Europa verfügt über viele erfolgreiche Branchen

Europäische Aktien haben im Vergleich zu den US-amerikanischen Werten oftmals das Nachsehen. So heißt es zumindest. Ist dem so? Welche Opportunitäten eröffnen sich beim Blick auf das europäische Gebilde? INTELLIGENT INVESTORS befragte in Frankfurt Matthias Born, Co-Head Wealth and Asset Management und Head of Investments, Berenberg, sowie Justus Schirmacher, Portfoliomanager Equities Wealth and Asset Management, Berenberg.
18. Dezember 2023
Justus Schirmacher (li.) und Matthias Born (re.) - Foto: Copyright Berenberg

Europäische Aktien haben im Vergleich zu den US-amerikanischen Werten oftmals das Nachsehen. So heißt es zumindest. Ist dem so? Welche Opportunitäten eröffnen sich beim Blick auf das europäische Gebilde? INTELLIGENT INVESTORS befragte in Frankfurt Matthias Born, Co-Head Wealth and Asset Management und Head of Investments, Berenberg, sowie Justus Schirmacher, Portfoliomanager Equities Wealth and Asset Management, Berenberg.

INTELLIGENT INVESTORS: Meine Herren, die Welt blickt oftmals auf die beiden großen wirtschaftlichen Zentren USA und Asien. Das europäische Gebilde in der Mitte kommt mitunter zu kurz. Wie ist es um Europa wirtschaftlich bestellt?

Matthias Born: Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Der europäische Kontinent als Gebilde ist sehr heterogen; die Europäische Union ist ein Staatenbund mit derzeit 27 Mitgliedsstaaten und circa 450 Millionen Einwohnern. Jedes Land bringt seine eigene Historie, seinen kulturellen Background, die divergierenden Unternehmenslandschaften und auch unterschiedliche Innovationspower mit sich. Diese Vielfalt bringt auch im globalen Vergleich einige Schwächen, aber eben auch viele Stärken mit sich.

II: Bleiben wir für einen Moment noch einmal an diesem Punkt. Die USA stehen symbolisch für die Techfirmen. Und Europa?

Born: Nach einer starken Erholung der großen US-Technologieaktien im laufenden Jahr, nicht zuletzt auch getrieben von der nicht ganz unbegründeten Fantasie rund um das Potenzial von KI, stehen die üblichen Verdächtigen wie Apple, Alphabet, Microsoft etc. wieder einmal hoch im Kurs. Aber gerade, was die Wertschöpfungskette von KI anbelangt, ist Europa mit seiner Halbleiterindustrie ausgesprochen stark aufgestellt. Darüber hinaus verfügt Europa über viele weitere erfolgreiche Branchen. Denken Sie beispielsweise an die Luxusgüterindustrie. Auch hier geben vor allem europäische Firmen den Ton an.
Justus Schirmacher: Gleiches gilt für den Maschinenbau. Auch hier hat Europa und ganz speziell Deutschland eine lange Tradition, die eine Vielzahl an Unternehmen hervorgebracht hat, die auch heute noch absolut führend sind.

II: Das bedeutet, die europäische Wirtschaft hält auch einige Trümpfe in der Hand?

Schirmacher: Zweifellos. Wir wollen die vielen Probleme nicht weg reden, aber als Investoren tun wir gut daran, die Stärken nicht zu vergessen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Viele europäische Unternehmen haben sich international durchgesetzt und gerade in China erfolgreich Marktanteile erarbeitet. In einer wirtschaftlichen Schwächephase Chinas wird diese beneidenswerte Wettbewerbsposition dann gerne neu interpretiert und als zu große Abhängigkeit kritisiert. Das halten wir für wenig sinnvoll. Für uns steht viel mehr das erfolgreiche Durchsetzen im Vordergrund, ist es ja der beste Beweis dafür, dass man im globalen Wettbewerb mithalten kann. Wir begrüßen also die internationale Ausrichtung vieler europäischer Unternehmen und würden erwarten, dass sie langfristig eher wieder als Stärke ausgelegt wird.

II: In der Summe lässt sich sagen, Sie haben weniger das Makrobild Europas bei Ihrer Aktienselektion im Blick, dafür aber mehr die dezidierte Analyse von Unternehmen und deren Geschäftsmodell.

