Gespanntes Abwarten

Die Immobilienbranche ist im Umbruch. Zeit für einen Status quo, der die großen Trends beleuchtet. Iris Schöberl, Managing Director Germany & Head of Institutional Clients, Columbia Threadneedle Real Estate Partners Germany, ist eine ausgewiesene Expertin im Immobiliensegment. INTELLIGENT INVESTORS sprach mit ihr zu diversen Themen.
20. Juni 2023
Iris Schöberl, Managing Director Germany & Head of Institutional Clients, Columbia Threadneedle Real Estate Partners Germany

Die Immobilienbranche ist im Umbruch. Zeit für einen Status quo, der die großen Trends beleuchtet. Iris Schöberl, Managing Director Germany & Head of Institutional Clients, Columbia Threadneedle Real Estate Partners Germany, ist eine ausgewiesene Expertin im Immobiliensegment. INTELLIGENT INVESTORS sprach mit ihr zu diversen Themen.

INTELLIGENT INVESTORS: Frau Schöberl, in welcher Verfassung befindet sich gegenwärtig der deutsche Immobilien-Investmentmarkt?
Iris Schöberl: Ich würde das als gespanntes Abwarten beschreiben, es gibt derzeit relativ wenige Transaktionen am Markt. Ein Hauptgrund für die Zurückhaltung ist das stark gestiegene Zinsniveau, das die Kalkulation eines Immobilieninvestments deutlich verändert hat. Für die Käufer lohnt der Einstieg heute erst bei niedrigeren Einstiegspreisen, während viele Verkäufer noch nicht bereit sind, niedrigere Angebote zu akzeptieren. Aber der Markt ist dabei, einen neuen Konsens über das zukünftige Preisgefüge zu entwickeln. Aus unserer Sicht ist das ein normaler Anpassungsprozess nach einer längeren Boomphase am Immobilienmarkt, keine Krise.

II: Krisen bergen auch Chancen. Inwiefern erkennen Sie auch Licht am Ende des Tunnels?
Schöberl:
Aktuell sehen wir aufgrund der Preiskorrekturen über alle Nutzungsarten hinweg wieder attraktive Einstiegschancen. So sind zum Beispiel bei den Wohnimmobilien, die wir prüfen, die Nettoankaufsfaktoren seit Februar 2022 um rund 15 bis 20 % gefallen. Auch bei Büroimmobilien steigen die Spitzenrenditen wieder, in den sieben deutschen Großstädten lagen die Renditen Ende 2022 im Schnitt bereits wieder bei 3,31 % und damit 67 Basispunkte über dem Vorjahreswert1. Davon profitieren besonders die Käufer, die ohne Fremdfinanzierung auskommen, weil sie weniger von der Zinsentwicklung abhängen. Und spätestens, wenn sich die Zinssätze stabilisieren, werden die Transaktionsvolumina wieder wachsen, weil dann alle Seiten wieder verlässlicher kalkulieren können.

II: Viel wird über die Zukunft der Innenstädte debattiert. Worauf kommt es Ihrer Meinung nach in erster Linie an?
Schöberl:
Das Konzept der Highstreet als reine Shoppingmeile hat sich heute überlebt. Die Lockdowns während der COVID-Pandemie und der Trend zum Online Shopping haben den Niedergang der großen Kaufhausketten und des stationären Einzelhandels zusätzlich beschleunigt. Gleichzeitig bleibt die Innenstadt als zentraler Erlebnis- und Begegnungsort weiter wichtig, wenn das Angebot stimmt. Verbraucher erwarten heute einen attraktiv gestalteten öffentlichen Raum, urbanes Flair und einen breiteren Mix aus Shopping, Gastronomie, Dienstleistung, aber auch Gesundheit, Bildung und Wohnen. Dort, wo die Highstreet auf diese Wünsche eingeht, steigen auch die Besucherzahlen wieder.

