Das verlorene Jahrzehnt der Schwellenländer geht zu Ende!

Es war ein schwieriges Jahrzehnt für Investoren in Schwellenländer. Einiges spricht dafür, dass sich dies 2024 ändert. Im Gespräch hat uns Sammy Suzuki, Head Emerging Markets Equities bei AllianceBernstein verraten, warum er ein Comeback der Schwellenländer sieht, welche Rolle China und Indien dabei zukommen und wo er die größten Risiken in den kommenden Monaten sieht.      
27. März 2024
Sammy Suzuki - Foto: Copyright AllianceBernstein

Es war ein schwieriges Jahrzehnt für Investoren in Schwellenländer. Einiges spricht dafür, dass sich dies 2024 ändert. Im Gespräch hat uns Sammy Suzuki, Head Emerging Markets Equities bei AllianceBernstein verraten, warum er ein Comeback der Schwellenländer sieht, welche Rolle China und Indien dabei zukommen und wo er die größten Risiken in den kommenden Monaten sieht. 

INTELLIGENT INVESTORS: Herr Suzuki, einige Experten bezeichnen die vergangenen Jahre als “verlorenes Jahrzehnt” der Schwellenländer. Stimmen Sie dem zu?

Sammy Suzuki: Was wir gesehen haben, lässt sich durchaus so bezeichnen. Insgesamt waren die Erträge in den Emerging Markets in den letzten zehn Jahren unterdurch-schnittlich. Gerade auch im Vergleich zu den Aktienindizes in den Industriestaaten, die sich in der Zeit überdurchschnittlich entwickelt haben. Man brauchte nur in den S&P500-Index zu investieren, und schon konnten Anleger sehr zufrieden sein. In den Schwellenländern verlangsamten sich dahingegen die Wachstumsraten schneller als erwartet. Der US-Dollar legte deutlich zu und die geopolitischen Unruhen in China und weltweit trugen ebenfalls negativ zu der Entwicklung der Emerging Markets bei. Für 2024 sind die Vorzeichen jedoch andere …

II: Sie erwarten für dieses Jahr also ein Comeback der Schwellenländer?

Suzuki: Die Daten sprechen dafür. Während das letzte Jahrzehnt für die Schwellenländer enttäuschend war, erzielten sie in den zehn Jahren davor sehr hohe Erträge. Das war genau die Zeit, in der es in den Industriestaaten eben nicht so gut lief. Dann kam es zur Finanzkrise in Asien, den Zahlungsausfall Russlands und den Aufstieg der Dot.com-Unternehmen, deren Epizentrum der Internet-Revolution in den Vereinigten Staaten lag. Mit anderen Worten: Wenn die Industriestaaten wirtschaftlich schwächeln, könnte das sehr wohl die Voraussetzungen für starke Schwellenländer-Erträge schaffen.

II: Worauf sollten Anleger bei der Suche nach geeigneten Investitionsmöglichkeiten achten?

Suzuki: Die Schlüsselfrage für Anleger lautet: Was sind Vermögenswerte, die sich in Zukunft besser erweisen als der Erwartungshorizont. Der Konsenspessimismus, der durch niedrige Bewertungen bestätigt wird, ist ein guter Ansatzpunkt. Allerdings ist “billig” allein ein unzureichendes Kriterium. Anleger sollten sich auch fragen: Wie können diese Unternehmen den Markt in den kommenden Jahren positiv überraschen? Und Schwellenländer vs. Entwickelte Märkte ist eine wichtige Achse, auf die sich die Anleger konzentrieren sollten.

II: Was sind nach Ihrer Meinung, die wichtigsten Trends, die die Emerging Markets in Zukunft antreiben werden?

Suzuki: In den Schwellenländern gibt es heute mehrere Haupttreiber: Innovation, Reshoring oder China als Gewinner – um nur einige zu nennen. Gerade die Innovationskraft, ist eine wichtige Triebfeder, von der Emerging Markets profitieren können. Der Anteil der Patente in den Schwellenländern ist in den vergangenen Jahrzenten stetig gestiegen. Das ist ein starker Indikator für künftige Innovationen. Schon heute gibt es spannende Möglichkeiten, die bisher übersehen wurden. Nehmen Sie zum Beispiel KI. Der ganze Hype dreht sich um Nvidia, was zugegebenermaßen eine spannende Geschichte ist. Auf der anderen Seite sind Unternehmen wie Asia Vital Components noch weitgehend unbekannt.

