Aktien und Anleihen fallen aus Sorge über längerfristig höhere Zinsen

22. Februar 2023
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Was ist geschehen?

Aktien und Anleihen gaben am Dienstag gemeinsam nach, weil die Stimmung durch Zinserhöhungsbefürchtungen, schwache Unternehmensgewinne und geopolitische Spannungen belastet wurde. Auf breiter Basis fiel der S&P 500 um 2 %. In der letzten Woche wurden in den USA starke saisonal bereinigte Einzelhandelsumsätze für den Januar bekannt
gegeben, die stabile Konsumausgaben andeuteten. Die Gewinnmeldungen der grossen Einzelhändler signalisierten nun jedoch negativere Aussichten. Home Depot rechnet in diesem Jahr mit einem Gewinnrückgang im mittleren einstelligen Prozentbereich, während der Konsens einen leichten Zuwachs erwartet hatte. Auch Walmart prognostizierte überraschend niedrigere Gewinne.

Nachdem die Anlegerinnen und Anleger nach dem Presidents’ Day wieder an die Märkte zurückgekehrt waren, schienen sie besorgt zu sein, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen weiter anheben und sie länger auf einem erhöhten Niveau halten muss. Die Renditen der 10-jährigen US-Treasuries stiegen um 14 Basispunkte (Bp.) auf 3,95 % und damit auf einen neuen Höchstwert des laufenden Jahres. Die von den Futures-Märkten implizierte endgültige Fed Funds Rate erhöhte sich für den Juli um weitere 6 Bp. auf 5,37 %, während
der für den Dezember implizierte Zins auf 5,19 % stieg.

Da US-Präsident Joe Biden Europa einen Besuch abstattete und dort weitere Unterstützung der Ukraine zusicherte, bleiben die geopolitischen Spannungen erhöht. Am Dienstag sagte der russische Präsident Wladimir Putin, dass Russland nicht mehr am New-Start-Abkommen teilnimmt. Dieses
Abkommen hatte die Anzahl strategischer nuklearer Sprengköpfe der unterzeichnenden Länder begrenzt.

Was erwarten wir?

Die Marktstimmung orientiert sich weiter an der Erwartung, ob die US-Wirtschaft auf eine «harte» oder eine «sanfte» Landung zusteuert.

Im Januar stiegen Aktien und Anleihen in der Hoffnung auf eine sanfte Landung. Angetrieben wurden sie dabei durch Anzeichen einer raschen Disinflation, eine Aufwärtskorrektur der weltweiten Wachstumserwartungen und der Hoffnung auf eine bevorstehende Zinserhöhungspause der Zentralbanken. Anfang Februar endete diese Rally aber aufgrund von überraschend guten Arbeitsmarktdaten sowie einer unerwartet hartnäckigen US-Konsumentenpreisinflation.

Anfangs schienen sich die Aktienmärkte auf die kurzfristige Stärke der US-Wirtschaft zu konzentrieren. Vor dem Hintergrund eines starken Anstiegs der Leitzinserwartungen an die Fed und der Renditen 10-jähriger US-Treasuries behauptete sich die Konjunktur in den USA vergleichsweise gut. Nach den jüngsten Anzeichen, dass die Unternehmensgewinne sowohl durch die rückläufigen Nachfrageaussichten als auch die fortgesetzt hohen Kosten (insbesondere Lohnkosten) belastet werden, gerieten Aktien aber zusätzlich
unter Druck.

Seit Anfang Februar ist die Erwartung an den endgültigen Fed-Leitzins um rund 50 Bp. gestiegen, während die Renditen 10-jähriger US-Treasuries ungefähr um denselben Wert zulegten. Der S&P 500 gab fast die Hälfte seiner Gewinne des laufenden Jahres wieder ab. Die vom Markt erwartete endgültige Fed Funds Rate liegt inzwischen über dem Median der Fed-Erwartungen vom Dezember. Dies deutet an, dass für die Sitzung des Fed-Offenmarktausschusses im März mit höheren Fed-Prognosen gerechnet wird.

