Jenseits von Greenwashing: Banken müssen jetzt das Vertrauen in ein nachhaltiges Finanzwesen sichern

Im Finanzsektor führen die aktuellen Nachhaltigkeitsambitionen auch zu neuen Herausforderungen für Banken, die zuletzt in einer zunehmenden Anzahl von Greenwashing-Vorwürfen durch Verbraucherschützer, Kunden und andere Organisationen mündeten. Dabei steht der Verdacht im Raum, dass Banken irreführende oder nicht überprüfbare Behauptungen über die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens verbreiten – von Finanzprodukten im Allgemeinen oder Investmentfonds im Speziellen. Das betrifft alle Aspekte des ESG-Spektrums (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).
18. Dezember 2023
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Im Finanzsektor führen die aktuellen Nachhaltigkeitsambitionen auch zu neuen Herausforderungen für Banken, die zuletzt in einer zunehmenden Anzahl von Greenwashing-Vorwürfen durch Verbraucherschützer, Kunden und andere Organisationen mündeten. Dabei steht der Verdacht im Raum, dass Banken irreführende oder nicht überprüfbare Behauptungen über die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens verbreiten – von Finanzprodukten im Allgemeinen oder Investmentfonds im Speziellen. Das betrifft alle Aspekte des ESG-Spektrums (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).

Investoren sind verunsichert, denn sie laufen Gefahr, ihr Kapital ineine unbeabsichtigte Richtung zu lenken, wenn sie in Finanzprodukte investieren, deren Nachhaltigkeitsaspekte nicht vollständig oder korrekt offengelegt werden. Kapitalanleger müssen und wollen verstehen, worin sie investiert sind und zugleich darauf vertrauen, dass Bankprodukte die versprochenen nachhaltigen Eigenschaften auch tatsächlich aufweisen. Banken kommt deshalb eine tragende Rolle zu: Sie wollen zum einen das Vertrauen in die Finanzmärkte stärken und spielen zum anderen auch eine Schlüsselrolle in der politischen Nachhaltigkeits- und ESG-Agenda. Durch Greenwashing würden Banken dem Vertrauen von Verbrauchern jedoch schaden.
Und das wiederum erschwert es potenziellen Investoren, den ESG-Botschaften von Banken bedenkenlos zu vertrauen und sich langfristig finanziell zu engagieren.

Institute reagieren auf eine steigende Nachfrage

Schon immer gab es gesetzliche Bestimmungen gegen irreführende Darstellungen von Produkten und Dienstleistungen. Die Ära der Hypertransparenz, die durch die ESG-Agenda eingeläutet wurde, erfordert allerdings eine noch genauere Prüfung durch Kapitalanleger.
Das führt dazu, dass die Anforderungen an Banken tendenziell noch weiter steigen. Um diesen gerecht zu werden, hat sich im
Finanzdienstleistungssektor eine ganze Branche etabliert, die sich auf Nachhaltigkeit fokussiert. Der Markt für ESG-orientierte Produkte ist allein in den letzten sechs Jahren durchschnittlich um 27 % gewachsen. Eine aktuelle KPMG-Marktstudie zur Implementierung von ESG-Risiken zeigt allerdings: Obwohl das Angebot stetig wächst, fehlen fast der Hälfte der befragten Institute die Instrumente und klare Definitionen für eine effektive Umsetzung der ESG-Maßnahmen.
Das muss sich ändern, wenn die Banken wettbewerbsfähig bleiben wollen. Schließlich suchen Investoren zunehmend die Unterstützung von Banken mit einer starken ESG-Bilanz – während sie sich darauf konzentrieren, wie sie ihre eigenen Dekarbonisierungspläne finanzieren können. Die Herausforderung besteht darin, ein sinnvolles Umdenken zu erreichen. Und das klappt nur, wenn ESG-Praktiken in sämtliche Aktivitäten der Organisationen eingebunden werden.

Ziele zur Minimierung von Greenwashing-Risiken setzen

Die erste Hürde liegt bereits in einer klaren Definition von „Nachhaltigkeit“ im Sinne der ESG-Kriterien: Viele Banken stoßen bei
ihrem Nachhaltigkeitsstreben auf Schwierigkeiten, da unterschiedliche Definitionen für Begriffe wie „grün“, „nachhaltig“ und
„ESG“ in Gebrauch sind. Es ist jedoch unabdingbar, eine einheitliche Definition nicht nur von Nachhaltigkeit, sondern zugleich
auch von Greenwashing festzulegen, um sich vor möglichen Vorwürfen zu schützen. Die europäischen Aufsichtsbehörden fungieren
hier richtungsweisend. Sie definieren Greenwashing als „eine Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen,
Maßnahmen oder Mitteilungen das zugrunde liegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder
einer Finanzdienstleistung nicht klar und angemessen widerspiegeln”.
Greenwashing wird demnach zu einem Risiko, wenn es Verbraucher, Investierende oder andere Marktteilnehmer in die Irre führt (Quelle: Progress Report on Greenwashing, ESMA, 31. Mai 2023).

