Der Föderalismus gibt in Deutschland aktuell bei selbstständigen Stiftungen in vielen Punkten noch den rechtlichen Rahmen vor. Die geltenden Landesstiftungsgesetze unterscheiden sich nicht nur in den Details der Organisation der Stiftungsaufsicht, sondern schaffen auch materiell für die Tätigkeit der Stiftungen in Deutschland unterschiedliche Rahmenbedingungen. Durch die im Juli 2021 beschlossene und zum 01. Juli 2023 in Kraft tretende Reform des Stiftungsrechts soll hier nun durch die Erweiterung der stiftungsrelevanten Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch mehr Einheitlichkeit und mehr Rechtssicherheit erreicht werden.¹
Dementsprechend sind die Landesstiftungsgesetze umfassend zu überarbeiten und zu modernisieren.² Um den Erfolg der Reform zu ermöglichen und neben einer größeren Einheitlichkeit in der Rechtsanwendung auch die Attraktivität der Stiftung als Rechtsform für bürgerschaftliches Engagement zu stärken, dürfen dabei folgende Aspekte nicht in den Hintergrund geraten.
1. Notwendigkeit eines einheitlichen Stiftungsaufsichtsrecht für alle rechtsfähigen Stiftungen
Das deutsche Stiftungsrecht geht von der „gemeinwohlkonformen AlIzweckstiftung“ aus. Mit Ausnahme von ganz wenigen Sonderfällen wie der zu Recht als unzulässig angesehenen „Stiftung für den Stifter oder Stiftungszwecken, die sich außerhalb der Grundlage unserer verfassungsrechtlichen Prinzipien bewegen, sind grundsätzlich erst einmal alle Stiftungszwecke denkbar. Dieses Konzept hat der Bundesgesetzgeber bei der im letzten Jahr beschlossenen Reform auch nicht in Frage gestellt. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers darf aber auf Ebene der Landesstiftungsgesetze nun nicht ausgehebelt werden. Die Stiftungsaufsicht findet ihre Existenzberechtigung in Besonderheiten der Rechtsform „Stiftung” an sich: Alle Stiftungen eint, dass sie nach Konzeption des deutschen Rechts weder Gesellschafter noch Mitglieder haben. Der Grundgedanke ist, dass die Stiftungsaufsicht diese Lücke füllt. Das bedeutet aber auch, dass schlicht aufgrund ihrer rechtsformspezifischen Besonderheiten auch privatnützige Stiftungen z. B. Familienstiftungen weiter der Stiftungsaufsicht unterliegen müssen. Die fehlende Gemeinwohlorientierung des Zwecks dieser Stiftungen rechtfertigt per se nicht die entsprechende Einschränkung der Aufsicht. Auch Verbrauchsstiftungen sind keinesfalls weniger schutzbedürftig als „Ewigkeitsstiftungen” und schon gar nicht mit dem Argument, dass das Finanzamt ja in Gemeinnützigkeitsfragen ohnehin Aufsicht ausübe, aus der Stiftungsaufsicht auszunehmen. Der Weg, den das bereits beschlossene neue Stiftungsgesetz des Landes Brandenburg hier einschlagen hat, führt in die Sackgasse. Gelingt es nämlich nicht, hier zu einer einheitlichen Linie bei der Reform der Landesstiftungsgesetze zu kommen, werden Stifter:innen künftig bei der Wahl des Stiftungssitzes berücksichtigen, wie die jeweilige Intensität der Stiftungsaufsicht konkret ausgestaltet ist. Das würde aber das offensichtliche Interesse des Bundes-gesetzgebers an einer stärkeren Vereinheitlichung des Stiftungsrechts konterkarieren.