Auf dem Weg zur letztendlichen Landung der Wirtschaft könnten zahlreiche Kombinationen aus Wachstums- und Inflationsentwicklungen eintreten. Mit einiger Zuversicht können wir jedoch sagen, dass sowohl das US-Wachstum als auch die dortige Inflation im Jahr 2023 von ihren gegenwärtigen Ständen aus nachgeben dürften. Die grösste Unsicherheit dabei ist das Ausmass des jeweiligen Rückgangs. Bei einer Verringerung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums und der Inflation entwickelten sich erstklassige Anleihen in der Vergangenheit gewöhnlich gut, während Aktien und riskantere Anleihen niedrige oder gar negative Erträge erzielten.

Im Hinblick auf die geopolitischen Spannungen wurde in der Presse berichtet, dass die USA China vor einer militärischen Unterstützung Russlands gewarnt
haben. Unseres Erachtens ist es aber wahrscheinlicher, dass China als nächsten Schritt einen Friedensplan vorschlagen wird. Da Präsident Biden soeben erst seine Unterstützung der Ukraine bekräftigt hat, könnte dies im Moment für die USA schwer zu akzeptieren sein.

Wie investieren wir?

Die Märkte sind zwischen den beiden potenziellen Ergebnissen – also einer harten oder einer sanften Landung – gefangen. Aktien notieren im Moment deutlich über den Tiefstständen vom Oktober, aber es fehlt ihnen auch die Überzeugung, wesentlich höher zu steigen. In unserem Bericht Year Ahead hatten wir das Jahr 2023 als Jahr der Wendepunkte für die Inflation, die Geldpolitik und das Wachstum bezeichnet. Wir glauben noch immer, dass dies der Fall sein wird. Wie bereits zuvor erwähnt, hatten die Märkte am Jahresbeginn aber das Ergebnis einer sanften Landung zu stark vorweggenommen. Der heutige Ausverkauf bestärkt uns in unserer Auffassung, dass das gegenwärtige Umfeld einen selektiven Ansatz belohnen wird. Unsere Positionierung spiegelt dies wider. Wir setzen auf eine Kombination aus defensiven, substanz- und ertragsorientierten Anlagechancen, die in einem
von hoher Inflation und nachlassendem Wachstum gekennzeichneten Umfeld eine Outperformance erzielen dürften. Diese Anlagen ergänzen wir mit ausgewählten zyklischen Werten, die sich gut entwickeln dürften, wenn die Märkte beginnen, die Wendepunkte vorwegzunehmen.

In den USA sind dementsprechend erstklassige und Investment-Grade-Unternehmensanleihen unsere am stärksten bevorzugten Anlageklassen, während US-Aktien und Hochzins-Unternehmensanleihen der USA am wenigsten bevorzugt sind. Stattdessen sprechen wir uns für Aktien der Schwellenländer und Deutschlands aus, die attraktiver bewertet sind und wahrscheinlich von einem früheren Wendepunkt des Wachstums in China und Europa profitieren werden. Wir rechnen mit einer Outperformance von Substanzwerten gegenüber Wachstumstiteln wegen der Sorge über eine hartnäckig hohe Inflation und höhere Zinsen. Unseres Erachtens empfiehlt es sich auch, aufgrund der Risiken für die US-Wirtschaft ein gewisses defensives Engagement beizubehalten.

Geopolitische Ereignisse wirken sich häufig nur kurzzeitig auf die Finanzmärkte aus, doch der nun seit einem Jahr andauernde Krieg in der Ukraine hat weiterhin erheblichen langfristigen Einfluss auf die Sicherheitsüberlegungen. Wir gehen davon aus, dass Regierungen und Unternehmen der Versorgungssicherheit und ‑nachhaltigkeit zunehmend Vorrang gegenüber Preis und Effizienz einräumen werden. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten in den Bereichen Rohstoffe, Greentech, Energieeffizienz, Agrarertrag, Ernährungsrevolution und Cybersicherheit.

Marktkommentar von Mark Haefele, 
Global Wealth Management Chief Investment Officer, UBS AG

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