Ein Ölfilm trübt Mexikos glänzenden Ausblick

Derzeit kann man in der mexikanischen Hauptstadt Mexiko-Stadt mit ihren belebten Restaurants und dem dichten Verkehr die Aufbruchstimmung fast mit Händen greifen. Der Grund für den Optimismus ist das starke Wachstum der benachbarten US-Wirtschaft. Aber auch auf politischer Seite bewerten die Mexikaner den Ausblick ihres Landes im Vorfeld der Wahlen am 2. Juni 2024 positiv. Noch ungelöst ist hingegen die Frage der Schuldentragfähigkeit der größten Ölgesellschaft des Landes, Petróleos Mexicanos (PEMEX). Dieser Punkt ist für Investoren von zentraler Bedeutung und erklärt die zusätzliche Risikoprämie, die sie für mexikanische Anlagen verlangen. Wir glauben, dass es eine Lösung für das Problem gibt. Die neue Regierung muss handeln – und zwar schnell.
10. Mai 2024
Polina Kurdyavko - Foto: Copyright RBC Blue Bay AM

Derzeit kann man in der mexikanischen Hauptstadt Mexiko-Stadt mit ihren belebten Restaurants und dem dichten Verkehr die Aufbruchstimmung fast mit Händen greifen. Der Grund für den Optimismus ist das starke Wachstum der benachbarten US-Wirtschaft. Aber auch auf politischer Seite bewerten die Mexikaner den Ausblick ihres Landes im Vorfeld der Wahlen am 2. Juni 2024 positiv. Noch ungelöst ist hingegen die Frage der Schuldentragfähigkeit der größten Ölgesellschaft des Landes, Petróleos Mexicanos (PEMEX). Dieser Punkt ist für Investoren von zentraler Bedeutung und erklärt die zusätzliche Risikoprämie, die sie für mexikanische Anlagen verlangen. Wir glauben, dass es eine Lösung für das Problem gibt. Die neue Regierung muss handeln – und zwar schnell.

Die Zeit nach der Corona-Pandemie hat Mexiko vor zahlreiche Herausforderungen gestellt: Die Zentralbank musste den Leitzins um fast das Dreifache auf 11,25 Prozent erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen und das Haushaltsdefizit in Schach zu halten. Schließlich ist Ausgabendisziplin ein Schwerpunkt der amtierenden Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador – genannt AMLO. Dennoch gehört das Land zu den Nutznießern der Ära nach der Pandemie. Das liegt auch an seiner Nähe zu den USA und den verstärkten Bemühungen des großen Nachbarn, die Wertschöpfungsketten angesichts der Spannungen mit China ins nähere Umfeld zu verlagern (Nearshoring).

Mexiko genießt ein Goldlöckchen-Umfeld

Die Entscheidung der mexikanischen Regierung, die Mindestlöhne in den letzten drei Jahren jährlich um 20 Prozent zu erhöhen, hat in Kombination mit einem Anstieg der Geldtransfers um 50 Prozent im gleichen Zeitraum die starke Verbrauchernachfrage weiter gestützt. Damit genießt das Land ein Goldlöckchen-Szenario mit einer umsichtigen und orthodoxen Geld- und Finanzpolitik sowie einer starken wirtschaftlichen Erholung.

Das Finanzministerium geht davon aus, dass das Haushaltsdefizit in diesem Wahljahr 5,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen wird. Dieser Wert soll aber im nächsten Jahr auf rund 3 Prozent gesenkt werden. Dies ist ein ehrgeiziges Ziel. Doch durch die Abschaffung der Wahlkampffinanzierung und einige der Investitionsprojekte von Präsident AMLO wird das Haushaltsdefizit wohl bereits um 1,5 bis 2 Prozent zurückgehen.

Präsidentschaftswahlen sind oft einschneidende Ereignisse. Im Falle Mexikos ist aber davon auszugehen, dass der Sieg jedes der beiden Kandidaten ein positives Ereignis für den Markt sein könnte. Claudia Sheinbaum von der Morena-Partei liegt derzeit mit einem Programm in Führung, das sich stärker an AMLO orientiert, aber mehr auf Nachhaltigkeit und eine sanftere diplomatische Annäherung an die Nachbarn setzt. Dem Kandidaten der Opposition, Xóchitl Gálvez, wird ein starkes Team zugeschrieben. Er konzentriert sich stärker auf Liberalisierung und marktfreundliche Reformen.

