Am 16. Mai 2023 hat nach dem Europäischen Parlament nun auch der Rat der Europäischen Union die neue Verordnung über Märkte für Krypto-Werte (MiCAR) angenommen und damit erstmals einen Rechtsrahmen auf EU-Ebene für das Ökosystem der Krypto-Assets festgelegt. Mit dem neuen Regelwerk sollen der europäische Rechtsrahmen für Krypto-Assets harmonisiert und der Anlegerschutz im digitalen Finanzwesen erhöht werden. Nach ihrem Inkrafttreten wird die MiCAR in allen EU-Mitgliedstaaten direkt anwendbar sein. Die Vorschriften sehen allerdings großzügige Übergangsregelungen vor. Während die Regelungen für sogenannte wertreferenzierte Krypto-Werte und E‑Geld-Token voraussichtlich im Juli 2024 in Kraft treten, wird der Großteil der MiCAR erst Anfang 2025 wirksam werden.
Als Teil des Pakets zur Digitalisierung des Finanzwesens hatte die Europäische Kommission am 24. September 2020 erstmals einen Vorschlag für die neue Verordnung vorgestellt, über dessen Details der Rat der Europäischen Union, die EU-Kommission und das Europäische Parlament in sogenannten Trilogverhandlungen berieten. Zielsetzung der Verordnung war eine bis dato fehlende Harmonisierung in der Regulierung der Krypto-Märkte hinsichtlich des Vertriebs, der Emission und des Handels mit Krypto-Assets. Dieses Ziel hat der europäische Verordnungsgeber grundsätzlich auch erreicht, wenngleich die MiCAR einige Regelungsbereiche noch unangetastet lässt.
Neue Klassifizierung für Krypto-Assets
Zunächst führt die MiCAR eine neue Legaldefinition für den Begriff der „Krypto-Assets“ ein. Im Vergleich zur bestehenden deutschen Legaldefinition von „Krypto Werten“ in § 1 Abs. 11 KWG legt die MiCAR dabei grundsätzlich einen breiteren Maßstab an. Darüber hinaus führt die Verordnung eine neue Klassifizierung von Krypto-Assets ein: Diese unterscheiden sich fortan in (i) wertreferenzierte Token, (ii) E‑Geld-Token, (iii) Utility-Token und (iv) sonstige Token. Letztere Kategorie dient als Auffangtatbestand für Token, die sich keiner anderen Token-Art zuordnen lassen.
Nicht vom Anwendungsbereich der MiCAR erfasst sind Instrumente, die bereits durch die MiFID II reguliert werden, einschließlich Wertpapieren, die zusätzlich in den Anwendungsbereich der EU-Prospektverordnung fallen. Nach Inkrafttreten der MiCAR wird es daher drei Kategorien von Krypto-Instrumenten geben: Solche, die als Krypto-Assets in den Anwendungsbereich der MiCAR fallen, solche, die als Finanzinstrumente in den Anwendungsbereich der MiFID II fallen (einschließlich Securities-Token – diese gelten in Deutschland nach dem Willen der der BaFin bereits jetzt als „Wertpapiere sui generis“ und werden nach Prospektrecht behandelt), sowie unregulierte Produkte, die weder in den Anwendungsbereich der MiCAR noch der MiFID II fallen.
Neue Erlaubnispflichten
Zentrales Element der MiCAR und in einigen EU-Mitgliedstaaten grundlegend neu sind die Erlaubnispflichten für Emittenten und Anbieter bestimmter Krypto-Assets sowie Antragsteller für die Einbeziehung von Krypto-Assets auf Krypto-Handelsplattformen. Auch Anbieter bestimmter Dienstleistungen im Zusammenhang mit Krypto Assets bedürfen künftig einer Erlaubnis der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde. Die relevanten Dienstleistungen umfassen eine Reihe von Tatbeständen, die denjenigen ähneln, die bereits nach bestehendem deutschen Aufsichtsrecht wegen des dort weit gefassten Begriffs des Finanzinstruments einer Erlaubnispflicht unterliegen. Kreditinstitute bedürfen keiner weiteren Erlaubnis für das Erbringen von Krypto-Asset Dienstleistungen, wenn sie ihrer zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde zuvor die beabsichtigte Tätigkeit anzeigen. Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestehen Erleichterungen in Bezug auf Krypto-Asset Dienstleistungen, die jenen entsprechen, für die ihnen bereits nach MiFID II bzw. dem jeweiligen nationalen Aufsichtsrecht eine entsprechende Erlaubnis erteilt wurde.
