Schaut auf die fundamentalen Trends

Die Super-Hausse an den deutschen Immobilienmärkten ist erstmal vorbei. Gebannt blicken die Marktteilnehmer auf die quartalsweise erscheinenden Marktdaten der großen Maklerhäuser, die Quartalsberichte der börsennotierten Bestandshalter (von denen es in Deutschland de facto nur noch einen großen gibt) und das Insolvenzgeschehen bei den Projektentwicklern. Grund zum Jubeln liefern die Zahlen kaum jemandem, von Leerverkäufern oder Schnäppchensuchern einmal abgesehen. Viele Investoren jedoch fassen die Assetklasse Immobilien derzeit nur noch mit spitzen Fingern an.
15. September 2023
Sascha Hertach - Foto: © Arbireo Capital

Die Super-Hausse an den deutschen Immobilienmärkten ist erstmal vorbei. Gebannt blicken die Marktteilnehmer auf die quartalsweise erscheinenden Marktdaten der großen Maklerhäuser, die Quartalsberichte der börsennotierten Bestandshalter (von denen es in Deutschland de facto nur noch einen großen gibt) und das Insolvenzgeschehen bei den Projektentwicklern. Grund zum Jubeln liefern die Zahlen kaum jemandem, von Leerverkäufern oder Schnäppchensuchern einmal abgesehen. Viele Investoren jedoch fassen die Assetklasse Immobilien derzeit nur noch mit spitzen Fingern an.

Zu Unrecht, wie ich aus voller Überzeugung denke. Denn zumindest langfristig orientierte Investoren sollten fundamentale Faktoren und Trends zum Maßstab ihrer Anlageentscheidung nehmen. Und gerade bei Wohnimmobilien spricht alles dafür, dass die strukturelle Nachfrage langfristig weiterhin hoch sein und sogar noch zunehmen wird. Und dass bei einem gleichzeitig knappen und begrenzten Gut. Daher spricht alles dafür, dass es sich langfristig auch um potenziell attraktive Investmentchancen handelt. Schon der gewitzte Mark Twain wusste Ende des 19. Jahrhunderts: „Kauft Land! Gott erschafft keines mehr.“

Der Bedarf an Wohnungen wächst …

Auch wenn Geburts- und Sterbedaten hierzulande Stillstand und Schrumpfung suggerieren, die Migration nach Europa und insbesondere nach Deutschland wird bis auf Weiteres anhalten. Gleichzeitig zieht es immer mehr Menschen in die Städte. Damit sind nicht nur die Top-7-Metropolen in Deutschland oder andere europäische Hauptstädte gemeint. Auch in attraktiven B‑, C- und D‑Städten wächst die Bevölkerung, wenn sie in wirtschaftlich starken Regionen liegen. Deutschland ist ein Land des Mittelstands, und die weltweit erfolgreichen „Hidden Champions“ sind in Ostwestfalen oder auf der Schwäbischen Alb mitunter stärker vertreten als in Berlin oder Hamburg. Und neue Champions treten auf den Plan, wie Dresden oder Magdeburg. Keine Frage, es gibt auch viele schrumpfende Städte und Regionen in Deutschland. Aber den Blick auf die größten Städte zu verengen, wird der Sache nicht gerecht.

Zu dem Bevölkerungswachstum in vielen Regionen kommen noch weitere Faktoren hinzu: So werden die Haushaltsgrößen immer kleiner. In den Metropolen sind inzwischen mehr als die Hälfte aller Haushalte Single-Haushalte. Die verbrauchen pro Kopf gerechnet mehr Wohnfläche als eine vierköpfige Familie. Doch auch bei denen steigt die durchschnittliche Wohnungsgröße immer weiter an. Wir brauchen also selbst bei konstanter Bevölkerung mehr Wohnraum. Zugleich steigen auch die Ansprüche an die Qualität des Wohnraums, sowohl in Sachen Komfort als auch bei der Energieeffizienz. Sanierungen und Umbauten im Altbestand werden unumgänglich – und manches Mal wohl auch die Abrissbirne.

Kurzum: Die Nachfrage nach Wohnraum in Deutschland wird aus gesellschaftlichen und demografischen Gründen steigen. Man mag das zum Teil kritikwürdig finden und zum Gegensteuern aufrufen, aber solche großen langfristigen Trends lassen sich erfahrungsgemäß nicht dauerhaft umkehren.

… aber das Angebot kommt nicht nach

Es tut also Not, mehr Wohnraum zu schaffen. Aber leider passiert derzeit das Gegenteil. Die Immobilienbranche schätzt den Baubedarf schon seit einigen Jahren auf etwa 400.000 neue Wohnungen pro Jahr in Deutschland – mal etwas mehr, mal etwas weniger. Das hat sich die Ampelkoalition auf die Fahne geschrieben. Damals standen wir bei knapp unter 300.000 Fertigstellungen pro Jahr – Tendenz seither fallend. Die Genehmigungszahlen deuten eher in Richtung 200.000. Und viele der bereits genehmigten Bauprojekte werden auf absehbare Zeit nicht umgesetzt werden, sodass der Genehmigungsüberhang wächst.

Die Gründe liegen in einer komplexen Gemengelage aus gestiegenen Finanzierungskosten, sehr hohen Baukosten, teils absurd übertriebenen Bau‑, Umwelt- und Energieeffizienzvorschriften, der Furcht vor mietpolitischen Regulierungsmaßnahmen, hohen Grundstückspreisen, langwierigen Genehmigungsverfahren und manchem mehr. Bauen lohnt sich einfach derzeit für die Investoren kaum noch – es sei denn, sie könnten 20 Euro Miete pro Monat und Quadratmeter realisieren, was aber außerhalb von München und Frankfurt derzeit weder am Markt noch politisch durchsetzungsfähig ist.

Insofern könnte man Mark Twains Zitat für die heutige Zeit leicht umwandeln: „Kauft Wohnungen! Die Baubranche erschafft keine mehr.“ Das ist natürlich übertrieben, trifft aber den Kern der Sache: Die Nachfrage steigt, aber das Angebot hält nicht Schritt, und in der Tendenz geht diese Kluft derzeit sogar noch weiter auseinander.

Blindlings bringt nichts

Für Investoren bedeutet das: Investments in deutsche Wohnimmobilien sind prinzipiell Investments in ein begehrtes und zugleich rares Gut. Das bedeutet freilich nicht, dass man blindlings zuschlagen kann und sollte. Wie eingangs geschildert, gibt es auch in Deutschland sowohl Wachstums- als auch schrumpfende Regionen. Hinzu kommt, dass sich in den Metropolen zum Teil Preise gebildet haben, die nicht mehr viel Spielraum nach oben zuließen und im Zuge der gestiegenen Zinsen wohl Rückschlagpotenzial haben. Wer in München eine Wohnimmobilie zum 40-Fachen der Jahresnettokaltmiete erworben hat, wird das womöglich zu spüren bekommen, wenn er verkauft. Andererseits hat er ein Asset mit hoffentlich gesichertem regelmäßigen Cashflow und langfristigem Mietsteigerungspotenzial.

Unser Ansatz war und ist es jedoch noch immer, die Chancen in den kleineren, aber dennoch prosperierenden Städten wahrzunehmen, die nicht jede Preisübertreibung in den Zeiten der Super-Hausse mitgemacht haben. Wer das berücksichtigt und auf langfristige Trends setzt, hat im gegenwärtigen Immobilienmarktumfeld wenig zu befürchten. Es sei denn, Gott käme auf die Idee, neues Land zu erschaffen.

Gastbeitrag von Sascha Hertach, Vorstand, Arbireo Capital

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