Emerging-Market-Lokalwährungsanleihen: Alles wird gut

Wegen der derzeitigen Unsicherheit am Markt sollten sich deutsche institutionelle Investoren genauer mit Emerging-Market-Anleihen befassen. Sie sind in vielen Portfolios unterrepräsentiert.
12. Juni 2023
Ward Brown - Foto: © MFS Investment Management

Wegen der derzeitigen Unsicherheit am Markt sollten sich deutsche institutionelle Investoren genauer mit Emerging-Market-Anleihen befassen. Sie sind in vielen Portfolios unterrepräsentiert.

Die Unsicherheit hält im Jahr 2023 an, aber es gibt auch Lichtblicke: Die Inflation lässt nach, die Notenbanken straffen die Geldpolitik weniger stark, und viele Anleihenarten sind attraktiv bewertet. Institutionelle Investoren in Deutschland sollten sich daher genauer mit Emerging-Market-Anleihen befassen. Sie bieten attraktivere Renditen als viele andere Anleihen und sind nicht so volatil wie Aktien.

Die Emerging Markets sind institutionellen Investoren zwar nicht unbekannt, aber doch in vielen Portfolios unterrepräsentiert. Wie mit Emerging-Market-Aktien kann man auch mit Emerging-Market-Anleihen in Länder investieren, die oft wachstumsstärker und produktiver sind als die klassischen Industrieländer. In den letzten 30 Jahren ist die Assetklasse gereift. Anfang der 1990er bestand der Index nur aus wenigen Ländern, und nach mehreren Krisen von Mitte der 1990er- bis Anfang der 2000er-Jahre galt die Assetklasse als risikoreich. Viele Länder haben sich aber stabilisiert, und ihre Kreditqualität hat sich verbessert. Außerdem hat der Markt an Tiefe und Breite gewonnen; sein Volumen ist auf etwa 4,7 Billionen Euro gestiegen.[1] Fast 16 Prozent aller Anleihen weltweit entfallen heute auf die Emerging Markets.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Emerging-Market-Anleihen: Fremd- und Lokalwährungstitel. Fremdwährungsanleihen sind überwiegend in US-Dollar denominiert, aber auch in Euro und Yen. Lokalwährungsanleihen werden in der Landeswährung des Emittenten begeben. Fremdwährungsanleihen kann man in Euro absichern, muss es aber nicht. Bei Lokalwährungsanleihen ist die Währungsabsicherung oft nicht sinnvoll, weil sie komplex und teuer sein kann.

Doch welche Rolle können Emerging-Market-Anleihen im Portfolio spielen? Wer eine Anlage in Betracht zieht, muss über die Volatilität und die Korrelation mit anderen Assetklassen Bescheid wissen. Oft gelten Lokalwährungsanleihen im Vergleich zu Fremdwährungsanleihen als volatil, doch entscheidend ist die Währung des Investors. Für US-Anleger waren Lokalwährungsanleihen mit 11,4 Prozent Standardabweichung p.a. in den letzten zehn Jahren tatsächlich volatiler als Fremdwährungstitel mit 9,0 Prozent. Für eurobasierte Investoren waren Lokalwährungsanleihen mit 9,2 Prozent aber wesentlich stabiler. Auch Fremdwährungsanleihen hatten eine Volatilität von 9,2 Prozent, die abgesichert in Euro sogar leicht auf 9,0 Prozent zurückging.

In den letzten 20 Jahren erlebten Lokalwährungsanleihen mehrere Marktzyklen. Ein typischer Zyklus besteht aus vier Phasen: (1) straffere US-Geldpolitik, (2) schwächere Lokalwährungsanleihen und Emerging-Market-Währungen, (3) Zinserhöhungen in den Emerging Markets, um die Inflation zu bremsen, und (4) Stabilisierung der Emerging-Market-Währungen, Inflationsrückgang und steigende Realrendite von Lokalwährungstiteln.

Mittlerweile haben wir drei solcher Zyklen erlebt: einen vor und zwei nach der internationalen Finanzkrise. Der erste Zyklus begann mit der Straffung der US-Geldpolitik von 2004 bis 2006, der zweite mit dem Taper Tantrum 2013 und der dritte 2018, als die Fed die Geldpolitik ebenfalls straffte.

Der laufende Zyklus dürfte bald in die vierte Phase eintreten, die meist mit einer sehr guten Performance einhergeht. Die meisten Emerging-Market-Notenbanken dürften ihre Zinsen kaum noch anheben, und viele haben die Zinserhöhungen bereits beendet. Oft wird schon mit Zinssenkungen gerechnet. Außerdem könnte dem US-Dollar in nächster Zeit die Luft ausgehen, und in den Emerging Markets normalisiert sich allmählich die Inflation. Auch das ist gut für Lokalwährungspapiere.

Wir halten ihre Renditen für attraktiv, vor allem im Vergleich zu Industrieländertiteln. Nach wie vor bieten Emerging-Market-Anleihen etwa 325 Basispunkte mehr, und das trotz des starken Renditeanstiegs in den Industrieländern. Die Emerging-Market-Währungen sind ebenfalls attraktiv. So notiert ein Korb aus Emerging-Market-Anleihen gegenüber US-Dollar und Euro real zurzeit fast auf einem Mehrjahrestief. Hinzu kommt, dass die Währungen traditionell positiv mit den Rohstoffpreisen korreliert sind, mit der Rohstoffpreisrallye im letzten Jahr aber nicht mithielten. Das könnte Emerging-Market-Währungen taktisch interessant machen.

Nötig ist aber eine konsequente Länderauswahl. Investoren müssen den Marktzyklus verstehen und dabei die Lage der Weltwirtschaft berücksichtigen. Wichtig sind auch Länderanalysen. Lokalwährungsanleihen sind nämlich sehr volatil, und man muss auf Länder mit guten Fundamentaldaten setzen. Man muss die Geldpolitik der jeweiligen Notenbanken ebenso verstehen wie die Markttechnik. Sie kann Auswirkungen auf das Durations­risiko haben.

Ein wichtiges Risiko ist eine harte Landung der Weltwirtschaft. In der Rezession fliehen viele Anleger in sichere Häfen, sodass der US-Dollar dann meist aufwertet. Die Emerging-Market-Währungen könnten dann abwerten, und die Emerging-Market-Notenbanken werden ihre Zinsen dann wohl erst später senken können. Zwar dürfte das Weltwirtschaftswachstum dieses Jahr nachlassen, doch ist eine harte Landung nach den jüngsten Entwicklungen unwahrscheinlicher geworden – man denke an das Ende der chinesischen Null-COVID-Politik und die geringeren Risiken für die europäische Energieversorgung.

Wir meinen, dass deutsche Investoren über strategische Anlagen in Emerging-Market-Anleihen nachdenken sollten. Damit können sie in wachstumsstarke Volkswirtschaften investieren – und das mit einer Assetklasse, die inzwischen gereift ist: Das Marktvolumen ist gestiegen, und die Marktliquidität hat sich ebenso verbessert wie die Kreditqualität. Außerdem kann man mit Emerging-Market-Anleihen Portfolios diversifizieren, da sie mit anderen Assetklassen nur wenig korreliert sind.

Gastbeitrag von Ward Brown, Fixed Income Portfolio Manager bei MFS Investment Management

[1] Quelle: J.P. Morgan, Marktkapitalisierung des JPMorgan EMBI Global Index, JPMorgan CEMBI Broad Diversified Index und JPMorgan GBI-EM Global Diversified Index, Stand Dezember 2022. Umgerechnet in Euro.

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