Die Mutlosigkeit institutioneller Anleger im Umgang mit Sustainability

30. Juni 2020

Im Jahr 2005 lud der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan eine Gruppe der weltweit größten institutionellen 
 Investoren ein, um gemeinsam die Principles for Responsible Investment (PRI) zu entwickeln. Eine 20-köpfige Investorengruppe, unterstützt von 70 Experten aus der Asset Management Industrie von zwischenstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft, arbeiteten jene Prinzipien aus, die im April 2006 an der NYSE veröffentlicht wurden.

Trotz der relativ frühzeitigen Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit, blieb ESG-Compliance für rund zehn Jahre ein vermarktungsaffines Feigenblatt einiger weniger professioneller Anleger. Erst als im Jahr 2015 die SDGs durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen und der UN Climate Change Conference in Paris verbindlich beschlossen wurden, änderte sich das Momentum. Erinnert sei hier an die als Weckruf gemeinte Rede des Bank of England Gouverneurs Mark Carney im September 2015 (“Breaking the tragedy of the horizon – climate change and financial stability”).

Seitdem beschreiben ESG-compliant investing, responsible investing, sustainable investing, green finance und ähnliche Begriffe den Versuch, den SDG-Wirkungsgrad einer Anlageentscheidung zu vermessen. Eine nachvollziehbare Trial-and-Error Spirale begann im Austausch zwischen institutionellen Investoren, Regulatoren und politischen Entscheidern, durch die die Lernkurve im Vermessen von intendiertem SDG-Impact steiler gestellt wurde. Diese Lernbewegung mündete in normative Orientierungspunkte wie der erst kürzlich ausverhandelten EU-Taxonomie-Verordnung.

SDG Compliance & Wettbewerbsfähigkeit

Professionelle Anleger kritisierten die Re-Regulierungswelle seit der Finanzkrise 2008-09. Die Kritik richtete sich auf die Vielzahl an neuen Pflichten in der Ablauforganisation und ‑dokumentation und den darauf aufbauenden Berichtspflichten, siehe MiFID II oder Solvency II. Regulatoren wird vorgeworfen, für einen nun bürokratisch überladenen Anlageprozess verantwortlich zu sein. Die Kritik ist in Teilen fundiert, vernachlässigt aber die eigene Trägheit speziell von institutionellen Investoren, den weiterhin gebotenen Freiraum zu nutzen. Beispielhaft sei die Business Judgement Rule (BJR) erwähnt, durch die dem professionellen Anleger der Freiraum von unternehmerischem Denken und Handeln gegeben wird, ohne dass Haftungsrisiken schlagend werden können. Der Safe-Harbor Charakter ist gegeben, sofern Haftungsorgane unbefangen, sachkundig, im guten Glauben und in der Überzeugung, im besten Interesse des Prinzipals zu handeln oder gehandelt zu haben. Diese Bedingungen könnten allerdings auch ohne BJR von einem professionellen Kapitalmarktteilnehmer erwartet werden.

Unsere Erfahrung zeigt, dass die BJR bürokratisch interpretiert wird, man als Stiftungsvorstand oder Treuhänder, also als ein Anleger mit fiduciary duties (Treuepflichten), die BJR Dokumentationsvorschriften zwar befolgt, deren Intention aber ignoriert. So wird das nichts. Ein Gesetz kommt nicht nur mit einer Vorgabe, sondern auch mit einem intendierten Zweck. Es benötigt daher die intrinsische Motivation und die Kompetenz des Entscheiders, um der Intention einer Vorgabe entsprechen zu können. Hier endet die Plausibilität der Kritik der professionellen Anleger an den Regulatoren. Hier beginnt die Eigenverantwortung der Anlageentscheider sichtbar zu werden und ob man dieser gerecht werden kann, respektive will. Wenn nicht, zeigt sich zumindest, ob die Trägheit in der Anwendung durch Unwillen, Inkompetenz oder Ängstlichkeit erklärt ist.

Seit 2016 signalisieren die Regulatoren verstanden zu haben, dass ein Mehr an Regeln nicht zwingend die Markteffizienz erhöht. Folglich fokussieren sie ihren Beitrag auf das Etablieren einer Compliance-Kultur, die eine bessere Qualität in der Anlageentscheidung zur Folge haben soll. Die für das Jahr 2020 angesetzten Reviews von MiFID II und Solvency II atmen eben diesen Geist. Regulatoren wollen den professionellen Anleger stärker in die Verantwortung nehmen, das Richtige richtig zu tun. Jene, die bereits heute den ESG Status mit ESG Screenings erheben, haben in ihren Routinen einen Vorteil für das nun Anstehende.

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