2. Respekt des Stifterwillens
Auch die herausragende Bedeutung des Stifterwillens für die Tätigkeit einer rechtsfähigen Stiftung wird durch die Besonderheiten dieser Rechtsform begründet. Dieser Primat des Stifterwillens ist in § 83 BGB n.F. ausdrücklich niedergelegt und damit insbesondere auch für die Neufassung der Landesstiftungsgesetze maßgeblich. Will man die Attraktivität der Rechtsform „Stiftung“ stärken, ist die Autonomie des Stifterwillens zu respektieren. Auch echte oder vermeintliche Vereinfachungsgedanken dürfen hier nicht dazu verleiten, Vorgaben von Mustersatzungen der Stiftungsaufsichtsbehörden an die Stelle des konkreten Stifterwillens treten zu lassen. Die Rechtsform Stiftung bietet hier viel Raum für Individualität. Stifter:innen, die diesen Freiraum nutzen wollen, dürfen daran nicht – auch nicht mittelbar – durch vermeintlich zwingende Vorgaben der Landesstiftungsgesetze oder entsprechender Mustersatzungen gehindert werden.³
3. Sicherung der Effektivität der Stiftungsaufsicht
Die bewusste Entscheidung für die grundsätzliche Beibehaltung der Stiftungsaufsicht muss zwingend zur Folge haben, dass die zuständigen Behörden personell so ausgestattet sind, dass sie diese Funktion auch sachgerecht erfüllen können. Aktuell sind die Stiftungsaufsichtsbehörden bundesweit personell knapp besetzt und teilweise massiv überlastet. Alle theoretischen Überlegungen z. B. zur Erleichterung von Zusammenlegungen von Stiftungen oder auch zu Satzungsänderungen sind hinfällig, wenn auf Ebene der einzubindenden Behörden nicht die Ressourcen bereitgestellt werden, um die entsprechenden Verwaltungsverfahren in einem angemessenen Zeitraum bewältigen zu können.
Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Stiftungsrechtsreform ist deshalb die Sicherung der Funktionalität der Stiftungsaufsicht. Vor diesem Hintergrund sollten die Landesgesetzgeber auch zurückhaltend mit der Schaffung von Aufsichtstatbeständen außerhalb der vom Bundesgesetzgeber vorgesehenen Fälle umgehen. Soweit hier beispielsweise der zuletzt vorgelegte Entwurf des Schleswig-Holsteinischen Stiftungsgesetzes die Beibehaltung bzw. sogar Erweiterung eines Katalogs von anzeigepflichtigen Handlungen im Bereich der Eingehung von Rechtsgeschäften, Umschichtungen des Stiftungsvermögens oder der Gewährung unentgeltlicher Zuwendungen vorsieht, sollte sorgfältig abgewogen werden, ob der Mehrwert der Bearbeitung entsprechender Anzeigen durch die Stiftungsaufsicht die Beanspruchung entsprechender Mitarbeiterkapazitäten rechtfertigt. Entscheidet man sich auf dieser Grundlage dafür, Anzeigepflichten vorzusehen, dann sollten jedenfalls entsprechend dem Beispiel aus Schleswig-Holstein kurze Reaktionszeiten für die Stiftungsaufsicht vorgegeben werden. Aus Sicht der auf eine einigermaßen zeitnahe Rückäußerung der Stiftungsaufsicht angewiesenen Stiftungen wäre es hier sogar wünschenswert, Genehmigungsfiktionen auch bei Satzungsänderungen nach Ablauf entsprechend bemessener Fristen vorzusehen.
4. Weitere Aspekte und Perspektiven
Auch bei der jüngsten Reform des Stiftungsrechtes sind einzelne Themen ungeregelt geblieben, die durchaus hilfreich für den Stiftungssektor hätten sein können. Soweit sich hier Möglichkeiten zur Aufnahme von entsprechenden weiteren Regelungen auf Ebene der zu reformierenden Landesstiftungsgesetze ergeben, wäre dies zu begrüßen. Dies gilt insbesondere auch für die Aufnahme von Rüge- oder Klagerechten der Organmitglieder von Stiftungen in die entsprechende Landesgesetzgebung. Sonst bleibt insoweit nur die Option ein solches „Whistleblowing“ einzelner Organmitglieder oder darüber hinausgehende Klagerechte im Zuge der angedachten Evaluation der Stiftungsrechtsreform wieder zum Thema zu machen. Wann sich allerdings hier wieder ein Fenster für echte gesetzgeberische Neuerungen öffnet, ist offen.
ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU
1 Umfassend zur Reform s. Orth/Uhl, Stiftungsrechtsreform 2021, Köln 2021; Hüttemann/Rawert, ZIP 2021 (S3); Schauhoff/Mehren, NJW 2021, 2993 ff.; Gollan, npoR 2021, 277 ff.
2 Dies ist eine zentrale Forderung des Positionspapiers des Bundesverbands Deutscher Stiftungen zur Reform der Landesstiftungsgesetze. Vgl.:https://www.stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Verband/Wer_Wir_sind/Positionen/Stellungnahme_052022_Landesstiftungsgesetze.pdf
3 Ausdrücklich nicht gemeint sind hier die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben in Zusammenhang mit § 60a AO.
* Die Autorin ist Rechtsanwältin, Steuerberaterin und Partnerin der Hamburger Sozietät ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU sowie Mitglied im Beirat des Bundesverbands Deutscher Stiftungen.