“China könnte eine lange Phase der Stagnation erleben”

Der DAX steht Mitte Juli leicht über der 16.000er Marke. Aktien haben im laufenden Jahr gut performt, insbesondere die Wachstumstitel. Wie geht es nun weiter? Interessante Fragenaspekte, die ich mit Uwe Eilers, Vorstand FV Frankfurter Vermögen AG, im Interview erörterte.
18. Juli 2023
Uwe Eilers - Foto: © FV Frankfurter Vermögen AG

Der DAX steht Mitte Juli leicht über der 16.000er Marke. Aktien haben im laufenden Jahr gut performt, insbesondere die Wachstumstitel. Wie geht es nun weiter? Interessante Fragenaspekte, die ich mit Uwe Eilers, Vorstand FV Frankfurter Vermögen AG, im Interview erörterte.

INTELLIGENT INVESTORS: Angesichts der Krisen, schwächelnder Konjunktur und Inflation, welche Erwartungen hegen Sie für die Entwicklung der internationalen Aktienmärkte in den kommenden Monaten?
Uwe Eilers: Die Erwartungen der meisten Anleger ist aufgrund der diversen Krisen und Konjunktur- und Zinssteigerungsängsten von starker Vorsicht geprägt. Das spiegelt die unterdurchschnittlichen Aktienquoten der meisten Investoren wider. Somit scheinen die bekannten Befürchtungen und Ängste in den aktuellen Kursen enthalten zu sein. Sofern sich die Dinge besser entwickeln als allgemein erwartet, müssen die vorsichtigen Investoren ihre Aktienquoten entsprechend anpassen. Dies würde höchstwahrscheinlich steigende Nachfrage nach Aktien und damit steigende Kurse bedeuten.

II: Wachstumsaktien stehen wieder ganz oben auf der Liste. Sind die USA „the place to be“?
Eilers: Wachstumsorientierte Unternehmen sollten aufgrund der im Durchschnitt dauerhaft höheren Wachstumsraten besseres Kurspotential besitzen, zumal diese teilweise im Zuge der Zinssteigerungen erheblich an Wert verloren. Sofern die Konjunktur stabiler als erwartet bleibt, ist weiterhin erhebliches Potential vorhanden. Schließlich gibt es einige Entwicklungen, die Bahnbrechend sein können: dazu zählt das ganze Thema rund um 5G und 6G, Künstliche Intelligenz, neuartige Chipdesigns und Chiptechnologien, Quantencomputing, usw. Jedes der genannten Stichworte bieten enormes Wachstumspotential.

II: Wie bewerten Sie aktuell das Chance-Risiko-Profil von europäischen Aktien?
Eilers: Viele europäische Aktien haben sich bereits deutlich nach oben entwickelt. Trotzdem ist die fundamentale Bewertung in vielen Fällen noch moderat, sofern die Konjunktur insgesamt recht stabil bleibt und nicht eine tiefe Rezession kommt. Viel ist dabei allerdings auch abhängig davon, ob die insgesamt recht lahme Politik die unternehmerischen Rahmenbedingungen verbessert. Ob hohe Subventionen beispielsweise für neue Chipfabriken die Investitionstätigkeit insgesamt beflügelt ist abzuwarten. Langfristig könnte es sich allerdings durchaus volkswirtschaftlich lohnen. Damit einhergehend könnten diverse Branchen mitgezogen werden und weitere Kursanstiege möglich sein.

II: Welche Branchen/Sektoren haben Sie vermehrt im Blick?
Eilers: Der Tech-Sektor mit den Themen KI, Quantencomputer, Chip-Technologie, 5G, wird ein wichtiger Technologietreiber der nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte sein. Daneben wird dies starken positiven Einfluss auf die Medizintechnik haben, wo sich daraus entsprechendes Potential ergibt.

Teilweise wird auch der Finanzsektor immer interessanter, da die Konzentration zu höheren Margen und damit zu steigenden Gewinnen führen sollte. Das Beispiel der UBS sei hier stellvertretend genannt.

II: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage in China hinsichtlich Wachstumsperspektiven und Bewertung ein?
Eilers: China könnte eine lange Phase der Stagnation erleben. Dies hat vielfältige Gründe, allen voran die stark diktatorisch geprägte Politik. Sofern ein Unternehmen mit Milliardenstrafen (Tencent, Alibaba, Ant, etc.) aus Willkür belegt werden kann, werden Unternehmer das Land eher meiden. Das gilt zudem stark in Bezug auf die chinesische Politik mit der Tolerierung des russischen Angriffskriegs und erst recht in Bezug auf die aggressive Rhetorik gegenüber Taiwan. Internationale Konzerne werden dadurch für Neuinvestitionen den Standort China eher meiden und sich auf andere Länder, wie beispielsweise Indien, Indonesien, Vietnam oder Philippinen konzentrieren. Die fatale Ein-Kind-Politik der letzten Jahrzehnte könnte daneben zu internen Spannungen führen, da es schlicht massiv an Frauen mangelt.

II: Wie wird die EZB im 2. Halbjahr handeln?
Eilers: Der Inflationsdruck sollte in den kommenden Monaten nachlassen. Aus dem Grund ist es realistisch, dass die EZB die kurzfristigen Zinsen eventuell nicht, bzw. kaum noch erhöht. Dagegen könnte sich die derzeit inverse Zinskurve eher normalisieren. Schließlich wurde klar kommuniziert, dass die Bilanzsumme deutlich sinken soll, was den Abbau der Anleihebestände bedeutet. Damit einhergehend sollten die Langfristzinsen eher weiter steigen.

II: Der Zins ist zurück. Welche Anleihensegmente sehen Sie chancenreich?
Eilers: Wie gerade erwähnt, könnten die langfristigen Zinsen sowohl im Euro-Raum als auch in den USA weiter steigen. Aus dem Grund sollten Anleger eher auf kurzlaufende Anleihen zurückgreifen, um Kursverluste zu vermeiden. Sofern der US-Dollar weiter zur Schwäche neigt, sind Euro-Anleihen zu präferieren. Alternativ gibt es alternativ diverse Währungen mit stabilem wirtschaftlichem Hintergrund (z.B. Indische Rupie, Indonesische Rupie und derzeit erst recht die norwegische Krone).

II: Welche Investmentlösungen sind derzeit sehr nachgefragt?
Eilers: Multi-Asset-Fonds mit guten Performancedaten und moderaten Schwankungen werden weiterhin nachgefragt. Neuerdings kommen aufgrund des Zinsanstiegs auch Anleihen, bzw. Anleihefonds verstärkt in den Fokus.

II: Wie lautet Ihre Botschaft für dividendenorientierte Anleger?
Eilers: Sofern man dividendenstarke Aktien erwerben möchte, sollte man die typischen Value-Aktien (Öl, und andere Rohstoffwerte) eher meiden und vielmehr an Qualitätsaktien mit auskömmlichen Dividenden setzen (z.B. Allianz, Stora Enso, BASF, etc.)

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