Das erste Quartal 2024 liegt hinter uns. An den Kapitalmärkten überwogen die positiven Vorzeichen. Insbesondere die bereits in der Vergangenheit hoch gepriesenen Mega-Caps standen ‑zumindest zeitweise- wieder im Fokus des Interesses. Überlagert wird die Lage von den abebbenden Inflationszahlen dies- und jenseits des Atlantiks. INTELLIGENT INVESTORS sprach in einem kurzen Q&A mit Pascal Kielkopf, Kapitalmarktanalyst von HQ Trust.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Kielkopf, die Inflation ist weiter auf dem Rückzug. Gleichzeitig wird viel über Zeitpunkt und Höhe der Zinsschritte diskutiert. Wie werden die Märkte nach Ihrer Meinung auf die ersten Zinssenkungen reagieren? Ist gar vieles eingepreist?
Pascal Kielkopf: Aktuell spekulieren die Märkte noch darauf, wann die EZB und FED damit beginnen werden, die Zinsen wieder zu senken. Die meisten Analysten gehen aktuell von Juni oder Juli aus – so wie es auch aktuell an den Kapitalmärkten gepreist wird. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Märkte den zukünftigen Zinspfad, je näher die Zinsentscheidungen rücken, bereits vorweg richtig einpreisen. Am Sitzungstag selbst kommt es in der Regel dann zu keiner Überraschung mehr.
Die spannende Phase ist daher meist bereits in den rund ein bis sechs Monaten vor den Zinsentscheidungen, in denen die Marktteilnehmer sensibel auf jede Veröffentlichung von Konjunktur- und Preisdaten, sowie jede Äußerung von den Zentralbankern reagieren. Die Inflationszahlen sind zwar bereits deutlich zurückgekommen, verharren in den USA aktuell jedoch bei knapp über 3 %. Die Konjunkturdaten fallen zudem nach wie vor sehr solide aus. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass die zu Jahresbeginn vorherrschende Erwartung eines Zinssenkungsbeginns bereits im März, sowie zahlreichen weiteren Senkungen in diesem Jahr wieder revidiert wurde. Sollte die konjunkturelle Lage stabil bleiben, erscheinen in den USA zwei bis drei Zinsschritte à 25 Basispunkten nach unten aktuell am wahrscheinlichsten. Die EZB steht wegen der divergenten Entwicklung der Inflationsraten in den verschiedenen Ländern der Eurozone vor einer größeren Herausforderung. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass die Währungshüter ein zu starkes Abkühlen in den bereits jetzt konjunkturell angeschlagenen Mitgliedsländern verhindern will und daher die Zinsen bereits früher und bis Jahresende auch stärker als die FED senken wird.
II: Ein weiteres Thema, das vielen Anlegern unten den Fingern brennt, ist derzeit der Kampf der Großen gegen die vermeintlich Kleinen. Mit Blick auf die Historie, haben „die“ Nebenwerte die Talsohle durchschritten? In welcher Phase des Wirtschaftszyklus performten Aktien der 2./3. Reihe besonders gut?
Kielkopf: Im Vergleich zur fantastischen Performance der Mega-Cap-Aktien in den vergangenen zwölf Monaten scheinen die Aktien der 2. und 3. Reihe ziemlich abgeschlagen zu sein. Hier lohnt es sich jedoch den betrachteten Zeitraum etwas zu erweitern: Dem Boom im Jahr 2023 ging das schwache Jahr 2022 voraus, in dem die Big-Tech-Aktien besonders unter Druck kamen – Value-Aktien, Mid- und Small Caps hingegen deutlich weniger verloren. In der Zwei-Jahres-Sicht sind die Mid-Cap- und Value-Aktien dann gar nicht mehr so weit hinten. Einzig die Small Caps, die am sensibelsten auf das nach wie vor hohe Zinsumfeld reagieren, sind weiter abgeschlagen.
Das Bewertungsniveau der kleinen Aktien ist mittlerweile allerdings auch bereits so weit abgeschlagen, dass vor allem in der mittleren Frist die Chancen größer als die Risiken erscheinen. Die Kursaufschläge der Mega-Cap-Aktien beruhen zwar auf einem Fundament: Die Gewinne sprudeln. In den erreichten Bewertungen ist allerdings auch sehr viel Wachstumsfantasie eingepreist, bei denen Zweifel geäußert werden können, ob dies allen Unternehmen so gelingen wird.
II: Douglas und Reddit haben den Sprung an die Börse 2024 bereits gewagt. Wann glückte der Börsengang (kurz- bis mittelfristig) im Interesse der Investoren?
Kielkopf: Auf lange Sicht hat es sich nicht gelohnt, sich Börsenneulinge ins Depot zu legen: Im Schnitt blieben sie mit ihrer Performance deutlich hinter den breiten Marktindizes zurück. Während der marktbreite Aktienindex MSCI ACWI im Zeitraum von September 2011 bis Mitte März 2024 auf ein Plus von 12,0 % pro Jahr kam, legte der FTSE Renaissance Global IPO Index „nur“ um 9,5 % p.a. zu. Die Underperformance der Neulinge könnte daran liegen, dass diese oft nur mit einem kleineren Teil der Aktien an der Börse starten. Später geben die Alteigentümer dann weitere Anteilsscheine ab, was die Kursentwicklung dämpfen kann.
II: Zeitenwende: Im Herbst 2021 titelte das Handelsblatt „Wie weit steigen die Zinsen in den Schwellenländern noch?“ Im Spätsommer des vergangenen Jahres kam es zu ersten Zinssenkungen. Welche (unterschiedlichen) Gründe wurden für die Senkungen herangezogen?
Kielkopf: Um die Währung stabil zu halten, erhöhen die Zentralbanken der Schwellenländer bei steigenden Inflationsraten meist recht zügig die Zinsen. In Brasilien etwa zog die Inflation bereits ab Sommer 2020 spürbar an. Daher begann die brasilianische Zentralbank bereits im Februar 2021 damit die Zinsen anzuheben – als die Inflation bereits bei 5 % stand. Im April 2022 erreichte sie mit 12 % ihr Maximum und kam seitdem wieder deutlich zurück, im August 2023 lag sie bei nur noch bei 4,5 %, was es der Zentralbank erlaubte die Zinsen wieder zu senken. Die Zeitspanne zwischen der letzten Zinserhöhung und der ersten Senkung betrug in den neun betrachteten Ländern im Median zwölf Monaten. Dies entspricht auch ungefähr dem Zeitpunkt, wenn von der EZB und Fed die ersten Zinssenkungen erwartet werden.
II: Abschließend – die Magnificent 7 sind mittlerweile vielen Anlegern ein Begriff. Sie haben in einer Analyse geschaut, wer im Windschatten dieser Unternehmen ebenfalls gut performt hat. Welche Erkenntnisse gab es?
Kielkopf: Wenig überraschend sind es vor allem Technologiewerte, die eng an der Entwicklung der Großen 7 hängen. 19 der 20 Aktien mit der höchsten Korrelation zu den Magnificent 7 stammen aus dem Halbleiter- oder Software-Segment. Untersucht wurden jedoch auch die Aktien, die sich am gegenläufigsten entwickelten: Unter den 6 Unternehmen mit der höchsten negativen Korrelation befinden sich mit Hartford, Allstate, Chubb, Travelers und Globe Life gleich 5 Versicherungen. Zudem finden sich hier Unternehmen aus dem Konsumgüter- und Energie-Segment.