Nachhaltigkeit ist keinesfalls Geschichte

Ein ambitioniertes Marktumfeld zeigt sich auch Ende Februar. Leitindizes wie DAX, S&P 500 und Nikkei 225 klettern auf Rekordstände, gleichzeitig ist die wirtschaftliche Lage rund um den Globus nicht besonders rosig. Dr. Frank Ulbricht, Vorstandsvorsitzender der BfV Bank für Vermögen AG und Vorstandsmitglied der BCA AG, im exklusiven Interview.
28. März 2024
Dr. Frank Ulbricht, Vorstand BCA AG/Vorstandsvorsitzender Bank für Vermögen AG Foto: © Bank für Vermögen

Ein ambitioniertes Marktumfeld zeigt sich auch Ende Februar. Leitindizes wie DAX, S&P 500 und Nikkei 225 klettern auf Rekordstände, gleichzeitig ist die wirtschaftliche Lage rund um den Globus nicht besonders rosig. Dr. Frank Ulbricht, Vorstandsvorsitzender der BfV Bank für Vermögen AG und Vorstandsmitglied der BCA AG, im exklusiven Interview. 

 INTELLIGENT INVESTORS: Herr Dr. Ulbricht, wie nehmen Sie die vergangene und gegenwärtige Lage an den Kapitalmärkten wahr? Ist es die sog. Ruhe vor dem Sturm?

Dr. Frank Ulbricht: Die letzten Jahre waren sicherlich alles andere als einfach. Die Zinswende, die damit einhergehende Fokussierung auf Inflationszahlen diesseits und jenseits des Atlantiks und nicht zuletzt die zahlreichen geopolitischen Unruhen haben das Umfeld und das Investieren erschwert. Dennoch lässt sich für das Jahr 2023 festhalten, dass schlussendlich nahezu alle Anlagealternativen profitieren konnten. Auch für 2024 blicken wir mit zuversichtlicher Haltung in die Zukunft. Mittlerweile liegt der Inflationspeak hinter uns, die Zinssenkungsphantasie ist da und der DAX klettert nebenbei von Rekord zu Rekord. Die Notenbanksitzungen haben gezeigt, dass Zinssenkungen kommen werden, aber „Geduld“ das Zauberwort der Entscheider in Washington und Frankfurt ist. Fazit: Es sieht gut aus, aber wir beobachten den Markt bewährt kritisch mit unseren Prüfprozessen und reagieren bei möglichen Stürmen mit Anpassungen.

II: In den vergangenen Jahren ging insbesondere an den US-Märkten die Post ab. Ein Trend, der sich nach Ihrer Meinung weiter verstetigt?

Ulbricht: Auch im Frühjahr 2024 steht die USA tendenziell besser da als wir in Europa. Schauen Sie sich zum Beispiel die Arbeitsmarktzahlen oder die Stimmung in den Unternehmen an. Natürlich konzentriert sich das Börsengeschehen auf die so genannten “Magnificent 7” und andere Technologiewerte im Schlepptau. Es ist keineswegs so, dass der gesamte US-Markt nach oben gezogen wurde. Dennoch zeigt sich mehr denn je, dass KI und weitere überdauernde strukturelle Trends langfristig unsere Welt verändern. Bei diesen Werten spielt die Musik. Das gilt es mit Blick auf die Allokation und Einzeltitelauswahl zu berücksichtigen. Und bei diesen Werten haben wir auf dem europäischen Kontinent – Stand jetzt – das Nachsehen.

II: Aber abschreiben sollte man Europa wohl nicht, oder?

Ulbricht: Ganz und gar nicht. Es nützt niemandem, die Schwächen kleinzureden oder die Stärken zu verschweigen. Der europäische Kontinent hat erfolgreiche Industrien. Denken Sie zum Beispiel an die Luxusgüterindustrie. Auch hier geben vor allem europäische Unternehmen den Ton an. Dasselbe gilt für den Maschinenbau. Auch hier haben Europa und insbesondere Deutschland eine lange Tradition, die eine Vielzahl von Unternehmen hervorgebracht hat, die auch heute noch absolut führend sind.

II: Ein Wort noch zur deutschen Volkswirtschaft. Abschwung, Durchreichen ins Mittelfeld, schwächste Ökonomie der führenden Industriestaaten. Nur eine Momentaufnahme?

