Indoor Farming am Schnittpunkt von Innovativer Technologie und Erneuerbaren Energien

20. März 2023
Jörg Trübl, Vorstand der MABEWO AG - Foto: Copyright MABEWO AG

Idoor Farming ist aktuell „in aller Munde“ – denn die in kontrollierter Umgebung angebauten Kräuter, Salate, Microgreens und Beeren werden immer beliebter. Die Produktion in geschlossenen, kontrollierten und teils automatisierten Prozessen ist im Aufschwung – getrieben durch Digitalisierung, Vermeidung von Transporten und der Schonung von Ressourcen. Dabei muss sich diese Industrie seit Februar 2022 auch gestiegenen Energiepreisen und der Unsicherheit der Energieversorgung stellen. Aber gerade diese Situation kann auch als Chance verstanden werden, den erneuerbaren Energien bei der Lebensmittelproduktion einen höheren Stellenwert einzuräumen.

Dies hat durchaus auch einen politischen Hintergrund: Die EU ist gut beraten, wenn sie sich möglichst bald unabhängig von Energie‑, Lebensmittel- und Düngerimporten macht. Angesichts der Klima- und Energiekrise kann das nur einen zügigen Ausbau beziehungsweise Nutzung der dezentralen, erneuerbaren Energien und einen Ausbau der lokalen Nahrungsproduktion bedeuten. Es versteht sich von selbst, dass Ressourcenschonung und Vermeidung von Transporten und Pestiziden/Fungiziden im Sinne einer ganzheitlichen Umweltschutzpolitik ganz oben auf jeder Agenda stehen müssen.

Unter der Voraussetzung einer wirtschaftlichen Energieversorgung kann Indoor Farming eine Reihe der Anforderungen an eine moderne, nachhaltige Lebensmittelversorgung erfüllen. Unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Akteure kann eine resistente Wertschöpfungskette aufgebaut werden, die dezentral und nachhaltig insbesondere den urbanen Raum versorgen kann. Und um dessen Versorgung geht es, wenn weiter landwirtschaftliche Flächen versiegelt oder durch Dürre, Überschwemmung, Erosion und Schadstoffeintrag unbrauchbar gemacht werden.

Am Beispiel Indoor Farming wird ersichtlich, wie untrennbar gesellschaftliche Entwicklungen (Urbanisierung) mit globalen Ereignissen (Klimawandel) und wirtschaftlichen Anforderungen (Energiekrise) verknüpft sind. Alle diese Faktoren spielen bei der Beurteilung der Landwirtschaftskonzepte von morgen eine große Bedeutung. Zudem auch Fachkräftemangel ist ein aktuelles Problem, das sich in der Landwirtschaft weiter verschärfen wird. Hier kommt zudem die Generationenfrage hinzu – werden die Nachkommen einen elterlichen Betrieb unter den gegebenen Voraussetzungen übernehmen wollen? Man sieht anhand der Bäckereien, wie sich das Berufsbild des Bäckers ändert. Auf die Landwirtschaft übertragen bedeutet das, dass dort Arbeitszeiten, Qualifikation von Mitarbeitern, Fremdbestimmung durch Wetter, Klima und Energiepreise vor allem für Neueinsteiger oder nachfolgende Generationen maßgebliche Hindernisse darstellen. Eine zumindest teilweise Automatisierung der Produktion, eine Verlagerung in geschützte Räumlichkeiten und eine digitale Überwachung von Klima, Bewässerung und Nährstoffmanagement sowie des Wachstumsprozesses können einige der Probleme lösen. Wenn – und das ist ausschlaggebend – gleichzeitig auch sicher und wirtschaftlich ausreichend Energie dafür zur Verfügung gestellt wird.

In einem Konzept, in dem strategisch die Stärkung der bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen durch Innovation angestrebt wird, spielen die aktuellen Akteure der Lebensmittelversorgung weiter eine ausschlaggebende Rolle. Landwirtschaft, Gartenbau, Großverteiler, der Einzelhandel oder Hofläden dienen im Idealfall weiter der regionalen Versorgung. Dies ist im Sinne einer angestrebten Regionalität bei gleichzeitiger Dezentralisierung zu verstehen. Für Landwirte, die auch heute schon ihre Produkte (Kräuter, Erdbeeren, Salate, Microgreens, …) lokal vertreiben, bedeutet Indoor/Vertical Farming die Nutzung einer neuen, zusätzlichen Technologie.

Die Kombination von erneuerbaren Energien und innovativer landwirtschaftlicher Produktion unter kontrollierten Bedingungen kann die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der lokalen Landwirtschaft in ganz Europa neu definieren. Agrisolar – also die Kombination landwirtschaftlicher Flächen mit Energiegewinnung aus Sonnenlicht sowie mit lokalen Biogasanlagen werden dabei wichtige Elemente sein.

„Pflanzen sind Energie“ – dies ist in vielerlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen erfolgt die Umwandlung des Sonnenlichtes in Biomasse, zum anderen dienen Pflanzen Mensch und Tier als wichtigste Energiequelle. Es kann aber auch aufzeigen, wie die beiden Sektoren Lebensmittelproduktion und Energiewirtschaft in Zukunft noch näher zusammengeführt werden können und dann auch voneinander profitieren. Indoor Farming beziehungsweise Vertical Farming bilden den Knotenpunkt, an dem die Sicherung der Lebensmittelproduktion auf die Nutzung der erneuerbaren Energien trifft.

Auch am Beispiel Deutschland kann man aufzeigen, dass eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Biogasanlagen nach dem Wegfall der EEG-Vergütung vor wirtschaftlichen und operativen Problemen stehen. Die Verteuerung von Substraten (z. B. Maissilage) kann nicht durch flexible Marktpreismodelle auf der Seite des Elektrizitätsverkaufes ausgeglichen werden. Durch den Direktverkauf von Strom an Abnehmer wie Indoor Farming Anlagen können sich aber Win-Win-Situationen sowohl für den Betreiber der Biogasanlage als auch den Abnehmer beziehungsweise den Betreiber der Indoor Farming Anlage ergeben.

Eine neue, aufstrebende Industrie wie Indoor Farming muss gezielt Probleme lösen: die Versorgung der wachsenden urbanen Bevölkerung, einen innovativen Beitrag zur Proteinversorgung durch laufende Weiterentwicklung der Prozesse und die konsequente Einbindung der erneuerbaren Energien. Dazu kommen der Fokus auf regionale, eher kleinstrukturierte Projekte, um den aktuellen Akteuren der Lebensmittelversorgung zusätzliche Produktionsmöglichkeiten anzubieten – und nicht mit zentralisierten Megaprojekten den Landwirten „das Wasser abzugraben“. Dann erfüllt das Indoor Farming von morgen eine Vielzahl an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen, um nachhaltig wachsen zu können und ertragreich zu sein.

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