Die Mutlosigkeit institutioneller Anleger im Umgang mit Sustainability

30. Juni 2020

Der Lackmustest 2019/2088

Denn neben den Reviews bietet sich den Regulatoren eine große Gelegenheit, den genannten Kulturwandel einzuleiten. Bis März 2021 müssen professionelle Anleger der EU-Verordnung 2019/2088 entsprechen (Sustainability Disclosure Regulation/ nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor). Sie ist die Übersetzung der klimafokussierten Taxonomie in konkrete Handlungsroutinen für professionelle Anleger, wie der SDG-Wirkungsgrad einer Anlageentscheidung zu vermessen ist.
Man kann nun der Verordnung wie gewohnt durch Ergänzen eines weiteren Compliance Layers entsprechen oder die Chance wahrnehmen, den administrativ überladenen Anlageprozess zu verschlanken, die eigene Trägheit im Nutzen von Freiräumen zu reduzieren und wettbewerbsfähiger zu werden. PRI und deren Fiduciary Working Group sind klar darin, dass ein rein administratives Abhandeln nicht in deren Sinne ist. Es braucht also ein kausales Verständnis, wie ein Anlageprozess zu den SDGs beiträgt. Eine verbesserte Wettbewerbsposition durch innovative Spezialisierung wäre die Konsequenz.

Narratives Reporting

Kausalität trägt die Spielanordnung des Lebens. Leben verläuft daher pfadabhängig.

Professionelle Anleger ignorierten diese basale Einsicht seit Beginn der modernen Zeitrechnung von Portfoliokonstruktionsmethoden in den 1950ern. Die Dominanz von korrelationsbasiertem Verständnis volatilitätsbezogener Risikofaktoren war die Folge. Durch die 2019/2088-Vorgabe, den SDG-Wirkungsgrad einer Anlageentscheidung zu vermessen, dringt das notwendige Verständnis kausalen Denkens wieder durch. In der Sprache der Regulatoren ausgedrückt: Narratives Reporting wird verstärkt erwartet. Anstatt von Datenpunkten muss der professionelle Anleger nun die Anlagehypothese artikulieren, wie die Datenpunkte evidenzbasiert verbunden wurden. Regulatoren sind klar darin, dass dies mit Auditoren-Checklisten, Scoring-Modellen und ESG Ratings nicht getan ist. Dieser Zugang wäre zwar einfach umzusetzen, entspräche aber wieder einem Auslagern des Verständnisses, weshalb, wie investiert wurde. Kausales, evidenzbasiertes Formulieren einer Anlagehypothese und ihrem Monitoring wird zum Standard. Ein Kulturbruch.

Woher kommt diese regulatorische Überlegung, den genannten Kulturwandel via 2019–2088 in Richtung narratives Reporting einzuleiten? Im Jänner 2016 initiierten PRI und UNEP FI (Finance Initiative) ein vierjähriges Projekt, um “investor obligations and duties (= fiduciary duties) in relation to the integration of environmental, social and governance (ESG) issues in investment practice and decision making” zu klären. Deren Erkenntnisse wurden im “Fiduciary Duty in the 21st century – Final Report” erläutert. Der SEC Commissioner fasst eloquent zusammen: “What you need to be is rigorous. What you must have is an explanation for the choices you make.” Die europäischen SDG-Direktiven atmen diesen Geist und begeben sich weltweit in eine Vorreiterrolle. Erste Asset Manager ziehen mit Aktionsplänen nach. XXX Asset Management: „Wir wollen ESG als Entscheidungskriterium in alle XXX Anlageprozesse und Abstimmungsrichtlinien integrieren. Dazu haben wir neun Ziele formuliert, die wir bis Ende 2021 umsetzen wollen. Unser Bekenntnis zu verantwortungsbewusster Vermögensanlage ist Ausdruck unserer Treuepflicht gegenüber Kunden ebenso wie unserer Überzeugung, dass ESG-konforme Asset Manager langfristig erfolgreicher sein werden.“

Das Rennen ist eröffnet.

Autor : Markus Schuller,
Managing Partner, Panthera Solutions Sarl /
Applied Behavioral Finance Specialist

Foto: © MoBIoS — stock.adobe.com

 

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