Aufbauend auf dieser Definition können Banken ableiten, was Greenwashing für sie konkret bedeutet – und festlegen, wie nachhaltig
sie sich positionieren können, ohne falsche Erwartungen zu wecken. Sprechen die Institute zum Beispiel von „klimaneutralem“
Geschäft, dann sollten sie auch transparent machen, wie sie diese Neutralität erreichen. Wie wird der CO2-Ausstoß reduziert? In
welchem Umfang werden Emissionen ausgeglichen? Auf welchem Weg geschieht das? Einzelfälle aus den vergangenen Jahren zeigen:
Wenn es zu Diskrepanzen zwischen internen Definitionen und extern vermittelten Ansprüchen kommt, wenn öffentlich kommunizierte
Ziele nicht erreicht oder Beweise nicht geliefert werden, dann begeben sich Banken in Gefahr. Kommt es zu öffentlichen Greenwashing-Verdächtigungen, können mühsam aufgebautes Vertrauen erodieren und die Reputation der betroffenen Häuser
beschädigen.

Es bedarf umfassender interner Strukturen

Ein solches übermäßiges Engagement entsteht oft, wenn Finanzinstitute die Komplexität von Nachhaltigkeit unterschätzen. Sie
laufen dann Gefahr, eine kurzsichtige Perspektive einzunehmen, die einer langfristigen Unternehmensstrategie widerspricht. Hier
müssen sie gegensteuern. Durch die Festlegung von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten für die Überwachung von Nachhaltigkeitszielen wird die Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen beispielsweise sichergestellt. Um die Komplexität dieses Themas zu bewältigen, sollten Experten einer Bank ernannt werden, die Nachhaltigkeitsinitiativen und ‑produkte beaufsichtigen. Die Überwachung kann auch mithilfe des bestehenden Governance-Rahmens erfolgen.
Sobald eine ganzheitliche interne Struktur vorhanden ist, sollten die Finanzinstitute ihre Finanzprodukte und ‑dienstleistungen sorgfältig hinsichtlich ihres Nachhaltigkeitsgrads bewerten, bevor sie diese als nachhaltig verkaufen. Die Zusammenarbeit mit externen Prüfern und Nachhaltigkeitsexperten kann die Sicherheit um ein Vielfaches erhöhen.
Eine solche interne Struktur ermöglicht eine konsistente und transparente Darstellung der vermarkteten nachhaltigen Projekte
in der internen und externen Kommunikation. Die aktive Kommunikation sollte durch verlässliche und aktuelle Nachweise
gestützt werden. So vermeidet man „Cherry Picking” oder das Problem, dass Banken Ziele nicht konsequent umsetzen. Die
Kommunikation mit den Investoren sollte aktiv und nicht reaktiv erfolgen, insbesondere bei Krisen, die durch Greenwashing bzw.
einen solchen Verdacht ausgelöst werden. Regelmäßige Konsultationen mit Anlegenden und Aufsichtsbehörden gewährleisten
die Anpassung an sich verändernde Erwartungen an die Nachhaltigkeit. Die Banken sollten die Bildung externer Beratungsgremien
in Erwägung ziehen, um unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Wenn Banken diese Punkte berücksichtigen und
zugleich ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen regelmäßig offenlegen, können sie nicht nur das Greenwashing-Risiko mindern,
sondern zeigen, dass sie für ihr Handeln geradestehen. So stärken sie das Vertrauen der (investierenden) Kundinnen und Kunden
oder Investierenden.
Eine weitere Ebene der Legitimität von Nachhaltigkeitsansprüchen kann durch den Einsatz von Technologien zur Verifizierung erreicht werden. Blockchain und andere Distributed-Ledger-Technologien können unveränderliche Aufzeichnungen von nachhaltigkeitsbezogenen Daten ermöglichen. Automatisierte Tools für die Datenanalyse und ‑überprüfung verringern die Wahrscheinlichkeit von unbeabsichtigtem Greenwashing. Auch wenn sich eine Bank auf Risikomanagement konzentriert, sollte sie nicht davon ausgehen, dass sie automatisch vor Greenwashing-Krisen geschützt ist. Öffentliche Anschuldigungen können immer auftreten – auch wenn sich das Institut juristisch nichts hat zu Schulden kommen lassen.
Um mit solchen Situationen umgehen zu können, sollten Banken umfassende Pläne zum Krisenmanagement erstellen, in denen die
Führungsrollen, verfügbare Ressourcen und Reaktionsstrategien klar definiert sind. Dadurch wird sichergestellt, dass Banken gut darauf vorbereitet sind, mögliche Herausforderungen im Zusammenhang mit Greenwashing zu bewältigen.

Gesucht: Echtes Nachhaltigkeits-Engagement

Die zunehmenden Greenwashing-Vorwürfe in der Bankenbranche verdeutlichen, dass Finanzinstitute ihr Engagement für Nachhaltigkeit dringend verstärken müssen. Die sich entwickelnde Landschaft erfordert ein hohes Engagement für nachhaltige Finanzen, das über das bloße Ankreuzen von Vorschriften hinausgeht. Ein proaktiver Umgang mit den Fallstricken des Greenwashings ist unerlässlich, um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit gegenüber den Anlegern zu erhalten. Nachhaltigkeit sollte für Finanzinstitute nicht nur eine oberflächliche Compliance-Maßnahme sein, sondern zu einem Kernaspekt ihrer Identität werden. Diejenigen, die diesen Weg geschickt beschreiten, positionieren sich als Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Finanzen und umgehen zeitgleich die Gefahren des Greenwashings. Dieser strategische Ansatz schützt nicht nur vor Fallstricken, sondern verschafft Banken auch eine Führungsrolle und das Vertrauen einer zunehmend anspruchsvollen Anlegerschaft, die Wert auf finanzielle Erträge sowie ethische und verantwortungsvolle Finanzpraktiken legt.

Autor: Markus Quick, Partner, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

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