Tobam CIO Monthly: Let’s talk about debt!

Die Zinswende scheint vorerst eingepreist. Aber worauf sollen Anleger bei ihrer langfristigen Vermögensplanung jetzt setzen? Die Antwort leitet Axel Cabrol, CIO der französischen Quantboutique Tobam, aus dem Trend der steigenden Staatsschulden ab.
23. November 2023
Axel Cabrol - Foto: © Tobam

Die Zinswende scheint vorerst eingepreist. Aber worauf sollen Anleger bei ihrer langfristigen Vermögensplanung jetzt setzen? Die Antwort leitet Axel Cabrol, CIO der französischen Quantboutique Tobam, aus dem Trend der steigenden Staatsschulden ab.

Langfristig orientierte Anleger sollten zwei Beobachtungen im Blick haben. Die eine betrifft die Stärke der US-Konjunktur: die umfangreichen fiskalischen Impulse haben die amerikanische Wirtschaft auf den Trendpfad vor der Covid-Krise zurückgeführt, was derzeit an ungewöhnlich robusten Unternehmensmargen ablesbar ist. Normalerweise reagieren die Gewinnspannen sehr empfindlich auf den allgemeinen Wachstumsrückgang in einer Rezession.

Unternehmenswerte von Zinserhöhungen bislang unbeeindruckt

Die Jahre 2021 und 2022 wichen jedoch mit ungewöhnlich hohen Margen vom üblichen Erholungsmuster ab, so dass die Zentralbanken wenig Bedenken hatten, mit höheren Zinsen gegen die Inflation vorzugehen. Im Jahr 2023 erholten sich die Gewinnspannen weiter. Im dritten Quartal waren die Gewinnberichte mit 82 % positiven Überraschungen in den USA so stark, dass diese Widerstandsfähigkeit hinterfragt werden muss.

Dafür gibt es zwei Erklärungen: Milton Friedmans Erklärungsansatz, der von einer verzögerten geldpolitischen Wirkung ausgeht — und die “nominale Illusion” (Erträge steigen losgelöst von den realen Produktivitätsgewinnen mit den Verbraucherpreisen). Beide Erklärungen verheißen mittelfristig nichts Gutes für die Unternehmen und deren Börsenwerte: Die erste deutet auf eine noch ausstehende Rezession hin, die zweite auf überhöhte Bewertungsmultiplikatoren im Verhältnis zum Zins- und Inflationsniveau. In beiden Szenarien können die langfristigen Zinsen die Aktienrenditen im Jahr 2024 erheblich beeinflussen.

Ausufernde Schuldenquoten der G7-Staaten als Risiko

Die andere wichtige Beobachtung betrifft die Auswirkung höherer Zinssätze. Man könnte meinen, dass die Zinswende an den Märkten Schnee von gestern ist – wären da nicht die weiter steigenden Verschuldungsquoten, die ausgehend von den USA in den westlichen Industriestaaten ein gefährlich hohes Ausmaß angenommen haben.

Es kommt einem “Let’s talk about debt, Baby”, aus dem Jahr 1991 in den Sinn, mit dem Salt-N-Pepa damals in Europa berühmt wurde. Die Herabstufung der US-Anleihebonität durch Moody’s nach Fitch im vergangenen Juli und die von Persönlichkeiten wie dem ehemaligen IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard geäußerten Bedenken machen eine Diskussion um die steigende globale Staatsverschuldung unausweichlich.

Das US Congressional Budget Office geht davon aus, dass die Schuldenquote bis 2030 auf 130 % des BIP ansteigen wird, während sie heute bei 97 % liegt. Davon abgesehen liegt die durchschnittliche Schuldenquote der G7-Staaten bei etwa 100 %, und Chinas Staatsverschuldung erreicht laut dem Analysehaus Rhodium Group 130 %, wenn man die Verbindlichkeiten lokaler Gebietskörperschaften miteinbezieht. Weltweite Tendenz: steigend.

Privatwirtschaftliche Investoren, zu denen vor allem institutionelle Käufer aus Asien zählten, haben ihre Quoten für langlaufende Bonds der Industriestaaten reduziert. Nur gegen wesentlich höhere Zinsen lassen sie sich auf Staatspapiere ein. Die weltweiten Zinsausgaben belaufen sich im Jahr 2023 schon auf über 3 Billionen Dollar, davon zahlen allein die USA über 1 Billion Dollar.

Lehren aus der Geschichte

Die Regierungen sehen sich in einem als Polykrise bezeichneten Umfeld mit einem enormen Finanzierungsbedarf konfrontiert. Gleichzeitig sind Kompromisse bei Ausgabenkürzungen aufgrund der alternden Bevölkerung, der Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der steigenden Verteidigungshaushalte schwieriger geworden. Mit der Inflation und der damit verbundenen Investorenerwartung nach höherer Verzinsung, ist eine expansive Konjunkturpolitik wie bisher keine Option mehr. Daraus resultierende mögliche Verwerfungen sollten Anleger in ihre Vermögensplanung einschließen.

Aus der Geschichte lassen sich jedoch einige Lehren für die langfristige Vermögensallokation ziehen: Erstens kommen Demokratien in der Regel besser mit solchen Krisen zurecht; zweitens können manche Unternehmenskredite eine bessere Alternative sein als schwache Staatsschulden; und drittens verschiebt sich der Anlegerfokus von der Vermögensmaximierung auf die Sicherung des Realeinkommens. Die Anleiheallokationen werden vermutlich eher steigen, wobei der Schwerpunkt auf der geografischen Diversifizierung, dem Verschuldungsgrad von Unternehmen und der sorgfältigen Prüfung des autoritären Regime-Risikos und der Kreditqualität liegt.

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