ESG hat das Fundraising maßgeblich beeinflusst

Es sind herausfordernde Zeiten für Private-Equity-Investoren. Die Zinswende hat das Umfeld durcheinandergewirbelt. Der Appetit auf Beteiligungskapital ist 2022 schwächer geworden. Exits sind schwieriger umzusetzen. Frank Hüther, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Beteiligungskapital e.V. (BVK) und Managing Director von Abacus alpha stellte sich im Interview den Fragen von Chefredakteur Alexander Heftrich.
21. September 2023
Frank Hüther, Sprecher des Vorstands, BVK; Geschäftsführer Abacus alpha

Es sind herausfordernde Zeiten für Private-Equity-Investoren. Die Zinswende hat das Umfeld durcheinandergewirbelt. Der Appetit auf Beteiligungskapital ist 2022 schwächer geworden. Exits sind schwieriger umzusetzen. Frank Hüther, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Beteiligungskapital e.V. (BVK) und Managing Director von Abacus alpha stellte sich im Interview den Fragen von Chefredakteur Alexander Heftrich. 

INTELLIGENT INVESTORS: Herr Hüther, Krieg, Inflation, Wirtschaftsflaute – bewegte Zeiten. In welcher aktuellen Stimmungslage zeigt sich die Beteiligungsbranche?

Frank Hüther: Auf dem deutschen Private Equity-Markt hat sich das Geschäftsklima im zweiten Quartal 2023 wieder deutlich abgekühlt. Das Lageurteil ist deutlich eingeknickt und auch die Geschäftserwartungen verschlechterten sich. Zum Jahresbeginn hatten sich die größten Konjunktursorgen vorerst zerstreut und die wirtschaftliche Entwicklung (potenzieller) Portfoliounternehmen wurden somit wieder planbarer. Das ließ die Stimmung der Private Equity-Investoren maßgeblich steigen. Mittlerweile hat sich das Geschäftsklima in der deutschen Wirtschaft nach einer Reihe enttäuschender Konjunkturdaten wieder eingetrübt, was offenbar auf die Stimmung der Private Equity-Investoren durchschlägt. Deutsche VC-Investoren werden hinsichtlich der Zukunft zunehmend optimistischer. Weil die Geschäftserwartungen der Geschäftslage vorauseilen, war der Erwartungsüberhang noch nie größer als jetzt. Dieser Optimismus ist zwar erfreulich, birgt allerdings auch ein besonders hohes Rückschlagpotenzial, wenn die Erwartungen unerfüllt bleiben.

II: Wie differiert das Gesamtbild in den verschiedenen Marktsegmenten?

Hüther: In allen Marktsegmenten sieht es ähnlich aus und differiert nicht sehr. Das Niveau der Buy-Out Investitionen der Jahre 2019- 2021 wurde letztes Jahr nicht erreicht und dieses Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht — zu sehr drücken Krieg, Inflation und Zinslage auf die Stimmung. Die Stimmung am VC-Markt ist optimistischer als im Vorjahr, dennoch liegt die Bewertung der aktuellen Geschäftslage noch immer tief im negativen Bereich. Die Investitionen in Minderheitsbeteiligungen (Wachstums‑, Ersatz- und Sanierungsfinanzierungen) bei mittelständischen Unternehmen und etablierten, früheren Start-ups sind gesunken.

II: Inwiefern haben sich die Anforderungen der Investoren an die Qualität der Geschäftsmodelle geändert/angepasst?

Hüther: Insgesamt haben sich die Anforderungen der Private Equity-Investoren an die Qualität der Geschäftsmodelle in Richtung Nachhaltigkeit, Innovation, Anpassungsfähigkeit hinsichtlich potenzieller Krisen und Kundenorientierung verlagert. Unternehmen, die diesen Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig eine solide finanzielle Leistungsfähigkeit vorweisen können, sind in der Regel für Investoren attraktiver. Auch gilt im Bereich Venture Capital nicht mehr das Motto „Wachstum um jeden Preis“ – sondern in den aktuellen Zeiten legt man Wert auf Cashflow, Rentabilität und Resilienz des Unternehmens.

II: Inwiefern hat das Thema ESG insbesondere das Fundraising verändert?

Hüther: Das Thema ESG hat das Fundraising maßgeblich beeinflusst. Immer mehr Investoren verlangen von Unternehmen und Fonds, ESG-Kriterien in ihre Entscheidungsprozesse zu integrieren. ESG dient der Risikominderung, kann langfristig zu besserer Werthaltigkeit und Rendite führen und beeinflusst die Reputation eines Unternehmens. Regulatorische Entwicklungen spielen ebenfalls eine Rolle, nicht zuletzt seit Einführung der SFDR. ESG-konforme Unternehmen haben einen breiteren Zugang zu Kapital.

II: Können Sie Segmente ausmachen, in die Private Equity in der nächsten Zeit vorzugsweise investieren möchte?

Hüther: Ja, es gibt bestimmte Segmente, die präferiert werden. Diese Präferenzen können durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, darunter wirtschaftliche Entwicklungen, geringe konjunkturelle Abhängigkeit, technologischer Fortschritte, demografische Veränderungen und gesellschaftliche Trends. Einige der bevorzugten Segmente sind: Technologie und Digitalisierung, Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien, Gesundheitswesen und Biotechnologie, Bildung und Weiterbildung, E‑Mobilität und Infrastruktur sowie Künstliche Intelligenz und Robotik. Es ist wichtig zu beachten, dass die Vorlieben und Investitionstrends von Private Equity-Investoren auch von der makroökonomischen Entwicklung und geopolitischen Ereignissen beeinflusst werden.

II: Wie steht die deutsche Beteiligungsbranche im europäischen Kontext dar? 

Hüther: Obwohl Deutschland eine bedeutende Rolle im europäischen Beteiligungsmarkt spielt, konkurriert es mit anderen führenden Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Schweden um Investitionen. Historisch gehören wir mit und hinter Großbritannien und Frankreich zu den Top 3. Besonders in Sachen Standortattraktivität gilt es noch einige große Schritte zu machen.

II: Seit drei Jahren sind Sie BVK-Vorstandssprecher. Was steht derzeit auf Ihrer Agenda weit oben? Welche Projekte möchten Sie künftig verstärkt voranbringen?

Hüther: Das Zukunftsfinanzierungsgesetz und die Startup-Strategie werden uns dabei helfen, die signifikante Wachstumsdelle des Jahres 2022 zu überwinden, das Beteiligungskapital zu stärken und somit nachhaltiges Wachstum und Transformation zu ermöglichen. Das ist wichtig, denn Venture Capital und Private Equity sind Säulen unserer Volkswirtschaft. Private Equity agiert als Stabilitätsanker, während Venture Capital bei der Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen und ESG als Garant für Nachhaltigkeit durch Beteiligungskapital fungiert. Kurz gesagt: Wer über Nachfolge- und Wachstumsfinanzierungen, Ausgründungen, High-Tech, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Transformation spricht, der spricht über Beteiligungskapital. Der BVK macht sich dafür stark, dass die Investitionsbedingungen auch in der Zukunft gut sind. Deshalb liegt es auch in unserer Verantwortung dafür zu sorgen, dass deutsche Fonds im Wettbewerb der Fondsstandorte nicht zurückfallen. Unsere PE- und VC-Fonds werden nur dann international erfolgreich sein können, wenn sie das Prinzip der Steuerneutralität erfüllen. Steuerneutralität entspricht dem internationalen Standard und ist entscheidend, um im Wettbewerb mit anderen Fonds weltweit um das Kapital großer Kapitalsammelstellen konkurrieren zu können. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, dass wir hier eine gesetzliche Lösung finden – und das bald! Denn Zweifel an der Rechtssicherheit der Fondsstruktur, seien sie begründet oder unbegründet, führen dazu, dass internationale Kapitalsammelstellen in Länder wie Frankreich oder das Vereinigte Königreich investieren. Die Verlierer in diesem Szenario wären der deutsche Mittelstand und die deutschen Startups.

 

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