Was die Anpassung der Stiftungsgesetze bedeutet

Um das Stiftungswesen in Deutschland weiter zu stärken, hat der Gesetzgeber die Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsrechts und eines Stiftungsregisters beschlossen. Die Bundesländer stehen jetzt vor der Aufgabe, ihre eigenen Stiftungsgesetze bis zu diesem Stichtag an die Änderungen des BGB anzupassen. Gerade hinsichtlich der Vermögensverwaltung für Stiftungen spielen die neuen Regeln eine herausragende Rolle. Stiftungen erhalten mehr Flexibilität im Umgang mit dem Stiftungsvermögen.
15. November 2022
Stefan Rattay - Foto: © Frank Kind / WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft

Um das Stiftungswesen in Deutschland weiter zu stärken, hat der Gesetzgeber die Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsrechts und eines Stiftungsregisters beschlossen. Die Bundesländer stehen jetzt vor der Aufgabe, ihre eigenen Stiftungsgesetze bis zu diesem Stichtag an die Änderungen des BGB anzupassen. Gerade hinsichtlich der Vermögensverwaltung für Stiftungen spielen die neuen Regeln eine herausragende Rolle. Stiftungen erhalten mehr Flexibilität im Umgang mit dem Stiftungsvermögen.

Trotz der Covid-19-Krise hat sich die deutsche Stiftungslandschaft positiv entwickelt. Im Jahr 2021 sind in Deutschland 863 neue Stiftungen gegründet worden, 473 davon sind steuerbegünstigt. Das bedeutet einen Zuwachs von 3,2 Prozent (2020: 2,8 Prozent). Insgesamt gibt es in Deutschland jetzt 24.650 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Der Gesetzgeber will diese gute Entwicklung unterstützen und hat daher die Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsrechts und eines Stiftungsregisters beschlossen. Das neue Recht tritt zweistufig, einmal am 1. Juli 2023 und ein weiterer Teil am 1. Juni 2026, in Kraft. Damit wird das Stiftungsprivatrecht abschließend und bundeseinheitlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Das neue Stiftungsrecht sieht keine Unterscheidung zwischen privatnützigen und gemeinnützigen Stiftungen vor und gilt daher für alle Stiftungen gleichermaßen – unabhängig davon, ob es sich um Verbrauchs‑, Ewigkeits‑, gemeinnützige oder privatnützige Familien- oder Unternehmensstiftungen handelt.

Gewinne aus der Umschichtung von Vermögensgegenständen für Zweckverwirklichung

Im Mittelpunkt stehen neue Regelungen zur Vermögensverwaltung von Stiftungen. Diese müssen ihren satzungsgemäßen Zweck aus den Erträgen ihres Vermögens erfüllen. Doch gerade in der seit Jahren laufenden Niedrigzinsphase in Kombination mit den Herausforderungen der Inflation und schwankenden Märkten, brauchen Stiftungen mehr Flexibilität im Umgang mit dem Stiftungsvermögen. Stiftungen sind grundsätzlich dem ungeschmälerten Vermögenserhaltung nach Maßgabe des Stifterwillens verpflichtet. Sofern der Stifterwille nicht etwas anderes vorgibt, sollten auch ohne ausdrückliche Satzungsregelung Gewinne aus der Umschichtung von Vermögensgegenständen für die Zweckverwirklichung eingesetzt werden dürfen. Das gilt beispielsweise bei Wertpapieren. Diese Flexibilisierung hilft bei der doppelten Aufgabe von Zweckverwirklichung und vorgeschriebenem Kapitalerhalt. Damit muss keine Stiftung ihre Finanzierungsstrukturen umstellen und Stiftungsvorstände können flexibler ihre Stiftung durch die Niedrigzinsphase navigieren.

Niedergelegte Stifterwille im Zeitpunkt der Stiftungserrichtung entscheidend

Apropos Stifterwille: Anders als im früheren Recht wird im neuen Recht der Stifterwille ausdrücklich zum obersten Primat für die Stiftung, ihre Organe aber auch für die Stiftungsbehörden erhoben. Dabei soll es insbesondere auf den bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommenen Stifterwillen ankommen. Das bedeutet: Der niedergelegte Stifterwille im Zeitpunkt der Stiftungserrichtung – der sogenannte historische Stifterwille – ist von den Stiftungsorganen und der Stiftungsaufsicht zu berücksichtigen. Soweit der historische Wille im Einzelfall nicht festgestellt werden kann, ist hilfsweise der Wille zu berücksichtigen, der dem objektiven Interesse der Stiftung unter Berücksichtigung wesentlicher Veränderungen entspricht, der sogenannte mutmaßliche Stifterwille. Wichtig ist eine gute Dokumentation des tatsächlichen Stifterwillens.

Kein Primat des Substanzerhalts zu jedem Preis

Auch in einem anderen Aspekt ändert die Anpassung der Stiftungsgesetze die Vermögensverwaltungspraxis. Die Business Judgement Rule („Regel für unternehmerische Entscheidungen“) ermöglicht gewisse Risiken in der Vermögensverwaltung und schafft damit zusätzliche Rechtssicherheit im Umgang mit dem Stiftungsvermögen. Durch die Einführung der Business Judgement Rule haften Stiftungsorgane nicht für eine Fehlentscheidung, wenn sie bei der Geschäftsführung unter Beachtung von Satzung und Gesetzen sowie auf Grundlage angemessener Informationen annehmen durften, dass sie zum Wohle der Stiftung handeln. Dadurch ist es jeder Stiftung freigestellt, in der Anlage des Stiftungsvermögens frei zu entscheiden, wenn es in das Gesamtbild der Strategie und zum Erreichen der Anlageziele passt. Die Vermögensverwaltung muss somit nicht mehr dem Primat des Substanzerhalts zu jedem Preis unterliegen, und die Business Judgement Rule ermöglicht gewisse Risiken in der Vermögensverwaltung ohne Angst vor privater Haftung für Stiftungsorgane.

Die Business Judgment Rule beruht auf den Principles of Corporate Governance des American Law Institute aus dem Jahr 1994 und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der BGH hatte in seinem Urteil vom 21. April 1997 entschieden, dass ein Unternehmensleiter hinsichtlich der zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen einen bestimmten Spielraum genießt. „Ihn trifft keine persönliche Haftung, wenn er ausreichend gut informiert ist und eine Entscheidung nachvollziehbar im besten Sinne des Unternehmens getroffen hat.“

Grenzen der risikolosen Geldanlage zugunsten der Haftungsvermeidung überwinden

Diese neuen Regeln sind grundsätzlich vorteilhaft für Stiftungen und deren Organe. Das Business Judgement Rule wird das Haftungsrisiko für Stiftungsorgane reduzieren und es ermöglichen, bei der Anlage des Stiftungsvermögens künftig auch (maßvolle) Risiken einzugehen. Somit können Finanzverantwortliche nun die Grenzen der rein risikolosen Geldanlage zugunsten der eigenen Haftungsvermeidung überwinden. Auch der Einsatz von Gewinnen aus der Umschichtung von Vermögensgegenständen für die Zweckverwirklichung kommt Stiftungen zugute, und dass ein engerer Bezug zum Stifterwillen hergestellt werden muss, schafft zusätzliche Sicherheit ohne Rätselraten darüber, was der Stifter wirklich will.

Gastautor Stefan Rattay ist Steuerberater und Partner bei der multidisziplinären Kanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mit Spezialisierung auf gemeinnützige Organisationen.

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