuelle Bankensituation, wird die Fed die Zinserhöhungen wahrscheinlich weiter verlangsamen, vorausgesetzt die Inflation fällt weiter. Qualitätsanleihen könnten dadurch stabiler sein und höheren Ertrag bieten. Eine geringere Inflation wäre außerdem gut für Aktien, da die Gewinnmargen bei fallenden Kapitalkosten steigen.

II: Wann werden die Aktienkurse wieder steigen?

Dickson: Rezessionen sind schmerzhaft, aber dauern meist nicht lange. Unsere Analyse von elf US-Zyklen seit 1950 zeigt, dass die Rezessionen zwischen zwei und 18 Monaten dauerten, wobei der Durchschnitt bei etwa zehn Monaten lag. Außerdem hat sich gezeigt, dass sich Aktien meist schon erholen, bevor die Rezession vorbei ist. Fast alle großen Aktienmärkte waren 2022 bereits gefallen, bevor die Konjunktur nachließ, und befanden sich spätestens Mitte 2022 in der Baisse. Aktienkurse erholen sich jedoch auch bereits, wenn die Konjunktur noch schwächelt. Sollte sich diese Geschichte wiederholen, könnten sie bereits gut sechs Monate vor Beginn der Konjunkturerholung wieder steigen.

II: Auf was müssen aktive Manager, die 60/40-Portfolios verwalten, jetzt achten?

Dickson: Für aktive Manager bietet das aktuelle Marktumfeld vielfältige Chancen. Dividenden spielen, durch den Führungswechsel von Growth- zu Valuewerten beispielweise wieder eine Rolle. In den 2010ern, in denen Growthwerte den Markt dominierten,  betrug der Dividenden-Anteil gerade mal 16 Prozent am Gesamtertrag des S&P 500 Index. Langfristig betrug ihr Anteil aber durchschnittlich 38 Prozent und während der Hochinflationsphase in den 1970ern waren es sogar über 70 Prozent. Auch die Neubewertung vieler traditioneller Wachstumssektoren wie Software, soziale Medien, digitaler Zahlungsverkehr und Halbleiter könnte einzelwertorientierten Investoren Chancen bieten. Für gute Erträge müssen sie Unternehmen finden, die mit dem neuen Umfeld zurechtkommen – mit höheren Zinsen, knapperem Kapital, veränderten Lieferketten und höheren Arbeitskosten.

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