II: Was macht Asia Vital genau?

Suzuki: Die Geräte, die KI nutzen, werden in Zukunft immer fortschrittlichere Halbleiter verwenden. Dafür werden Chips benötigt, in denen die Elektronen immer dichter verbaut sind. Das bedeutet auch, dass mehr Wärme erzeugt wird. Überhitzung ist eine relevante konstruktionsbedingte Einschränkung. Hier kommt Asia Vital Components ins Spiel. Das Unternehmen ist einer der Weltmarktführer für Wärmemanagementsysteme in Computern.

II: Als weiteren Treiber neben der Innovationskraft hatten Sie Reshoring genannt … 

Suzuki: Ja, seit Chinas Aufnahme in die Welthandelsorganisation im Jahr 2001, hat sich das Land mehr und mehr zur Fabrik für die Welt entwickelt. Angesichts der steigenden Arbeitskosten in China sowie den Risiken in den Lieferketten, die ja auch die COVID-Pandemie nochmal offengelegt hat, diversifizieren multinationale Unternehmen jedoch zunehmend ihre Produktionsstandorte. Sie nennen dies die “China + 1”-Strategie. Die wichtigsten Nutznießer sind aufstrebende Länder wie Mexiko, Vietnam und Bangladesch …

II: … und Indien?

Suzuki: Das ist aktuell die große Frage. Indien ist zwar mittlerweile das bevölkerungsreichste Land der Welt und verfügt über ein reichhaltiges Angebot an kostengünstigen Arbeitskräften. In der Vergangenheit konnte sich das Land jedoch aufgrund der schlechten Infrastruktur und des bürokratischen Aufwands nie als führende Nation im verarbeitenden Gewerbe etablieren. Die indische Regierung geht diese Probleme nun proaktiv an. Auch multinationale Unternehmen beginnen mittlerweile damit, ihre Produktion nach Indien zu verlagern. Apple zum Beispiel baut aktuell eine Airpod-Fabrik in Telangana und plant, die Produktion auch in Zukunft in Indien auszubauen.

II: Inwiefern wirken sich diese Verschiebungen bei den Lieferketten auf die chinesische Wirtschaft aus? 

Suzuki: Selbst in einer sich verlangsamenden chinesischen Wirtschaft, die übrigens nur 30 % der Emerging Markets ausmacht, gibt es viele Gewinner. Die Stärke Chinas liegt schon allein an der Vielfalt. Allein im MSCI EM Index sind über 700 chinesische Unternehmen enthalten. Darüber hinaus entstehen aktuell neue innovative Unternehmen. Die E‑Commerce-Plattform PDD zum Beispiel hat Alibaba erhebliche Anteile abgenommen. Und es gibt noch weitere Akteure, die viele internationalen Investoren überhaupt noch nicht auf dem Schirm haben. Interessant ist auch, dass einige der staatlichen Unternehmen immer sensibler werden, was Kapital- und Aktionärserträge betrifft. Insgesamt sehen wir in China viele Chancen über das gesamte wirtschaftliche Spektrum hinweg.

II: Wirtschafts- und geopolitisch ist aktuell viel in Bewegung. Auf was achten Sie 2024 besonders, wenn es um Schwellenländer geht?

Suzuki: Es liegt auf der Hand, dass die Risiken in den Schwellenländern noch sorgfältiger gesteuert werden müssen. Zwar sind auch länderspezifische Themen wichtig, doch die größten Auswirkungen werden wahrscheinlich von der US-Notenbank und den US-Präsidentschaftswahlen ausgehen. Niedrigere US-Zinsen dürften zu einem weniger starken USD führen, was für die Schwellenländer oft positiv ist. Darüber hinaus kann die China-Politik des neuen US-Präsidenten einen großen Einfluss haben. Wenn Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, wird das zu mehr Unsicherheiten führen.

 

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