Ulbricht: „Quo vadis Deutschland?“ ist in diesem Zusammenhang eine berechtigte Frage. Wirtschaftsexperten prognostizieren, dass die Bundesrepublik in diesem Jahr mit ihrer Wirtschaftsleistung zu den schwächsten Ländern der Welt gehören wird. China schwächelt, von dort kommen keine Impulse, zudem haben wir einige hausgemachte Sorgen. Alles in allem stehen wir hierzulande vor einigen Problemen und Herausforderungen. Aber Trübsal blasen und jammern hilft nicht. Und umso wichtiger ist es, dass sich die politischen Entscheidungsträger intensiver mit den bestehenden wirtschaftlichen Themen auseinandersetzen. Wir brauchen dringend Konzepte für langfristige Wettbewerbsfähigkeit und vor allem Investitionen in Zukunftskompetenzen – denken wir etwa an die Themen digitale Transformation, Energie, Klimawandel, Bildung oder den nachhaltigen Ausbau der für die Wirtschaft unverzichtbaren Infrastruktur. Stattdessen verlieren wir uns in ewigen Debatten über Verbote von Öl- und Gasheizungen oder die Förderung von Wärmepumpen.

II: Wir haben über Aktien und regionale Präferenzen gesprochen. Wie schaut die Lage an den Anleihemärkten für Sie aus?

Ulbricht: Die Zinsen sind zurück und Anleihen können ihre Funktion als Stabilitätsanker in einem breit diversifizierten Portfolio wieder wahrnehmen. Darüber hinaus sind sie auch Renditebringer. Niemand kann derzeit sagen, wann die Zinsen im Euroraum sinken und wie viele Zinssenkungen es tatsächlich geben wird. Vor diesem Hintergrund sind Staats- und Unternehmensanleihen bester Bonität durchaus gesetzt. Anleger, die mehr Risiko eingehen wollen, könnten einen Blick in Richtung High Yield wagen. Die Ausfallraten sind niedrig und viele Unternehmen, auch in den USA, sind besser aufgestellt als in vergangenen Krisenzeiten.

II: Ein anderes Thema, das Ihnen am Herzen liegt. Als Marktkenner haben auch Sie den „ESG-Hype“ miterlebt. Dann kamen Vorwürfe des Greenwashings, das Downgraden von Fonds und Mittelabflüsse. Ist Nachhaltigkeit Geschichte?

Ulbricht: Keinesfalls, denn das Thema Nachhaltigkeit wird in unterschiedlichen Bereichen die Transformation vorantreiben. Richtig ist, dass angesichts eines stark inflationären Umfelds gepaart mit geopolitischen Krisen andere Themenfelder zumindest zeitweise stärker in den Fokus gerückt sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bedeutung des Thema Nachhaltigkeit abgenommen hat. Die Wichtigkeit des Handels wurde nach wie vor von allen Stakeholdern erkannt. Die überbordende Bürokratie, vielleicht auch die unklare Definition von Nachhaltigkeit, beständige Vorurteile haben neben weiteren Faktoren den Nachhaltigkeitszug ins Stottern gebracht. Dennoch bleibt dieses Megathema für Anleger und Berater essenziell.

II: Das Thema Nachhaltigkeit mitsamt den ESG-Kriterien ist sehr komplex. Wie unterstützen Sie bei der Beratung?

Ulbricht: Zum einen mit dem technischen Rüstzeug. Mit unserer Software können Finanzprofis die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen beim Kunden intuitiv, einfach handhabbar und regulatorisch einwandfrei durchführen. Als Ergebnis erhält der Anleger seine Nachhaltigkeitspräferenzen aussagekräftig und verständlich grafisch aufbereitet. Mit Hilfe einer Risiko- und Nachhaltigkeitsanalyse können zudem bestehende Portfolios auf entsprechende Nachhaltigkeitsaspekte überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Zum anderen stellen wir Leitfäden, Schulungsvideos, Aus- und Weiterbildungsprogramme zur Verfügung und unterstützen Finanzprofis auch durch unser Investment Research Team.

II: Zum Schluss, was würden Sie Anlegern gegenwärtig mit auf den Weg geben?

Ulbricht: Eine breite Streuung über verschiedene Anlageklassen kann helfen, auch in Zeiten erhöhter Volatilität den eingeschlagenen Weg nicht verlassen zu müssen. Aktien und Anleihen bleiben die Kernanlagen. Aber auch das Spektrum der Alternativen ist investierbar, jetzt über das Vehikel ELTIF. Und last but not least: Unsere fondsgebundene Vermögensverwaltung PRIVATE INVESTING bietet mit ihren vielfältigen Strategien intelligente Anlagelösungen für jeden Geschmack.

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter