Rendite in Zeiten der Widersprüche

Tobams Co-CIO Axel Cabrol bewertet die Widersprüche zwischen Kapitalmarktentwicklung und volkswirtschaftlicher Datenlage. Wie Anleger sich trotzdem die besten Chancen auf Kapitalzuwachs und -erhalt sichern können, beantwortet Cabrol im monatlichen CIO View der französischen Quantboutique Tobam.
24. Juli 2023
Axel Cabrol - Foto: © Tobam

Tobams Co-CIO Axel Cabrol bewertet die Widersprüche zwischen Kapitalmarktentwicklung und volkswirtschaftlicher Datenlage. Wie Anleger sich trotzdem die besten Chancen auf Kapitalzuwachs und ‑erhalt sichern können, beantwortet Cabrol im monatlichen CIO View der französischen Quantboutique Tobam.

Anleger erleben derzeit eher einen nervenaufreibenden Weg durch einen Irrgarten als einen geruhsamen Spaziergang. Vom idealen “Goldlöckchen”-Szenario, bei dem die Wirtschaft vorsichtig auf dem schmalen Grat einer gesteuerten Disinflation wandelt, ohne in eine Rezession oder Schuldenkrise zu geraten, sind wir weit entfernt. Die eigentliche Fragestellung, in Anlehnung an Donald Rumsfelds berühmten Ausdruck über die „known unknowns“, zielt darauf ab, das zu ergründen, von dem wir wissen, dass wir es nicht wissen: die Ursache für einen ungewöhnlich starken Widerspruch zwischen Fundamental- und Bewertungsindikatoren.

Divergenz der Fundamental- und Bewertungsindikatoren 

Einerseits befindet sich die Inflation in den USA in einem Sinkflug und lag im Juni zuletzt bei 3 Prozent. Solide “harte Daten” — wie die sinkende Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent — passen nicht zu einer bevorstehenden Rezession. Andererseits deuten “weiche Daten” auf eine drastische Verlangsamung des verarbeitenden Gewerbes in den Industrienationen hin. Der Frühindikator des Fed Conference Board und die deutsche IFO-Umfrage für die Industrietätigkeit geben rotes Licht, während Chinas Konjunkturdynamik sich verlangsamt. Das Reich der Mitte kämpft inzwischen mit einer Deflation, die auf einen zerstörten Immobiliensektor zurückgeht.

Die Situation wird durch die gemischten Botschaften der Finanzmärkte noch komplizierter: Die Aktienbewertungen, insbesondere in den USA, übersteigen inzwischen ihre Spitzenwerte vor der Pandemie und signalisieren hohe Erwartungen auf steigende Gewinne, während invertierte Zinsstrukturkurven auf spürbare Zinssenkungen bis 2024 hindeuten.

Die Divergenzen gehen auch über die Aktien- und Anleihemärkte hinaus. Die Bandbreite der Sektorperformance erreicht ein noch nie dagewesenes Ausmaß: Während die Tech-Mega-Caps weiter Rekorde brechen (der FANG+-Index, der die zehn größten US-Tech-Aktien umfasst, erzielte im ersten Halbjahr eine Rendite von inzwischen 74,1 Prozent), sind deutsche Aktien nur um 16 Prozent gestiegen, US-Small-Caps gemessen am Russel 2000 Index nur um 8 Prozent und chinesische Aktien entwickelten sich mit minus 6,3 Prozent in USD seit Jahresbeginn negativ.

Bergen diese Widersprüche mehr Chancen oder mehr Risiken?

Die derzeitige wirtschaftliche Unsicherheit ist angesichts des jüngsten Ansturms massiver globaler Schocks durchaus gerechtfertigt. In den letzten drei Jahren musste das globale Finanzsystem mehr externe Schocks verkraften als in den 20 Jahren zuvor: Das Ausmaß und die regionale Synchronität der Covid-Rezession waren ausgeprägter als die Lehman-Krise: sie löste den größten globalen fiskalischen Stimulus seit dem Marshall-Plan aus, dem ein massiver globaler Versorgungsengpass folgte, der durch den russischen Krieg in der Ukraine noch verschärft wurde. Die Inflation stieg auf ein Niveau, das seit den 1980er Jahren nicht mehr erreicht wurde, woraufhin die Zentralbanken weltweit die Zinssätze im Rekordtempo anhoben.

Anleger sollten in dieser Gemengelage vorsichtig bleiben, und Diversifizierungs­strategien, wie auch dem Risikomanagement Vorrang einräumen. Die höheren Zinssätze können für Aktienengagements gefährlich werden. Die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere bieten Anlegern dagegen jetzt eine einfache und liquide Möglichkeit, Erträge zu sichern.

Jedoch zeigt die Geschichte, dass erhebliche Diskrepanzen, sei es in der Politik oder an den Märkten, oft auf bevorstehende Zeiten der Instabilität und Regimewechsel hinweisen. Anstatt also blindlings etablierten Trends zu folgen, sollten rationale Anleger kreativ denken und die Konvexität ihres risikobehafteten Marktengagements erhöhen, entweder durch Diversifizierung innerhalb der Anlageklassen oder durch geschützte Strategien, in die jetzt wiederum historisch günstig investiert werden kann.

Einschätzung von Axel Cabrol, CFA, Tobam, 20.07.2023

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