Anfang Juni verkündeten die Finanzminister der G7-Staaten nach ihrem Treffen in Großbritannien Pläne für ein globales Steuerabkommen. Dieses soll vor allem die digitalen Schwergewichte wie Facebook oder Google zur Kasse bitten und wurde vonseiten der Teilnehmerstaaten als großer Durchbruch gefeiert. Noch ist die Steuerreform nicht beschlossen, doch Anlegern drängt sich die Frage auf, welche Auswirkungen die Pläne für die Aktienmärkte weltweit und damit für ihre Portfolios haben könnten.
„Die viel zitierte globale Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent ist nur eine von zwei Säulen einer globalen Steuerreform, die die G7 diskutieren“, erklärt Philip Bold, Portfolio Manager bei Ethenea. „Die Reform sieht als zweite Säule vor, dass die ‚größten und profitabelsten multinationalen Unternehmen‘ dort besteuert werden, wo sie ihre Umsätze generieren. Diese Reallokation ist wirksam für 20 Prozent der Profite, die über einer Gewinnspanne von 10 Prozent liegen.“ Die Pläne der G7 würden damit die schon seit Jahren anhaltende Abwärtsdynamik hinsichtlich der Entwicklung von Unternehmenssteuersätzen durchbrechen. „Jahrelang sahen sich viele Staaten zur Senkung der eigenen Steuersätze gezwungen, um im Wettbewerb zu Steueroasen halbwegs konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt Bold. Die globale Reform solle hier für mehr Steuergerechtigkeit sorgen und ebenso die durch die Pandemie angeschlagenen Staatskassen wieder füllen.
Auswirkung für Anleger
Eine endgültige Einigung werde im kommenden Herbst erwartet, nachdem sich Anfang Juli insgesamt 130 Länder dem Vorschlag angeschlossen haben. „Für eine umfassende Bewertung der Reformauswirkungen ist es daher auch mangels detaillierter Eckdaten zur Reform noch zu früh“, sagt der Experte. Für Anleger empfehle es sich jedoch schon vorab etwaige Auswirkungen auf ihr Portfolio zu prüfen. „Es ist absehbar, dass die Reform sektoral unterschiedlich wirken wird. Dabei stehen sich vor allem zwei Lager gegenüber. Zum einen bereits hochbesteuerte Sektoren, beispielsweise die Energie- oder die Automobilbranche, deren Kapitalintensität der Profitverschiebung vorbeugt. Diese werden tendenziell keine zusätzliche Steuerbelastung erfahren.“ Das zweite Lager bestünde dagegen aus Unternehmen, die in der Vergangenheit tendenziell von einer fehlenden einheitlichen Steuerregelung profitiert hätten. Hierzu zählt Bold vor allem Unternehmen mit Fokus auf digitalen Geschäftsmodellen und geistigem Eigentum: „Das trifft insbesondere auf den Pharma- und Technologiesektor zu. Aber auch hier wird die Steuerreform nur einen moderaten Einfluss auf Unternehmensgewinne und Aktienbewertungen ausüben. In der Breite wird die globale Reform deshalb nicht strukturell marktbewegend sein.“
Dennoch gelte wie bei jeder Anlageentscheidung, dass eine gewisse Grundvorsicht ratsam sei. „Auch wenn die Steuerreformen den Gesamtmarkt jeweils nur marginal beeinflussen, sind zwei Aspekte dennoch wichtig: Erstens sollten die Reformen in der ganzheitlichen Bewertung des Aktienmarktes als potenzielle Unsicherheits- und Belastungsfaktoren anerkannt werden. Und zweitens muss der konkrete Einfluss der Reformen auf Einzeltitelebene geprüft werden, und damit auch implizit auf Ebene der Sektor- und Länderallokation“, so Bold. „Beides wird in den Top-down- und Bottom-up-Analysen unserer Fonds berücksichtigt.“
Philip Bold — Foto: © Ethenea