Light Industrial – das (noch) unentdeckte Immobiliensegment

Bei vielen Industrieunternehmen findet derzeit ein Umdenken statt. Lieferketten sollen resilienter werden, Produktion kehrt in die Heimat zurück. Das sorgt für Nachfrage nach Light-Industrial-Immobilien, die viele Investoren noch nicht auf dem Radar haben.
5. Juni 2023
Michael Bohde - Foto: © Cromwell

Bei vielen Industrieunternehmen findet derzeit ein Umdenken statt. Lieferketten sollen resilienter werden, Produktion kehrt in die Heimat zurück. Das sorgt für Nachfrage nach Light-Industrial-Immobilien, die viele Investoren noch nicht auf dem Radar haben.

Jahrzehntelang galt Offshoring als das Mittel der Wahl, um Lieferketten zu optimieren. Die Kalkulation der Unternehmen ergab, dass der Kostenvorteil bei der Produktion in Ländern mit niedrigerem Lohnniveau, insbesondere in Ostasien, den Investitionsaufwand, die Transportkosten und die Risiken, die mit der Fertigung in fernen Ländern verbunden sind, aufwog.

Immer wieder aber gab es auch entgegengesetzte Bewegungen. So in der Textilfertigung, die seit Jahrzehnten als Paradebeispiel für Offshoring in Billiglohnländern gilt. 2020 entschied der Textileinzelhändler C&A, einen Teil der Jeansproduktion wieder nach Deutschland zu holen. Seit vergangenem Jahr rattern in Nordrhein-Westfalen wieder die Nähmaschinen, und mehrere zehntausend Hosen verlassen monatlich das C&A‑Werk in Mönchengladbach.

Diese Rückverlagerung von Fertigung ins Heimatland oder in geografisch nahe liegende Länder heißt Reshoring beziehungsweise Nearshoring. Mit der Erfahrung nachhaltig gestörter Lieferketten infolge der Corona-Pandemie ist Reshoring – trotz höherer Produktionskosten – zu einem breiteren Trend geworden. Der Überfall Russlands auf die Ukraine und die Erkenntnis, dass geopolitische Krisen komplexe Lieferketten unterbrechen können, tat ein Übriges.

Der internationale Energie- und Automatisierungskonzern ABB hat in einer Umfrage ermittelt, dass 86 Prozent der deutschen Unternehmen Pläne für Reshoring verfolgen, bei europäischen Firmen sind es 74 Prozent. Als wichtiges Motiv wird dabei angegeben, von China als Fertigungsland weniger abhängig zu werden. Zahlreiche Unternehmen sind bereits in die Umsetzung gegangen, so Infineon und Bosch mit Halbleitern und Volkswagen und Daimler mit Batterien. Auch politische Initiativen, die mehr Sicherheit bei der Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern anstreben, dürften hier eine Rolle spielen.

Zunehmender Flächenbedarf durch Reshoring

Reshoring führt nicht nur dazu, dass neue Produktions- und Infrastrukturanlagen errichtet werden, es erzeugt auch zusätzliche Logistikaktivität und schafft Bedarf an entsprechenden Flächen. Insbesondere ein Segment profitiert davon – das der Light-Industrial-Immobilien, die neben Lager- und Logistikflächen auch Möglichkeiten für „leichte“ industrielle Nutzungen bieten. Gemeint ist damit eine flache Fertigungstiefe. Während Logistikimmobilien in aller Regel auch einen kleinen Anteil an Büroflächen beinhalten, ist deren Anteil im Teilsegment Light Industrial meist umfangreicher. Eine weitere Besonderheit ist die Lage: Anders als typische Logistikzentren, die häufig auf der „grünen Wiese“ angesiedelt werden, befinden sich Light-Industrial-Immobilien oft in urbanen Regionen innerhalb von Ortsgrenzen und in der Nähe von Wohngebieten.

Bereits heute ist eine zunehmende Nachfrage nach Light-Industrial-Standorten in Deutschland und Europa zu beobachten. Da der Großteil der Reshoring-Projekte erst in den kommenden Jahren realisiert wird, ist mit einer weiteren Zunahme der Nachfrage zu rechnen. Sie trifft auf ein Angebot, das der Logistikboom der letzten Jahre stark ausgedünnt hat. Dass Entwickler aufgrund der gestiegenen Finanzierungskosten neue Projekte auf Eis gelegt haben, vergrößert die Angebotslücke zusätzlich.

Branchenkenner erwarten daher mittelfristig steigende Mieten bei Logistikimmobilien und insbesondere im Teilsegment Light Industrial, auch wenn der Anstieg weniger steil sein dürfte als in den zurückliegenden Boomjahren.

Dem durch das schwächere makroökonomische Umfeld ausgelöste Repricing bei Gewerbeimmobilien in den zurückliegenden Monaten konnte sich auch das Light-Industrial-Segment nicht entziehen. Marktinsider schätzen hier jedoch das Umfeld günstiger ein und sehen deshalb derzeit gute Einstiegsopportunitäten bei entsprechenden Objekten.

Investmentriesen haben das Segment bereits entdeckt 

Bereits seit einigen Jahren ist die US-Investmentgesellschaft Blackstone, eine der größten der Welt, als Ankäufer im Light-Industrial-Bereich unterwegs. Das Blackstone-Portfolio umfasst Hunderte Objekte in mehreren europäischen Ländern. Laut Medienberichten erwarb Blackstone 2017 in einer einzigen Transaktion von der britischen Hansteen ein Light-Industrial-Portfolio im Wert von 1,28 Milliarden Euro, worin gut hundert deutsche Liegenschaften den größten Teil bildeten.

Light-Industrial-Portfolien sind häufig heterogen. Sie beinhalten zum Beispiel Einzelobjekte mit Immobilienwerten im niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Bereich bis hin zu großvolumigen Gewerbeparks, Produktionsstandorten oder sogenannten Corporate-Campus-Immobilien. Unabhängig von der Größe zeichnen sie sich in der Regel dadurch aus, dass sie von mehreren Mietern unterschiedlicher Branchen genutzt werden. Diese Mieterdiversifizierung reduziert für den Eigentümer das Risiko von Mietausfällen und Leerständen. Weiter risikodämpfend ist die Eigenschaft vieler Light-Industrial-Immobilien, flexibel nutzbar zu sein oder mit angemessenem Aufwand umgenutzt werden zu können.

Das hat allerdings zur Folge, dass die Verwaltung eines Light-Industrial-Objekts komplexer ist als bei einem Logistikobjekt. Der Eigentümer benötigt dedizierte Kompetenzen und mehr Ressourcen im Asset Management, da die vermieteten Flächen kleinteiliger sind und die aus unterschiedlichen Branchen stammenden Mieter spezifische Anforderungen stellen.

Logistik profitiert laut Immobiliendienstleister CBRE auch in den kommenden Jahren von langfristigen Trends und dürfte einer der Immobiliensektoren mit der besten Performance sein. Bieterwettbewerb und Bewertungen verfügbarer Objekte sind allerdings entsprechend hoch. Light Industrial hingegen ist wegen seiner Spezifika bei vielen Investoren noch nicht auf dem Radar erschienen. Anlegern, die mit den besonderen Anforderungen dieser Assetklasse umgehen können, bietet sie derzeit interessante Opportunitäten.

Gastbeitrag von Michael Bohde, Cromwell Property Group

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