Nicht alle Auswirkungen des Brexits sind bereits realisiert oder sichtbar

28. September 2021

Der Brexit war/ist für die britische Wirtschaft eine Zäsur. Doch wie steht der britische Immobilienmarkt in 2021 da? Die Redaktion von INTELLIGENT INVESTORS hatte die Gelegenheit eines Gesprächs mit Kim Politzer, Director of Research, European Real Estate bei Fidelity International.

INTELLIGENT INVESTORS: Die britische Wirtschaft hat unter der Pandemie arg gelitten. Erstaunlicherweise zeigte sich der Immobiliensektor äußerst robust. Welche Gründe lassen sich hierfür anführen, Mrs. Politzer?
Kim Politzer: Immobilienmärkte reagieren in der Regel sehr viel langsamer auf Marktverwerfungen als traditionelle Anlageklassen. Daher kann der Eindruck entstehen, dass es auf dem britischen Immobilienmarkt keine nennenswerten Auswirkungen durch COVID gegeben hat. Der Immobilienmarkt als Ganzes ist während der Pandemie nicht wirklich in Bedrängnis geraten. Es gibt immer noch reichlich Kapital und genügend kaufwillige Anleger. Trotz eines Rückganges im Investitionsvolumens, hält sich der Immobilienmarkt gut. Einzelne Immobiliensektoren sind von COVID betroffen, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Durch staatliche Einschränkungen und harte Lockdowns ist der Einzelhandel der am stärksten betroffene Sektor. Für den Bürosektor ist es noch zu früh für eine Prognose. Insgesamt hat sich alles so entwickelt, wie wir es erwartet haben, aber noch ist es zu früh, um zu sagen, wie sich die Pandemie ganzheitlich auf den Markt ausgewirkt hat.

II: Wie wird sich nach Ihrer Ansicht der Wohnungsmarkt nach Abschaffung der Stempelsteuer mittel- bis längerfristig entwickeln?
Politzer: Die teilweise Befreiung von der Stempelsteuer bei Hauskäufen als Anreiz für den Immobilienmarkt ab Juli 2020 hat zu einem sprunghaften Anstieg des Transaktionsvolumens und der Preise geführt. Viele versuchten, ihren Immobilienkauf noch vor dem Ablauf Ende Juni 2021 abzuschließen. In den nächsten sechs Monate ist ein Rückgang im Kaufvolumen von Wohnimmobilien wahrscheinlich, aber wir rechnen nicht mit einem großen Werteinbruch oder gar einem Zusammenbruch des Marktes, solange die Hypothekenzahlungen niedrig bleiben. Es herrscht nach wie vor Angebotsknappheit. Mittel- bis langfristig erwarten wir, dass der britische Wohnungsmarkt stabil bleibt. Es handelt sich allerdings um einen Markt, der stark an das Zinsniveau gekoppelt ist und somit mit Inflation ansteigen kann.

II: Sind denn schon alle Folgen des Brexits zu sehen bzw. eingepreist?
Politzer: Nicht alle Auswirkungen des Brexits sind bereits realisiert oder sichtbar. Dies ist ein längerer Prozess; beispielsweise ist noch ungewiss, wie Großbritannien mit dem Risiko einer schottischen Unabhängigkeit umgehen wird. Wo genau es zu Disruptionen kommen wird und welche Folgen dies für den Markt haben wird, wird sich wohl erst in ein oder zwei Jahren zeigen. Lebensmittelexporte in die EU wurden z. B. wirklich hart getroffen. Allein der starke Export von Schalentieren ist so gut wie verschwunden. Das wird Auswirkungen auf Nischenbereiche der britischen Produktion und Lagerhaltung haben, weil insbesondere bei verderblichen Waren Unternehmen nicht einfach ihren Zielmarkt wechseln können.

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