Gleichbehandlung von E‑Geld-Token und E‑Geld
E‑Geld-Token dürfen mit Inkrafttreten der MiCAR nur noch von Kreditinstituten und E‑Geld-Instituten im Sinne der E‑Geld-Richtlinie emittiert werden. Indes setzt die Definition von E‑Geld-Token keineswegs die Existenz eines Emittenten voraus. Gleichwohl ordnet die MiCAR die Gleichbehandlung von E‑Geld-Token und E‑Geld an, mit der Folge, dass auf E‑Geld-Token immer auch die strengere E‑Geld-Richtlinie Anwendung findet, wenngleich die Regelungen der E‑Geld-Richtlinie in erster Linie Rechte und Pflichten für Emittenten von E‑Geld vorsehen. Insofern geht der Verweis der MiCAR auf die E‑Geld-Richtlinie bei dezentral geschaffenen E‑Geld-Token ins Leere.
Whitepaper-Pflicht und Haftung
Weiterhin dürfen mit Inkrafttreten der neuen Regelungen Krypto-Assets in der EU nur noch mit einem detaillierten Whitepaper angeboten werden. Dabei orientierte sich der Verordnungsgeber an etablierten europäischen Regelwerken: Während die Anforderungen an die Erstellung von Whitepapers an der EU-Prospektverordnung Anlehnung nehmen, orientieren sich die Erlaubnispflichten für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen an der Finanzmarktrichtlinie MiFID II.
Hinsichtlich der Haftung des Erstellers eines fehlerhaften Whitepapers unterscheidet sich der von der MiCAR verfolgte Ansatz deutlich von dem in Deutschland geltenden Haftungsregime im WpPG: Während die Kausalität (MiCAR: „Auswirkung“) des fehlerhaften Informationsdokuments für den Rechtsvorgang als anspruchsbegründende Tatsache explizit der Darlegungs- und Beweislastsphäre der Inhaber zugeordnet wird, enthält § 12 WpPG eine Beweislastumkehr zugunsten der Anleger. Eine solche Beweislastumkehr liegt insofern nahe, als es für den Anleger praktisch unmöglich ist, den Beweis der Kausalität zu führen.
Einordnung in den deutschen Kontext
Durch die Erweiterung der Definition von Finanzinstrumenten auf Krypto-Werte in § 1 Abs. 11 Nr. 10 KWG im Zuge der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie (AMLD5) hatte der deutsche Gesetzgeber bereits die bis dahin genutzte regulatorische Einordnung bestimmter Krypto-Werte als „Rechnungseinheiten“ im Sinne des § 1 Abs. 11 Nr. 7 KWG ersetzt. Mit dieser war Deutschland im Vergleich zu den übrigen EU-Mitgliedstaaten frühzeitig einen Sonderweg gegangen und hatte vorzeitig eine Regulierung bestimmter Krypto-Assets eingeführt. Auch die vorzeitige Einführung der Erlaubnispflicht für das Krypto-Verwahrgeschäft war in Europa einzigartig. Durch diese frühen Schritte erfordert in Deutschland bereits heute die Erbringung von Dienstleistungen in Bezug auf Krypto-Werte eine Erlaubnis nach KWG oder WpIG. Dieser Ansatz führt dazu, dass einige der mit der MiCAR verbundenen Neuerungen in Deutschland bereits jetzt in ähnlicher Form Anwendung finden, so dass sich Dienstleister schon länger mit einer Regulierung des Krypto-Geschäfts auseinandersetzen konnten. Dies könnte deutschen Marktteilnehmern zumindest vorübergehend einen gewissen Wettbewerbsvorteil bieten.
Fazit
Mit Inkrafttreten der MiCAR wird in Europa eine einheitliche Regulierung bislang mitunter unregulierter Krypto-Assets eingeführt, die den bestehenden und sehr uneinheitlichen europäischen Rechtsrahmen harmonisieren. In Mitgliedstaaten wie Deutschland werden die neuen Regelungen voraussichtlich zu einigen Anpassungen der bereits existierenden Vorschriften führen, um dem neuen Rahmen Rechnung zu tragen. Trotz der noch offenen Regelungsbereiche, z. B. im Bereich der NFTs und der
Überschneidungen im Bereich der E‑Geld-Token stellen die neuen Regelungen einen wichtigen Ausgangspunkt für einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen für Krypto-Assets dar.
Autor: Dr. Dominik Kloka
LL.M. (NYU) Associated Partner
Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB