Edelmetall am Allzeithoch: Rückblick auf das Goldjahr 2023

Einen Blick hinter die Kulisse zu werfen kann erhellend sein. Das ist eine der Triebfedern, die mich gelegentlich zu Interviews der „besonderen Art“ führt. Es geht nicht nur um den fachlichen Austausch. Vielmehr reizt es mich dabei, den Protagonisten etwas besser zu verstehen, den Menschen hinter dem Funktionsträger ein wenig vorzustellen und en passant zu erfahren, wie er zu dem geworden ist, was er heute darstellt.
19. Dezember 2023
Ronny Wagner über die Dynamik des Goldmarktes. © NMF OHG

In unsicheren Zeiten mit Kriegen und Krisen haben Edelmetalle seit jeher Konjunktur. Besonders Gold wurde im Verlauf des Jahres 2023 für Anlegerinnen und Anleger weltweit zum begehrten „sicheren Hafen“. Goldexperte Ronny Wagner beschreibt die Trends, die derzeit zur Beliebtheit des glänzenden Edelmetalls beitragen.

Gastbeitrag von Ronny Wagner, Gründer der Noble Metal Factory.

Gold hat im Verlauf des Jahres 2023 massiv an Bedeutung gewonnen und zum Jahresende hin seine alten historischen Höchststände sogar übertroffen. Verantwortlich dafür sind viele Faktoren – allen voran die unsichere Lage an den Kapitalmärkten und die vielen politischen Spannungen in der Welt, von Osteuropa bis hin zum Nahen Osten mit ihren oft unkalkulierbaren volkswirtschaftlichen Folgen. Doch auch die weltweit führenden Notenbanken tragen ihren Teil zum Höhenflug des Goldes bei: Im Jahr 2023 erlebte der Goldmarkt aufgrund der aggressiven Zinserhöhungspolitik der Zentralbanken eine bemerkenswerte Entwicklung. Normalerweise hätte sich dies negativ auf den Goldpreis auswirken müssen – höhere Zinsen sorgen in der Regel dafür, dass die Nachfrage nach Festzinstiteln steigt, die nach Gold aber zurückgeht. Soweit in der Theorie. In der Praxis des Anlagejahres 2023 jedoch stieg der Goldpreis entgegen den Erwartungen an. Dieser Anstieg lässt sich durch übergeordnete Faktoren erklären, darunter globale wirtschaftliche Unsicherheiten und geopolitische Spannungen, die Gold als sicheren Hafen attraktiver machten. Auch Inflationserwartungen könnten trotz steigender Zinsen zu einer erhöhten Nachfrage beigetragen haben.

BRICS-Staaten stützen die Nachfrage nach Gold

Dahinter steckt eine Entwicklung, die mit dem Schlagwort „Bretton Woods III“ umschrieben werden kann. Am Horizont zeichnet sich die Struktur eines neuen globalen Finanzsystems ab. Die BRICS-Staaten – also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – könnten als Reaktion auf die Kritik am US-dominierten Finanzsystem versuchen, mit „Bretton Woods III“ eine Alternative zum US-Dollar zu schaffen. Dafür brauchen sie weiteres Gold, neben ihren ohnehin schon großen Beständen, als Wertaufbewahrungsmittel und Anker für neue Währungen. Die mehr oder minder öffentlichen Goldkäufe der Zentralbanken der BRICS-Staaten dürfen 2023 den Goldpreis massiv gepusht haben – ein Trend, der sich 2024 weiter bestätigen könnte. 

Im Oktober 2023 traten die Zentralbanken weltweit als Nettokäufer auf, angeführt von der People’s Bank of China und der türkischen Zentralbank. In der ersten Jahreshälfte 2023 erreichten die Zentralbankkäufe ein Rekordniveau, insbesondere durch China, Singapur und Polen. Unter dem Strich steht ein deutlicher Anstieg der Zentralbankennachfrage.

Die Investitionsnachfrage nach Gold verzeichnete ebenfalls einen Anstieg um zehn Prozent im Jahr 2022. Dies wurde durch eine Verlangsamung der Abflüsse aus börsengehandelten Fonds (ETFs) und eine erhöhte Nachfrage nach Goldbarren und ‑münzen angetrieben. Insbesondere in Europa, mit einer Übersteigung der Nachfrage nach Goldbarren und ‑münzen um 300 Tonnen, sowie im Nahen Osten mit einem Anstieg von 42 Prozent, war diese Entwicklung deutlich erkennbar. 2023 dürfte sich dieser Trend in etwa fortgesetzt haben, auch wenn die exakten Daten dafür noch nicht vorliegen.

Geopolitische Unsicherheiten und die steigende Inflation, immer noch hervorgerufen durch den andauernden Krieg in der Ukraine, trugen ebenfalls zur positiven Goldpreisentwicklung bei. Dies führte zu einer verstärkten Nachfrage nach Gold als Schutz gegen Inflation.