II: Gibt es in diesem Zusammenhang Beispiele, die nachahmenswert sind?
Schöberl:
Viele Städte engagieren sich heute für eine Modernisierung ihrer innerstädtischen Lagen. Damit das klappt, müssen aber alle Beteiligten mitziehen. Aus diesem Grund haben wir 2022 im Rahmen einer Transparenzoffensive die Bürgermeister in mehr als 70 Städten angeschrieben, in denen wir für unsere Kunden innerstädtische Gewerbeimmobilien managen, um unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu signalisieren. Wir haben darauf sehr viel positive Resonanz erhalten und arbeiten jetzt zum Beispiel mit der Stadt Mönchengladbach sehr konstruktiv zusammen, um neue Lösungen für die dortige Highstreet zu entwickeln.

II: Oftmals fällt das Schlagwort „Mixed-Use“. Inwiefern könnte das Innenstädten zu neuer Attraktivität und Qualität verhelfen?
Schöberl:
Mixed-Use beschreibt genau die Verbreiterung des Angebots, die sich die Menschen von ihren Innenstädten wünschen. Die City der Zukunft ist ein lebendiges Quartier und eine Stadt der kurzen Wege, in dem Menschen leben und arbeiten und die ihnen im direkten Umfeld Naherholung, Einkauf, Bildung, Kultur und Freizeitmöglichkeiten bietet. Vor allem Wohnen wird in den Innenstädten wieder stärker nachgefragt, was die innenstädtischen Lagen zusätzlich beleben kann.

II: Wie sehen Sie generell die Zukunft der Assetklasse Einzelhandel?
Schöberl:
Zunächst mal bleibt der Einzelhandel für die Highstreet weiter wichtig, aber die Konzepte müssen sich anpassen. Die Flächen müssen kleiner und flexibler werden und es wird neue Angebote geben wie Showrooms für Autos oder Möbel, die die Highstreet attraktiver machen. Für unsere Investoren sehen wir zudem viel Potenzial bei gemischt genutzten Immobilien, die zusätzlich zum Modefilialisten im Erdgeschoss weitere Mietergruppen ansprechen, zum Beispiel einen Lebensmittel-Einzelhandel im Untergeschoss und ein Mix aus Büros, Praxen oder Wohnen in den Stockwerken darüber. Das senkt das Risiko und macht die Immobilie insgesamt resilienter.

II: Die vielfältige Debatte rund um ESG-Themen hält auch in der Immobilienbranche vermehrt Einzug. Wie nehmen Sie diese wahr? Was beschäftigt Sie dabei zuvorderst?
Schöberl:
Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Immobilienbranche extrem wichtig. Das liegt nicht nur an den sprunghaft gestiegenen Energiepreisen. Viele Mieter verfolgen heute eigene Nachhaltigkeitsziele und legen Wert auf hohe Umweltstandards. Das gilt auch für Investoren, hier wird vor allem ein professionelles Reporting relevanter Kennzahlen immer wichtiger. Unser Ziel bis 2025 ist es, die CO2-Emissionen signifikant zu senken. Dafür haben wir für alle von uns gemanagten Immobilien einen Fahrplan ausgearbeitet, wie wir relevante Emissionsdaten erfassen, den Ressourcenverbrauch reduzieren und die Recyclingquote erhöhen wollen. Das ist nicht nur
gut für die Umwelt. Wenn es gelingt, ältere Bestandsimmobilien nachhaltig zu ertüchtigen und zu verbessern, kann das auch den Wert steigern.

II: Sie sind in führender Position bei Columbia Threadneedle Real Estate Partners Germany tätig. Für was steht Ihr Haus und wo legen Sie den Schwerpunkt Ihrer Produktstrategie?
Schöberl:
Unser Team hat einen klaren Fokus auf Investments rund um die Highstreet und im Bereich Wohnen. Wir verwalten aktuell Assets under Management in Höhe von rund 4,2 Mrd. Euro in 17 Spezialfonds und 4 AIFs für über 50 Investoren. Das Thema Mixed-Use-Immobilien in innerstädtischen Lagen halten wir bei Columbia Threadneedle Real Estate Partners Germany derzeit für besonders attraktiv, hier haben wir auch gerade einen neuen Fonds für institutionelle Anleger aufgelegt, der in aussichtsreiche Objekte in 50 wachstumsstarken Schwarmstädten in ganz Deutschland investiert.

 

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