Born: Absolut. Europa hat durchaus Teilbereiche, in denen es innovativ und stark ist. Und die muss man erkennen und dementsprechend auch darauf den Fokus legen. Wir suchen entsprechende Unternehmen aller Größenordnungen mit starken Marktpositionen sowie innovativen Geschäftsmodellen, die mit einzigartiger Qualität und langfristigen Wachstumschancen nachhaltig überzeugen können. Diese selektive Herangehensweise macht bei europäischen Investments Sinn und bietet folglich genügend Chancen, auch langfristig sehr attraktive Renditen zu erzielen. Ergänzend möchte ich erwähnen, dass man sehr wohl eine Unterscheidung zwischen der volkswirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und dem, was der einzelne Aktienmarkt widerspiegelt, tätigen muss. So generieren Konzerne bzw. multinationale Unternehmen oftmals einen signifikanten Umsatzanteil eben außerhalb des Heimatlandes.

II: Aktuell liest man wieder von Deutschland als „kranken Mann Europas“. Zu Recht?

Born: Sicherlich sehen wir uns hierzulande einigen Problemen und Herausforderungen gegenüber. Dennoch halten wir Warnungen vor einem Abstieg Deutschlands ungeachtet der aktuellen Konjunkturschwäche für übertrieben.

II: Sie erwähnten die Hidden Champions. Hier ist Deutschland weltweit führend. In der aktuellen Krisensituation könnte das ein Stabilitätsanker der hiesigen Wirtschaft sein.

Schirmacher: In der Tat. So ist die Zahl der deutschen Hidden Champions in den vergangenen Jahren auf mehr als 1.500 gewachsen, obwohl die Globalisierung insgesamt in diesem Zeitraum eher ins Stocken geraten ist. Bei den Hidden Champions handelt es sich meist um traditionsreiche Familienunternehmen, viele sind bereits über 100 Jahre am Markt. Die letzten Daten zeigen, dass auch in schwierigen Zeiten wie jetzt stark investiert wird, um auch in Zukunft gut aufgestellt zu sein. Die Hidden Champions sind also das innovative Fundament Deutschlands. Gerade an der Börse finden diese Unternehmen der zweiten und dritten Reihe oft zu wenig Beachtung.

II: Lassen Sie uns kurz über Ihre Fonds sprechen. Gibt es Branchen, die Sie favorisieren?

Born: Die europäischen Berenberg-Aktienfonds investieren überwiegend in die Sektoren Informationstechnologie, Gesundheit/Pharma und Industrie. Mehr als die Hälfte des Portfolios sind Werten aus diesen Sektoren zuzuordnen. Zu den Top 10-Positionen im Berenberg European Focus Fund gehören beispielsweise Unternehmen wie die Pharmaunternehmen Novo Nor­disk und AstraZeneca, die SAP SE, der Halbleiterproduzent ASML und Infineon. Regional ist der Fonds breit diversifiziert mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Nord- und Mitteleuropa.

II: Wie selektieren Sie?

Schirmacher: Sie müssen es sich wie einen großen Trichter mit einigen Filtern vorstellen.  Der Prozess startet quantitativ und wird dann zunehmend qualitativer. Zu Beginn brechen wir das gesamte europäische Aktienuniversum anhand von quantitativen Qualitäts- und Wachstumskriterien auf circa 400 Titel runter. Diese Aktien sollten dann grundsätzlich zu unserem Ansatz passen. Im Zuge einer ersten qualitativen Recherche wird diese Liste auf 150 Firmen reduziert. Hier beginnt dann die intensive Recherche. So stehen wir mit den Unternehmen im regelmäßigen Austausch, sprechen mit Analysten und Industrieexperten und beobachten die Entwicklung genau. Die 40 bis 50 besten Unternehmen landen dann in unserem Portfolio. Die Kunst ist, die Unternehmen zu identifizieren, die über viele Jahre profitables Wachstum abliefern können.

II: In der Summe lohnt (wieder) der selektive Blick auf europäische Qualitäts- und Wachstumswerte?

Born: Davon sind wir überzeugt. Viele Wachstumsaktien und ganz speziell Nebenwerte wurden in den vergangenen 12 bis 18 Monaten hart abgestraft. Hier steckt viel Potenzial.

 

 

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