Globale Divergenzen: Wie Anleger die Risiken der Nvidia-Rallye managen können

Entgegen vielen Prognosen zeigt sich die US-Wirtschaft nun robuster als gedacht. Anleger sollten sich an den globalen Aktienmärkten auf höhere Volatilität einstellen. Axel Cabrol, CIO von Tobam erläutert, wie Anleger darauf reagieren können.
4. März 2024
Axel Cabrol - Foto: © Tobam

Entgegen vielen Prognosen zeigt sich die US-Wirtschaft nun robuster als gedacht. Anleger sollten sich an den globalen Aktienmärkten auf höhere Volatilität einstellen. Axel Cabrol, CIO von Tobam erläutert, wie Anleger darauf reagieren können.

Sowohl weiche als auch harte Konjunkturindikatoren deuten auf eine Aufhellung der wirtschaftlichen Aussichten hin. Dazu gehören die Verbesserung beispielsweise beim Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes und der Frühindikator der Federal Reserve, sowie die robusten harten Daten, einschließlich des stetigen BIP-Wachstums und der niedrigen Arbeitslosenquote.

Nach einer Phase schwacher Margen und einem zeitweisen Rückgang in der ersten Hälfte des Jahres 2023 hat sich im vierten Quartal die positive Dynamik der Unternehmensgewinne in den USA bestätigt. Mit einer Wachstumsrate von 7,4 % haben sie das nominale BIP-Wachstum des Jahres 2023 deutlich übertroffen.

Dieser Aufschwung wirft hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeiten der Zentralbanken Fragen auf: Trotz des Übergangs zu einer restriktiveren Geldpolitik im Jahr 2022, die durch höhere Zinssätze und damit teurere Finanzierungskosten gekennzeichnet ist, hat dies nicht zu einer allgemeinen wirtschaftlichen Verlangsamung geführt. Ökonomen hatten erwartet, dass höhere Zinssätze eine Belastung für den Cash Flow der Unternehmen darstellen und in der Folge die Investitionspläne bremsen würden. Stattdessen hat es divergierende Trends auf den einzelnen Märkten hervorgehoben und verschärft.

Nvidia gegen den Rest der Welt

Ein bemerkenswertes Beispiel für diese Divergenzen ist das Phänomen der Markt-Konzentration auf die “Magnificent 7”, wobei NVIDIA die KI-Revolution kursmäßig anführt und die Aktienindizes auf neue Höchststände treibt. Die Aktienkurse von Unternehmen wie Amazon und Meta stiegen nach der Veröffentlichung ihrer Gewinne um etwa 20 % — im Vergleich zu NVIDIAs atemberaubendem Anstieg von fast 60 % seit Jahresbeginn nimmt sich das bescheiden aus. Der Russell-2000-Index, der amerikanische Nebenwerte repräsentiert, blieb mit einem Zuwachs von unter 1 % fast unverändert.

In Europa zeigen nur wenige Unternehmen echte Dynamik. Es sind dies die großen internationalen Player im Tech‑, Luxus- und Energiesektor, während kleinere Unternehmen, die sich auf die Binnenwirtschaft konzentrieren, hinterherhinken. In den Schwellenländern, insbesondere in China, hat der Hype um die künstliche Intelligenz ebenso wenig eine vergleichbare Begeisterung ausgelöst. Der Markt leidet noch unter einer schweren Immobilienschuldenkrise. Da verhalfen dem MSCI China Index auch die staatlich initiierten Konjunkturmaßnahmen nicht zu einem Aufschwung. Im Gegenteil, seit Jahresbeginn dümpelt der chinesische Börsenindex mit minus 3 % noch leicht im negativen Terrain vor sich hin.

Diese Diskrepanzen können als Anzeichen auf sich aufblähende Blasen gewertet werden, liefern jedoch kein zuverlässiges Signal für ein Markt-Timing. Sie unterstreichen aber ein tiefgreifenderes Merkmal unserer heutigen Zeit, nämlich dass unterschiedliche Einschätzungen zu wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten die Märkte immer ausgeprägterer auseinanderdriften lassen. Je länger solche Drifts dauern, desto dringlicher wird die Frage nach dem Timing für eine Umkehr – sicher ist nur eines: wir sprechen über “Wann”, nicht über “Ob”.

Proaktives Risikomanagement gefragt

Anleger gehen in ihren Portfolios oft unbewusst erhebliche Risiken ein. Dies gilt z. B. für Aktienertragsprodukte, die auf dem Verkauf der impliziten Volatilität von Indizes basieren. Es handelt sich um sogenannte strukturierte Produkte, bei denen die Anleger eine feste Rendite erhalten, wenn ein Börsenindex nicht unter ein vorher festgelegtes Ausgangsniveau fällt – bei denen sie aber Verluste tragen, wenn derselbe Index unter einen hohen Betrag (beispielsweise 20 % oder mehr) sinkt. Der entscheidende Faktor für die Risikobewertung ist, dass solche Produkte eine niedrige implizite Volatilität nutzen, um einen hohen Kupon zu erzielen. Vor allem aber setzen Anleger unbewusst auf den Verkauf der impliziten Volatilität, ungeachtet der Tatsache, dass diese seit geraumer Zeit auf einem historischen niedrigen Niveaus liegt.

Das betrifft zum Beispiel Aktienertragsprodukte, die auf dem Verkauf der Volatilität von Indizes beruhen. In Europa gibt es die üblichen strukturierten Produkte, bei denen Anleger 5 % pro Jahr erhalten, wenn der Eurostoxx-Index bis zum Jahresende gestiegen ist. Wenn der Index fällt, wird das Geld zurückgezahlt, sofern der Rückgang weniger als beispielsweise 20 % beträgt. Höhere Verluste trägt der Anleger. Ausschlaggebend für die Risikobewertung ist, dass solche Produkte eine niedrige implizite Volatilität ausnutzen, um einen hohen Kupon zu erzielen. Zudem setzen setzen Anleger möglicherweise eben unbewusst auf den Verkauf impliziter Volatilität, ohne sich darüber klar zu sein, dass diese sich schon länger in der Nähe ihrer historischen Tiefs befindet.

In einem Umfeld steigender Zinsen bietet das Anleiheuniversum auch nach der erfolgten Rallye an den Zinsmärkten risikoadjustiert weiterhin sehr interessante Ertragsmöglichkeiten, die attraktiver sein können, als der Verkauf von Aktienvolatilität. Diese arbeiten weniger mit Hebelwirkung und mehr mit Diversifizierung.

Wer ein proaktives Risikomanagement anstrebt, kann beginnen, die Risiken aus Ertragsprodukten zu mindern, bei denen eine potenzielle Hebelwirkung dazu dient, konkurrenzfähige Mindesterträge zu erzielen. Eine effektive Strategie kann der Barbell-Ansatz sein. Dabei wird das Engagement im vorherrschenden divergenten Trend beibehalten. Gleichzeitig sollten Anlagestrategien eingesetzt werden, die das Konzentrationsrisiko minimieren. Dazu zählen gut diversifizierte Aktienstrategien, optionsbasierte Absicherungen und ausgesuchte Zinsprodukte, die dem derzeitigen Konzentrationsrisiko auf den Märkten mit einer starken Diversifizierung entgegenwirken.

Da der Markt die letzten Phasen seines Zyklus durchläuft, kann sich die Wachsamkeit gegenüber dem Konzentrationsrisiko bald bezahlt machen.

Kommentar von Axel Cabrol, CFA, Co-CIO Tobam

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