Doch noch spannender ist die Frage weiter: Wie geht es an den Märkten und speziell mit dem Gold weiter? Die Wirtschaftsprognosen für das kommende Jahr 2024 deuten gerade in Deutschland auf ein schwieriges Umfeld und eine mögliche globale Rezession hin, was zu einer Trendwende bei Goldinvestitionen führen könnte. Sinkende Inflationsraten könnten einen Gegenwind für Goldbarren- und Münzinvestitionen bedeuten, während ein schwächerer US-Dollar und ein nachlassendes Tempo der Zinserhöhungen positive Auswirkungen auf die Nachfrage nach mit Gold besicherten ETFs haben könnten.

Gold: Ein rentabler Fels in der Brandung

2023 erwies sich Gold nicht nur abermals als Fels in der Brandung, sondern auch als eine der ertragreichsten Anlageklassen über einen längeren Zeitraum. Von Ende 2002 bis Ende 2022 verzeichnete Gold eine durchschnittliche jährliche Wertsteigerung von 8,51 Prozent. Im selben Zeitraum boten europäische Staatsanleihen eine jährliche Rendite von 2,73 Prozent, während Euro-Bargeld lediglich 1,08 Prozent erbrachte.

Aktien aus Schwellenländern und weltweite Aktien ohne europäische Werte übertrafen Gold leicht mit Renditen von 8,98 Prozent beziehungsweise 8,54 Prozent. Europäische Aktien lagen bei 6,37 Prozent pro Jahr. Kurz- und mittelfristig variierten die Renditen jedoch stärker. In den vergangenen fünf Jahren bis Ende 2022 schlug Gold mit 9,53 Prozent jährlich fast alle anderen Anlageklassen, nur weltweite Aktien ohne europäische Werte erzielten mit 9,87 Prozent eine höhere Rendite.

In einem Zeitraum von zehn Jahren (Ende 2012 bis Ende 2022) lag die jährliche Rendite von Gold bei 3,12 Prozent, hinter den Renditen an den Aktienmärkten. Europäische Staatsanleihen erbrachten in diesem Zeitraum eine durchschnittliche jährliche Rendite von 0,8 Prozent. Im Jahr 2023 verzeichnete Gold bis zum 4. Dezember eine Wertsteigerung von 11 Prozent.

Andere Anlageklassen wie Private Equity und Private Credit zogen ebenfalls das Interesse der Anleger auf sich. Private Equity wurde aufgrund der Erwartung hoher Renditen auf dem Sekundärmarkt bevorzugt. Real Estate, insbesondere europäische Büroimmobilien, boten aufgrund ihrer Inflationsabsicherung und ihrer stabilen Renditepotenziale erhebliche Chancen. Transport und Holz als Real Assets gewannen ebenfalls an Interesse als ertragsorientierte Anlagen mit einem Beitrag zum Klimaschutz.

Alle, die jetzt mit einem Investment in Gold liebäugeln, fragen sich natürlich, ob das Timing dafür noch richtig ist. Als jahrelang erfahrener Goldhändler kann ich dafür die fünf folgenden zentralen Empfehlungen aussprechen:

1. Die langfristige Perspektive entscheidet: Gold sollte als Teil einer langfristigen Anlagestrategie betrachtet werden. Die historische Performance zeigt, dass Gold über längere Zeiträume hinweg eine zuverlässige Wertspeicherung bietet. Dies gilt insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und hoher Inflation.

2. Diversifikation ist wichtig: Integrieren Sie Gold als einen Teil Ihres diversifizierten Portfolios. Gold kann als Absicherung gegen Marktschwankungen und Währungsrisiken dienen. Es hat oft eine niedrige Korrelation zu anderen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen.

3. Beobachten Sie die Märkte: Bleiben Sie informiert über globale wirtschaftliche und politische Entwicklungen. Ereignisse wie geopolitische Spannungen, Änderungen in der Geldpolitik der Zentralbanken und Inflationstrends können erhebliche Auswirkungen auf den Goldpreis haben.

4. Spekulationen umgehen: Vermeiden Sie spekulative Investitionen in Gold, insbesondere wenn diese auf kurzfristigen Preisschwankungen basieren. Gold sollte als stabiler Bestandteil eines ausgewogenen Portfolios betrachtet werden, nicht als kurzfristige Handelsmöglichkeit.

5. Physische Produkte bevorzugen: Investieren sie in physisches Gold in Form von Münzen und Barren. Meiden Sie goldbezogene Finanzprodukte. Stellen Sie zugleich sicher, dass Ihr Gold an seinem sicheren Ort verwahrt ist, der aber keine überzogenen Lagerkosten nach sich zieht.

Zum Autor
Ronny Wagner
ist Gold- und Edelmetallhändler, Finanzmindset-Experte, Coach, Buchautor und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“ mit 25 Jahren Berufserfahrung in der Finanzbranche.

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