Bewertungen spiegeln Positivtrend nicht wider

Trotz dieser positiven Dynamik werden mexikanische festverzinsliche Anlagen weiter mit einem größeren Spread gehandelt, als die Bonität des Landes vermuten lässt. Eines der wichtigsten ungelösten Probleme liegt in der Schuldentragfähigkeit der staatlichen Ölgesellschaft PEMEX. Mit Verbindlichkeiten in Höhe von 108 Milliarden US-Dollar gegenüber einem EBITDA von 20 Milliarden US-Dollar und einem negativen freien Cashflow (Stand: Ende 2023) haben Anleger berechtigte Bedenken – trotz zahlreicher Beteuerungen, dass die Regierung das Unternehmen unterstützen werde. Folglich gehören seine Finanzierungskosten aktuell zu den höchsten in den Schwellenländern – und der Zugang zu Krediten ist begrenzt.

Wir glauben an eine Lösung, denn das Unternehmen hat zwei Funktionen: Gewinne erzielen und für Energiesicherheit sorgen. Derzeit sind die vorgelagerten „Upstream“-Bereiche wie Exploration und Förderung rentabel, während die nachgelagerten „Downstream“-Bereiche wie die Verarbeitung des Öls Verluste machen. Das ist teilweise auf die Preispolitik der Regierung zurückzuführen. Gegenwärtig sind alle Schulden den vorgelagerten Geschäftsbereichen zugeordnet, da diese Cashflow generieren können. Wir bei RBC BlueBay Asset Management plädieren dafür, den Upstream-Bereich und den Downstream-Bereich des Unternehmens in zwei getrennte Einheiten aufzuteilen.

Die rentable Upstream-Sparte könnte dann einen Teil der Schulden übernehmen. Das würde es dem Unternehmen ermöglichen, zu investieren und sich auf seine Umweltziele zu konzentrieren, während es gleichzeitig einen positiven Cashflow erwirtschaftet. Derweil kann die nachgelagerte Abteilung, die für die Energiesicherheit zuständig ist, den Rest der Schulden übernehmen, die eine ausdrückliche staatliche Garantie erfordern. Dies würde die Bonität Mexikos nicht verschlechtern, da die Rating-Agenturen dies bereits berücksichtigen. Überdies ist es wahrscheinlicher, dass der Kongress diese Lösung abnickt, als dass er einer Garantie der gesamten Schuldenlast zustimmt.

Den Status quo beizubehalten ist keine Option angesichts der hohen Zahlungsrückstände des Unternehmens gegenüber Lieferanten, des negativen Cashflows und des begrenzten Zugangs zu Finanzmitteln. Die vorgeschlagene Struktur würde die Kosten für das Unternehmen deutlich senken – womöglich um 3 bis 4 Prozent – und die Bilanzen der Banken entlasten, so dass sie den gewinnbringenden Explorations- und Produktionsbereich stärker unterstützen können. Wir haben dies kürzlich vor Ort mit Vertretern der Regierung und des Unternehmens besprochen und sind von der positiven Rückmeldung ermutigt. Claudia Sheinbaum ging sogar so weit, diesen Plan in einem Bloomberg-Interview als Lösung für PEMEX zu erwähnen.

„Durchwursteln“ gilt nicht

Nur: Zeit ist hier von entscheidender Bedeutung – und der richtige Zeitpunkt ist jetzt. Es gibt natürlich noch andere Themen im Land, die beachtet werden sollten. Dazu gehören die Herausforderungen im Bereich der Sicherheit, die anhaltende Stärke der mexikanischen Währung, die irgendwann zu einem Wachstumshemmnis wird, und – was vielleicht am wichtigsten ist – die US-Wahlen, bei denen ein Sieg von Donald Trump zu Neuverhandlungen von Handelsabkommen führen könnte. Doch sind wir der Ansicht, dass die Regierung das Problem der Schuldentragfähigkeit unter Kontrolle bringen und rasch angehen kann – im Gegensatz zu den anderen hier genannten Risiken.

Die Beziehung zwischen Mexiko und seinem staatlichen Unternehmen ist eng und beide sind darauf angewiesen, eine nachhaltige Lösung für die Zukunft zu finden. Der Schlüssel liegt darin, nicht zu lange zu warten oder sich mit „Durchwursteln“ zu begnügen. Noch ist Gelegenheit, ein neues und besseres Bild der mexikanischen Wirtschaft zu zeichnen. Die Entscheidungsträger verfügen über die nötigen Instrumente, um dies zu tun – und die mexikanische Öffentlichkeit und die Märkte gleichermaßen zu begeistern.

Autorin: Polina Kurdyavko, Head of BlueBay Emerging Markets, RBC Global Asset Management

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